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Virtuelle Sitzung statt physischer Zusammenkunft

Virtuelle Sitzungen sind grundsätzlich eine Alternative für den Aufsichtsratsvorsitzenden, die Sitzungen trotz fehlender physischer An­wesen­heit stattfinden zu lassen. Durch das gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz wurden die Vorstellungen des Gesetzgebers über virtuelle Sitzungen konkretisiert, um die Qualität der Rechtssicherheit und Willensbildung bei der Nutzung virtueller Kommunikationswege sicherzustellen. 

Anforderungen an virtuelle Sitzungen

Aufsichtsratssitzungen in virtueller Form sollen - laut dem Covid-19-Gesetz - insbesondere folgenden Anforderungen genügen:

  • Es muss eine Teilnahmemöglichkeit an der Sitzung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit bestehen.
  • Es muss jedem:r Teilnehmer:in möglich sein, sich zu Wort zu melden und an Abstimmungen teilzunehmen.
  • Falls einzelne Teilnehmer:innen nicht über die technischen Mittel für eine akustische und optische Verbindung verfügen oder diese Mittel nicht verwenden können oder wollen, können sie akustisch, etwa telefonisch, mit der Versammlung verbunden werden. Es muss jedoch mindestens die Hälfte der teilnehmenden Aufsichtsratsmitglieder über eine Videokonferenz zugeschaltet sein.
  • Gibt es Anlass zum Zweifeln an der Identität eines:r Teilnehmer:in, auch wenn diese nur akustisch zugeschalten wird, ist die Identität auf geeignete Weise zu überprüfen. Eine ausreichende Stimm­erkennung reicht allerdings als Identitätsnachweis.

Neben diesen Anforderungen sind die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Einberufung und Durchführung weiterhin grundsätzlich einzuhalten, wie etwa Bestimmungen zur Protokollierung oder die Mindest­anzahl an Teilnehmer:innen. Auch sind die herkömmlichen Voraussetzungen für die Beschlussfassungen „außerhalb“ von Aufsichtsratssitzungen  (wie z.B. Umlaufbeschlüsse) zu beachten.

Voraussetzungen für virtuelle Sitzungen

  • Wird die gegenseitige Hörbarkeit und Sichtbarkeit ermöglicht?
    Der wechselseitige Hör- und Sichtkontakt muss gegeben sein, um eine echte Kommunikation und damit hinreichende Diskussion und Austausche zu erreichen.
  • Kann der virtuelle Kommunikationskanal eine ausreichende Realitätstreue und Authentizität der Diskussion ermöglichen?
    Es muss möglich sein, die Stimme der Teilnehmer:innen zu hören sowie ihre Mimik und Gestik zu sehen. Während der Sitzung sollen Sinneseindrücke gewonnen werden können. Dabei ist ganz besonders auf eine hochwertige Datenübertragung Wert zu legen!
  • Ist ein gleicher Informationsstand aller anwesenden Aufsichtsratsmitglieder gegeben?
    Sämtliche Informationen und Unterlagen sind allen TeilnehmerInnen rechtzeitig vor und - falls nicht anders möglich - auch während der virtuellen Sitzung zu übermitteln. Es muss ein gleicher Wissens- und Informationsstand gewährleistet sein. 
  • Ist die Teilnahmemöglichkeit Dritter gewährleistet?
    Sind gemäß § 93 Abs 1 Satz 2 Aktiengesetz oder § 30h Abs 1 Satz 2 GmbH-Gesetz sonstige externe Personen wie etwa der Vorstand, der/die Abschluss­prüfer:in, Sachverständige oder Auskunftspersonen der Aufsichtsratssitzung beizuziehen, muss die technische Möglichkeit einer Zuschaltung der Externen gegeben sein.
  • Ist die Vertraulichkeit gewahrt?
    Die virtuelle Sitzung hat über sichere Kanäle zu erfolgen. Kein Nicht­be­rechtigte darf auf diese Einfluss nehmen können, Manipulationen sind zu vermeiden. Das Aufsichtsratsmitglied hat sich daher grundsätzlich alleine im Raum zu befinden. Drucker, Faxgeräte und ähnliche Hilfsmittel sollten ebenfalls bereitstehen. 

Problematisch an „virtuellen“ Sitzungen ist ...

  • die mangelnde Kontrollmöglichkeit, ob das Gebot der Nichtöffentlichkeit eingehalten wird. So könnte z. B. gleichzeitig ein (nicht mittels Aufsichtsratsbeschlusses zur Sitzungsteilnahme zugelassenes) Vorstandsmitglied über einen Monitor oder eine Telefonleitung die Sitzung verfolgen. Möglicherweise möchte ein Arbeitnehmervertreter oder der Vertreter einer Aktionärsminderheit aber Dinge zur Sprache bringen, die er zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form nicht mit dem Vorstand diskutieren will.

  • Die verstärkte Leitungsmacht des Aufsichtsratsvorsitzenden. Dieser kann per Mouse-Click oder über die Telefonanlage das Wort erteilen und entziehen. Ein lebendiger Diskussionsprozess, etwa über die Wirtschaftlichkeit einer Investition oder die Sinnhaftigkeit von Ausgliederungen, wird kaum entstehen können.

Fragen Sie sich als aufsichtsrät:in daher ganz genau:

  • Sind in unserer Satzung oder Geschäftsordnung Regelungen zu vir­tuellen Sitzungen vorgesehen, sollen wir entsprechende Regelungen vorsehen? 

  • Werden alle organisatorischen und technischen Maßnahmen getroffen, damit
    • die Sitzung ordnungsgemäß abgehalten werden kann?
    • Unterlagen empfangen und weitergeleitet werden können?
    • alle Aufsichtsratsmitglieder den gleichen Informationsstand haben können?
    • Dritte, falls notwendig, der Sitzung zugeschaltet werden können?
    • alle Aufsichtsratsmitglieder Fragen an externe Dritte stellen und Antworten erhalten können?
    • Zeit zum Reflektieren und für die Meinungsbildung bleibt?
    • die Unterlagen entsprechend gesichert und sorgfaltsgemäß verwahrt werden?
    • die  gewährleistet ist?

  • Werden die grundsätzlichen Anforderungen an Aufsichtsratssitzungen eingehalten?
    • Wurden die Aufsichtsratsmitglieder ordnungsgemäß eingeladen?
    • Wurde die Tagesordnung übermittelt?
    • Wird ein Protokoll ordnungsgemäß erstellt?

  • Der/die Aufsichtsratsvorsitzende sollte vorab darüber aufklären, wie die notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, auf welche Weise die Diskussion stattfindet und in welcher Form Beschlüsse gefasst werden.

  • Wie gewohnt ist auch bei virtuellen Sitzungen ein Protokoll zu erstellen. Insbesondere ist es im Falle der virtuellen Sitzung ratsam, die Art und Weise der Unterlagenübermittlung und des Aus­tausches zu dokumentieren.

    Insgesamt ist daher auch bei virtuellen Sitzungen zu beachten, dass alle Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Sitzung gewährleistet und gegeben sind! 

Wenn Beschlüsse gefasst werden sollen, die für die Unternehmenszukunft und die Sicherheit der Arbeitsplätze von Bedeutung sind, sollte die Abhaltung einer tatsächlichen Sitzung  der Vorzug gegeben werden. Der Meinungs- und Gedanken­austausch in realen, „menschelnden“ Debatten und Diskussionen kann durch Fern-Konferenzen nicht uneingeschränkt ersetzt werden. Das gilt ganz besonders in Krisensituationen oder bei Beschlüssen mit gravierenden Auswirkungen.

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Prinz Eugenstraße 20-22
1040 Wien

Telefon: +43 1 50165-0

- erreichbar mit der Linie D -

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