Frau zeigt Daumen hoch
Frau zeigt Daumen hoch © Light Vision, stock.adobe.com

Mitbestimmte Unternehmen sind erfolgreicher

Unternehmen, bei denen Arbeitnehmer:innen im Aufsichtsrat mitbestimmen, haben sich während der großen Finanz- und Wirtschaftskrise sowie in den Jahren danach wirtschaftlich signifikant besser entwickelt als Firmen ohne Mitbestimmung. Das gilt sowohl für die operative Rendite, für die Bewertung am Kapitalmarkt, die Beschäftigungsentwicklung wie auch für die Investitionen, sowohl in Anlagen als auch in Forschung und Entwicklung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Prof. Dr. Marc Steffen Rapp von der Universität Marburg und Prof. Dr. Michael Wolff von der Universität Göttingen, die mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung insgesamt 560 börsennotierte Unternehmen untersuchte.

Die unternehmerische Mitbestimmung habe in der Krise „kurzfristiges Verhalten von Unternehmen verhindert“ und danach ein „schnelleres Umschalten in den Wachstumsmodus ermöglicht“, resümierten die Professoren. Nach Ansicht der Experten sind diese Befunde angesichts von fortschreitender Digitalisierung und Globalisierung auch für die Zukunft höchst bedeutsam.

"Die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat könne „als Element einer modernen Corporate Governance verstanden werden, welche vor dem Hintergrund immer volatiler werdender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen geeignet ist, mögliche Risiken von strategischen Transformationsprozessen abzufedern."

Prof. Dr. Marc Steffen Rapp und Prof. Dr. Michael Wolff

Universität Marburg und Göttingen

Mitbestimmung steigert Umsatzrentabilität

Bei Unternehmen ohne Mitbestimmung sank die Umsatzrentabilität auf dem Höhepunkt der großen Finanz- und Wirtschaftskrise um 3,1 %, während sie in paritätisch mitbestimmten Firmen um 2,7 % stieg. Und in den Jahren nach der Krise ging sie in Firmen ohne Arbeitnehmervertreter zunächst weiter zurück. In paritätisch mitbestimmten Firmen legte sie dagegen um weitere 1,4 % zu.

Mitbestimmung hat positiven Einfluss auf Kapitalmarktperformance

Auch für die Aktienrendite (ergibt sich aus Kursentwicklung und Höhe der Dividende) und „Tobins Q“ (Verhältnis von Kurs- und Substanzwert) erkennen die Forscher einen signifikant positiven Einfluss: „Bei der Kapitalmarktperformance verzeichnen mitbestimmte Unternehmen über den betrachteten Zeitraum höhere Renditen, weisen geringere Schwankungen auf und ihre Unternehmensbewertungen unterliegen einem weniger drastischen Verfall“ während der akuten Krise. Konkret betrug die kumulierte Aktienrendite in mitbestimmten Unternehmen von 2006 bis 2011 7,2 %. In der von den Forschern identifizierten europäischen Vergleichsgruppe ohne Arbeitnehmer:innen in Aufsichtsrat oder Board lag sie dagegen bei minus 21 %.

Mitbestimmung zeigt Vorteile bei Beschäftigung und Arbeitsentgelt

Die Forscher erklären das deutlich bessere Abschneiden der mitbestimmten Firmen auch bei der Beschäftigungsentwicklung. Mitbestimmte Firmen verzichteten meist auf größere Entlassungen und hielten ihre Beschäftigung, während Unternehmen ohne Arbeitnehmerbeteiligung kräftig Stellen strichen. So ging die Mitarbeiterzahl in paritätisch mitbestimmten Unternehmen in der akuten Krisenphase um 2,4 % zurück, legte dann im Anschluss an die Krise bis 2011 wieder um 4,5 % zu, um in Summe 2,1 % über dem Vorkrisenniveau zu liegen. In Firmen ohne Mitbestimmung wurde die Belegschaft dagegen in der Krise um 7 % reduziert und lag anschließend 1,9 % unter dem Vorkrisenniveau.

Stattdessen, so die Forscher, hätten Unternehmen mit Mitbestimmung schneller „das Arbeitsentgelt nach unten hin angepasst“. Konkret beobachten sie, dass die durchschnittliche Vergütung in mitbestimmten Unternehmen vor der Krise spürbar höher war als in Firmen ohne Mitbestimmung. Während der Krise schwächt sich dieser Vorsprung ab, danach stellt sich die alte Relation wieder ein. „Dabei dürfte eine große Rolle gespielt haben, dass große deutsche Firmen in der Krise oft die Arbeitszeit rasch und deutlich reduziert haben, wie aus anderen Studien bekannt ist“, sagt Dr. Norbert Kluge, Direktor des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung. Beschäftigte konnten Zeitguthaben auf ihren Arbeitszeitkonten „abfeiern“ oder bei der Arbeitszeit sogar ins Minus gehen, der zeitliche „Dispo“ wurde mit Anziehen der Konjunktur wieder ausgeglichen. Aus der arbeitswissenschaftlichen Forschung ist bekannt, dass solche Konten in Unternehmen mit Mitbestimmung deutlich häufiger sind als in anderen. Ein Grund dafür: Wenn sie einen Betriebsrat und tarifvertragliche Vereinbarungen an ihrer Seite haben, lassen sich Beschäftigte eher darauf ein, Arbeitszeit ohne sofortige Bezahlung auf die hohe Kante zu legen.

Anders als Unternehmen, die zahlreiche Mitarbeiter:innen entlassen hatten, konnten mitbestimmte Unternehmen mit konstanten Beschäftigtenzahlen nach dem Abklingen der Krise schnell wieder ihre Produktion ausweiten.

Mitbestimmung bringt höhere und stabilere Investitionen 

Als Investitionsgrößen wurden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) als auch die für neue Anlagen herangezogen. Bereits für die Zeit vor der Krise liefern die Regressionsrechnungen laut der Studie einige Indizien dafür, dass mitbestimmte Unternehmen mehr investieren. Mitbestimmte Unternehmen fuhren ihre Investitionen während der Krise im Vergleich weniger deutlich zurück und weiteten sie nach der Krise stärker wieder aus. Fazit der Forscher: „Für essentielle Zukunftsinvestitionen ist insgesamt zu konstatieren, dass mitbestimmte Unternehmen an diesen stärker in der Krise festhalten, was ein weiterer wichtiger Indikator sein könnte, warum es mitbestimmten Unternehmen in kürzerer Zeit gelingt, an die vorherige Performance anzuknüpfen.“

Weniger Schulden, weniger Zukäufe

Vor der Krise haben die mitbestimmten Unternehmen im Sample nach Analyse der Forscher vorsichtiger gehaushaltet. Sie haben beispielsweise weniger Geld für Aktienrückkäufe ausgegeben und sich im Vergleich bei Zukäufen stärker zurückgehalten. Zugleich hatten sie weniger Schulden. In der Krise beobachten die Wissenschaftler keine signifikanten Unterschiede beim Finanzgebaren – wohl, weil auch die übrigen Unternehmen zurücksteckten. Nach Ende der Krise sanken die Schuldenstände in mitbestimmten Firmen dann aber deutlich schneller.

Mitbestimmung als Chance

Unter dem Strich zeichnet die Studie im Kontext der zurückliegenden Finanz- und Wirtschaftskrise ein sehr positives Bild der Mitbestimmung im Aufsichtsrat entlang vieler der untersuchten Dimensionen. Die Autoren sprechen daher der Arbeitnehmerbeteiligung an der Unternehmensspitze das Potenzial zu, eine dreifache Win-Win-Situation erreichen zu können. In diesem Kontext kann die unternehmerische Mitbestimmung die Möglichkeit bieten, Risiken in Hinblick auf die Unternehmenssituation als auch auf die individuelle Situation von Arbeitnehmer:innen besser abzufangen und damit auch die Volkswirtschaft als Ganzes zu schützen. 

"Letztlich sollte die Partizipation von Mitarbeitern im Aufsichtsrat im Rahmen von zukünftigen Transformationsprozessen damit durchschnittlich nicht als Hindernis, sondern als Chance verstanden werden."

Prof. Dr. Marc Steffen Rapp und Prof. Dr. Michael Wolff

Universität Marburg und Göttingen

Mitbestimmung im Aufsichtsrat und ihre Wirkung auf die Unternehmensführung

Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise.

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