Mann spielt Schach
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Aufsicht (oder) Rat?

Der Aufsichtsrat im Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Strategieberatung

Ein Manko in den Aufsichtsräten österreichischer Unternehmen ist die mangelnde Strategiedebatte über den richtigen Kurs und den besten Weg zum Ziel. In Aufsichtsräten wird für Strategie-Diskussionen oft zu wenig Zeit gewidmet, so das Ergebnis einer von der Arbeiterkammer durchgeführten Umfrage bei 340 Arbeitnehmervertreter:innen. Dabei stehen die Aufsichtsräte im Spannungsfeld zwischen Überwachung und Strategiebegleitung, Motto "Aufsicht (oder) Rat". Zu diesem Thema fand im Rahmen des IfAM Forums eine Diskussionsrunde statt. Durch die vielfältige Zusammensetzung des Podiums wurde die Debatte aus den verschiedenen Blickwinkeln von Betriebsrät:innen (Leopold Miedl und Gabriele Berger), Anlegervertreter:innen (Wilhelm Rasinger), WirtschaftsprüferInnen (Christoph Luger) und langjähriger Aufsichtsratsexpertise (Winfried Braumann) geführt.  

Kurzfilm zur Veranstaltung

Mehr Strategie wagen?

Das österreichische Aktiengesetz legt klar fest, dass „allgemeine Grundsätze der Geschäftspolitik“ von der Geschäftsführung nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates beschlossen werden sollen. Der Corporate Governance Index unterstreicht diese gesetzliche Regelung. Als sog. „Comply-or-Explain-Regel“ (d.h. ein Unternehmen muss sich für ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen) ist außerdem  angeführt, dass die Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichtsrat sich regelmäßig über die Strategie des Unternehmens auszutauschen haben.

Diese Regelmäßigkeit ist in vielen österreichischen Aufsichtsräten – aus Arbeitnehmer:innensicht – nicht zufriedenstellend, wie eine Umfrage der AK Wien zeigt. Mehr als zwei Drittel der befragten Arbeitnehmervertreter:innen wünschen sich „mehr“ oder „eher mehr“ Zeit für die Diskussion von strategischen Fragen. Offensichtlich werden diese Themen in den Aufsichtsräten zwar behandelt, in vielen Fällen jedoch nicht umfassend genug.

 „Strategie ist ein Prozess, kein Konzept“

Dieses Verlangen nach mehr Zeit geht auch Hand in Hand mit dem Impulsreferat von Winfried Braumann, dessen Hauptthese sich auch wie ein roter Faden durch die anschließende Diskussion zog: Strategie ist mehr als bloß eine punktuelle Entscheidung. An der Spitze einer Strategie steht eine Vision aus der sich konsistente Ziele mit geeigneten Maßnahmen entwickeln. In der Phase eines gesamten Strategieprozesses sind die Entwicklung, die Planung, die Festlegung aber auch die Umsetzung unverzichtbare Etappen. In jeder dieser Etappen kann der Aufsichtsrat als Kontrolle, als externe (oder im Falle von Arbeitnehmervertreter:innen interne) Feedbackschleife und als Konsistenzprüfer agieren und damit eine wichtige Rolle einnehmen.

Nun steht in der Debatte außer Frage, dass Kapitalvertreter:innen (auch im Aufsichtsrat) in ihrer Rolle klar definierte – finanzielle – Ziele verfolgen. Gleichzeitig kann aber das langfristige Einbinden des Aufsichtsrates jedenfalls zur Verbesserung von Strategien führen. In der Praxis werden Strategieentscheidungen mitunter nach dem „Power-Point-Konzept“ getroffen, das heißt ein punktueller Bericht der Geschäftsführung zur Strategie wird eingebracht und sofort abgestimmt. In der Diskussion wurde von Betriebsrät:innen auch von der gängigen Praxis der Tischvorlagen-Entscheidungen berichtet. Das bei einem solchen Prozess wertvolle Inhalte und Potentiale für beide Seiten verloren gehen, ist augenscheinlich.

Work-Load oder Stand-Alone?

Nicht zuletzt wurde im Verlauf der Diskussion auch das Thema “Über­forderung” angeschnitten. Mitglieder von Aufsichtsräten sehen sich mitunter in Entscheidungsprozessen einer Armada von hauptamtlichen ExpertInnen sowie einer Unterlagenflut gegenüber. Berechtigterweise wurde auch die Frage gestellt, inwieweit qualitätsvolle Aufsichtsratsarbeit neben der hauptberuflichen Tätigkeit und der Vertretungsarbeit im Betrieb überhaupt noch möglich ist.

Hier wurden in die Diskussion mehrere Argumente eingebracht, die für die Betriebsratsarbeit im Aufsichtsrat interessant sein können. So sind Belegschaftsvertreter:innen im Aufsichtsrat die einzigen „legalen Insider“. Sie kennen den Betrieb von innen, können Strategien beurteilen und über informelle, betriebsinterne Netzwerke Einschätzungen und Informationen von jeder Stelle einholen. „Der Kapitalvertreter hat diese Möglichkeiten nicht“ konstatierte Leopold Miedl. Dieses Wissen kann auch die Möglichkeit geben Allianzen zu schmieden, eine persönliche Zugangsweise scheint für eine wirkliche Einbindung in Strategieentscheidungen ohnehin unabdingbar. Diese Informationen und diese Position muss allerdings eingefordert und oft über Jahre hinweg erkämpft werden. Last but not least wurde festgestellt, dass auch die Frauenquote im Aufsichtsrat als Chance zu einer nachhaltigen Verbreiterung von Wissen, Netzwerken und Fähigkeiten gesehen werden soll.

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