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© Lisi Specht, AK Wien

Der zusätzliche Bericht an den Prüfungsausschuss

Die Finanzskandale der 2000er Jahre haben zu neuen Strukturen und Regeln im Bereich der internen und externen Unternehmensaufsicht geführt. Ein Kind dieser Zeit war die verpflichtende Einrichtung von „Prüfungsausschüssen“ in Aufsichtsräten. Ziel war es vor allem die Qualität der Rechnungslegung zu verbessern, sowie finanzielle und betriebliche Risiken zu reduzieren. Die Aufgaben des Prüfungsausschusses umfassen unter anderem die (Vor-)Prüfung des Jahresabschlusses aber auch die Überwachung des Prüfungsprozesses und somit auch die Kommunikation mit (potenziellen) Abschlussprüfer:innen.

In Österreich sind Prüfungsausschüsse verpflichtend für Versicherungen, Banken, Unternehmen deren Wertpapiere börslich gehandelt werden, Unternehmen die per Gesetz von „öffentlichem Interesse“ sind und so genannte „fünffach große“ Unternehmen einzurichten. In Fällen von großen Unternehmen mit „kleinen“ Aufsichtsräten kann auch der gesamte Aufsichtsrat die Aufgaben des Prüfungsausschusses übernehmen. Selbstverständlich ist es auch möglich (und im Hinblick auf finanzielle Risikovermeidung wohl oftmals empfehlenswert) einen Prüfungsausschuss freiwillig einzurichten.

Beteiligung von Belegschaftsvertreter:innen in Ausschüssen

Grundsätzlich kann jeder Aufsichtsrat mit einfacher Mehrheit aus seiner Mitte heraus Ausschüsse bilden, die sich mit einem bestimmten Themenbereich intensiver befassen und Beschlüsse für den Aufsichtsrat vorbereiten. Die Gruppe der vom Betriebsrat entsendeten Aufsichtsratsmitglieder hat in jedem Fall das Recht, dass zumindest ein Mitglied mit Sitz und Stimme im Ausschuss vertreten ist. Dies gilt für (fast) alle Ausschüsse, jedenfalls aber für den Prüfungsausschuss. Genauso wie im Aufsichtsratsplenum ist ein vom Betriebsrat entsendetes Mitglied auch im Prüfungsausschuss ein gleichwertiges Mitglied, das unter anderem wertvolle Informationen aus der täglichen betrieblichen Praxis in die Beratungen im Prüfungsausschuss einbringen kann und soll. Dies sind oftmals „legale Insiderinformationen“ auf die Kapitalvertreter:innen und Abschlussprüfer:innen nicht ohne weiteres und vor allem nicht direkt zugreifen können.

Prüfungsbericht versus „zusätzlicher Bericht“ an den Prüfungsausschuss

Aufsichtsratsmitglieder erhalten zur Beratung und Prüfung im Aufsichtsrat den geprüften Jahresabschluss samt Lagebericht sowie einen Prüfungsbericht des:der Abschlussprüfer:in. Dieser beinhaltet in der Praxis meist Standardformulierungen und beschränkt sich auf die gesetzlich vorgeschriebenen Inhalte. Ein besonders wichtiger Teil des Prüfungsberichts – nämlich der Bestätigungsvermerk, in dem das Prüfungsurteil zusammengefasst wird – wird auch gemeinsam mit dem Jahresabschluss im Firmenbuch offengelegt.

Mitglieder eines Prüfungsausschusses erhalten vom:von der Abschlussprüfer:in einen deutlich umfangreicheren „zusätzlichen Bericht an den Prüfungsausschuss“, der in Umfang und Tiefe weit über den Prüfungsbericht hinaus geht. Dieser Bericht ist eine zusätzliche Ressource, um die Qualität und Tiefe der Prüfung hinterfragen, einordnen und beurteilen zu können und um Erkenntnisse für zukünftige Prüfungshandlungen und die Kontrolle der Geschäftsleitung zu gewinnen. Im Gegensatz zum Bestätigungsvermerk (der Teil des Prüfberichtes an den Aufsichtsrat ist) wird dieser zusätzliche Bericht nicht und auch nicht teilweise im Firmenbuch offengelegt. Er ist auch in der Praxis – ganz im Gegensatz zum Prüfungsbericht – von Prüfer:in zu Prüfer:in und von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich gestaltet.

"DER ZUSÄTZLICHE BERICHT AN DEN PRÜFUNGSAUSSCHUSS IST EIN INSTRUMENT MIT DEM DIE QUALITÄT DER ABSCHLUSSPRÜFUNG UND DER KONTROLLE DER GESCHÄFTSLEITUNG VERBESSERT WERDEN KANN. DIES GILT GANZ BESONDERS WENN ER MIT DEM WICHTIGSTEN ALLEINSTELLUNGSMERKMAL DES BETRIEBSRATES IM AUFSICHTSRAT – DER INNENSICHT AUS DER TAGTÄGLICHEN ARBEIT UND PRAXIS – VERBUNDEN WIRD."

Michael Heiling, Ak Wien

Inhalte des zusätzlichen Berichtes an den Prüfungsausschuss

Der zusätzliche Bericht beinhaltet üblicherweise die konkreten Prüfungsschwerpunkte und Prüffelder, beantwortet also die Frage: „Was wurde genau geprüft?“. Hier könnte in einem ersten Schritt etwa eine Änderung oder gar Reduktion der Prüffelder zum Vorjahr kritisch hinterfragt werden. Betriebsratsmitglieder wissen aus ihrer betrieblichen Praxis auch sehr oft wo „es hakt“ und können dadurch auch im Prüfungsausschuss begründete Schwerpunkte vorschlagen. Abschlussprüfer:innen werden diese wichtige „Innenperspektive“ in vielen Fällen wertschätzen und aufgreifen.

Weiters wird im zusätzlichen Bericht die „Wesentlichkeitsgrenze“ dargestellt und erläutert, auf Basis welcher Kriterien der:die Abschlussprüferin diese festlegt. Die Wesentlichkeitsgrenze wird üblicherweise sowohl betragsmäßig als auch anteilig an einer anderen wirtschaftlichen Kenngröße (etwa Umsatz oder Gewinn) dargestellt und legt fest, ab wann eine Abweichung oder eine Fehldarstellung für den gesamten Jahresabschluss als „wesentlich“ zu betrachten ist und damit Auswirkungen auf das Prüfungsergebnis hat. Hier sollte etwa hinterfragt werden, ob die Grenze und die zugrunde gelegte Kenngröße sinnvoll und branchenüblich sind. Es gilt: Je „niedriger“ die Wesentlichkeitsgrenze, desto „strenger“ das Prüfungsurteil!

Nicht zuletzt beinhalten die zusätzlichen Berichte oft unberichtigte Fehldarstellungen (also Fehldarstellungen im Jahresabschluss, die nicht berichtigt werden mussten, weil sie betragsmäßig unwesentlich waren) sowie konkrete Hinweise für die Geschäftsleitung. Der Bericht nimmt damit auch oftmals die Rolle eines „Management Letters“ ein. Der Umgang mit diesen Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen, die Strategien zu deren Umsetzung sowie der Stand der tatsächlichen operativen Umsetzung der aufgegriffenen Handlungsfelder können und sollten dann in den Folgesitzungen des Ausschusses eingefordert bzw. thematisiert werden.    

Umgang in der Praxis

In der Praxis profitieren sowohl Abschlussprüfer:in als auch der Aufsichtsrat von einem guten, professionellen und vertrauensvollen Umgang miteinander, weil dieser die Prüfungsqualität erhöhen kann. Der zusätzliche Bericht an den Prüfungsausschuss ist ein konkretes Instrument, dessen Analyse und Beratung die Beziehungen zwischen dem Aufsichtsrat und dem:der Abschlussprüfer:in, die Qualität der Abschlussprüfung und die Qualität der Kontrolle der Geschäftsleitung durch den Aufsichtsrat verbessern kann. Dies gilt ganz besonders wenn diese Analyse und Beratung des Berichts mit dem wichtigsten Alleinstellungsmerkmal des Betriebsrates im Aufsichtsrat – der Innensicht aus der tagtäglichen Arbeit und Praxis – verbunden wird. Für das einzelne Betriebsratsmitglied im Aufsichtsrat lohnt sich somit eine vertiefte Analyse des zusätzlichen Berichtes, da dieser wesentliche und operationalisierbare Informationen über die Prüfung enthält, und im Gegensatz zum Prüfungsbericht in der Praxis deutlich weniger auf Textbausteinen und Standardvorlagen aufbaut. 

ifam tipp

Eine IFAM-Checkliste zum praktischen Umgang mit „zusätzlichen Berichten an den Prüfungsausschuss“ ist hier zum Download verfügbar.

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