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Prüfungsschwerpunkte in der Abschluss­prüfung

Ziel jeder Abschlussprüfung ist die Erteilung eines korrekten Prüfungsurteils.
Im Falle eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks urteilt der Prüfer unter anderem, dass der Jahresabschluss den gesetzlichen Vorschriften entspricht und ein möglichst getreues Bild der Vermögens- und Finanzlage sowie der Ertragslage der zu prüfenden Einheit (zB GmbH, AG, Konzern, Privatstiftung) in Übereinstimmung mit den jeweiligen Vorschriften (zB UGB, IFRS) vermittelt. 

Risikoorientierter Prüfungsansatz

Um zu einem fundierten Prüfungsurteil zu kommen sind Abschlussprüfer verpflichtet Prüfungsstandards einzuhalten. Der übliche risikoorientierte Prüfungsansatz wird in den Fachgutachten, Richtlinien und Stellungnahmen der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, dem Institut der Wirtschaftsprüfer und den International Standards on Auditing (ISA) umfangreich definiert. Nach ISA 315 hat der Abschlussprüfer die Pflicht, die Risiken wesentlicher falscher Darstellungen im Abschluss aus dem Verstehen der Einheit und ihres Umfelds, einschließlich des Internen Kontrollsystems (IKS), zu identifizieren und zu beurteilen. Das Ziel des Abschlussprüfers besteht in der Identifikation und Beurteilung von Risiken für beabsichtigte oder unbeab­sichtigte Fehldarstellungen um daraus Prüfungshandlungen und -schwerpunkte abzuleiten und letztendlich ein korrektes Prüfungsurteil abzugeben.

Damit der Abschlussprüfer bedeutsame Risiken gemäß ISA 315 identifizieren und beurteilen kann, hat sich der Prüfer ein Verständnis u.a. über die Branche, das rechtliche Umfeld, die Strategie, das Interne Kontrollsystem, das IT System und den Rechnungslegungsprozess anzueignen. Wenn der Prüfer das Vorliegen bedeutsamer Risiken feststellt, muss ein Verständnis für die diesbezüglichen relevanten Kontrollen der Einheit gewonnen werden. Aus diesem risiko­orientierten Prüfungsansatz werden weitere Prüfungs­handlungen abgeleitet. Bereiche, die nach der Beurteilung des Prüfers ein besonderes Risiko für eine nicht korrekte Darstellung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage darstellen sind intensiver zu prüfen als Gebiete mit keinem oder geringem Risiko. Welche Themen dies betrifft, hängt stark von der zu prüfenden Einheit ab, deren Branche, Größe, Rechtsform, finanziellen Lage oder ob sie speziellen Vorschriften unterliegt. Beispielsweise ist bei einem Unternehmen mit stark angespannter Liquiditätssituation intensiv zu prüfen, ob die Fortführung der Unternehmenstätigkeit wahrscheinlich ist bzw. eine Insolvenz droht. Bei einer Baufirma sind typischerweise die zum Bilanzstichtag noch nicht fertiggestellten Bauten ein Schwerpunkt.

Da die Beurteilung der Risiken wesentlicher falscher Darstellungen für jede Abschlussprüfung durchzuführen ist, ändern sich einzelne Prüfungs­schwerpunkte auf Grund von steigendem Wissen des Abschlussprüfers über die zu prüfende Einheit, einem mehrjährigen roulierenden Prüfungsplan für das Interne Kontrollsystem oder Änderungen im rechtlichen Umfeld (zB Rechnungslegungsänderungsgesetz 2014), der Geschäftstätigkeit oder internen Prozessen von Jahr zu Jahr. Nach ISA 315 sind in jeder Prüfung Risiken hinsichtlich eines möglichen betrügerischen Zusammenwirkens zwei oder mehrerer Personen oder betrügerische Handlungen des Managements um interne Kontrollen zu umgehen (Management Override) zu berücksichtigen und zu beurteilen. Außerdem muss der Abschlussprüfer bei der Identifizierung und Beurteilung von bedeutsamen Risiken davon ausgehen, dass bei der Erlöserfassung ein Risiko zu betrügerischem Handeln besteht (ISA 240).

Journal Entry Testing, Benford Test

Als Prüfungshandlung zur Identifikation von dolosen Handlungen ist ein sogenanntes Journal Entry Testing durchzuführen. Dabei wird das Buchungs­journal hinsichtlich ungewöhnlicher Buchungen, Buchungstext, Buchungsart, Buchungszeit (in der Nacht, am Wochenende, an Feiertagen, …) oder auffälligen Beträgen analysiert. Bei Hinweisen auf Fehldarstellungen wird
oftmals ein „Benford Test“ durchgeführt. Dabei wird überprüft, ob die Anfangszahlen zB im Buchungsjournal jener natürlichen Verteilung entsprechen, die der amerikanische Physiker Frank Benford entdeckt hat.
Benford's law besagt in seiner einfachsten Konsequenz, dass die führende Ziffer 1 mit einer Wahrscheinlichkeit von 30,1 % auftritt, die Zahl 2 mit 17,6 %, die Zahl 3 mit 12,5 %, usw. Falls im Buchungsjournal signifikante Abweichungen von der natürlichen Verteilung auftreten sind diese vom Prüfer zu hinterfragen. Prüfungshandlungen zur Erlöserfassung können beispiels­weise Umsatzbestätigungen durch den Kunden im Rahmen einer Salden­bestätigungsaktion sein. Ein weiteres Beispiel ist die Prüfung der Wirksamkeit der Kontrollen für die Umsatzrealisierung. Zum Beispiel kann bei produzierenden Unternehmen für eine Stichprobe anhand der Vertrags­grundlage (zB Bestellung, Vertrag ), der Nachweis der Leistungs­erbringung (zB Abnahmeprotokoll, Lieferschein) und der Rechnung überprüft werden, ob die definierten Kontrollen eingehalten wurden. Bei einer Prüfung eines österreichischen UGB-Abschlusses ist wesentlich, dass eine Rechnung nur nach vollständig erbrachter Leistung gelegt und als Umsatzerlös verbucht wird.

Prüfungsschwerpunkte der Finanzmarktaufsicht

Neben den vom Prüfer identifizierten kritischen Prüffeldern und den Vorgaben der ISA legt die österreichische Finanzmarktaufsicht jährliche Prüfungs­schwerpunkte fest. Dabei setzt sie die europäischen Prüfungsschwerpunkte der ESMA (European Securities and Markets Authority) um und berücksichtigt die Vorschläge der Österreichischen Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR). Diese sind von den Abschlussprüfern von kapitalmarktorientierten Unternehmen, deren Wertpapiere (einschließlich Anleihen) an einem geregelten Markt zugelassen sind, zu berücksichtigen.

IFAM Tipp

Eine gute Prüfung ist kein Standardprodukt, sondern sollte an den konkreten Risiken, denen das Unternehmen ausgesetzt sein kann, ansetzen. Um seiner eigenen Überwachungstätigkeit nachzu­kommen, hat der Aufsichtsrat zu beurteilen, ob sich die Risikoeinschätzung des Abschlussprüfers mit der eigenen Risikowahr­nehmung deckt. Deswegen sollte der Aufsichtsrat mit dem Abschlussprüfer erörtern, welche unternehmensspezifischen Risiken der Prüfer seiner Prüfungsplanung zugrunde gelegt hat und wie diese Risiken identifiziert wurden. Die Fragen des Aufsichtsrats könnten beispielsweise wie folgt lauten:

  • Wie hat sich der Prüfer mit der Unternehmensstrategie
    auseinandergesetzt? Welche unternehmensspezifischen
    Risiken sind in der Prüfungsplanung berücksichtigt? Wie wurden diese identifiziert?
  • Gibt es eine mehrjährige Planung der Prüfungsschwerpunkte?
  • Welche Konzerngesellschaften werden von wem geprüft? Bei welchen Tochterunternehmen hat der Abschlussprüfer bedeutende Risiken identifiziert? Welche Tochterunternehmen wurden nicht in die Konsolidierung einbezogen

Darauf aufbauend kann der Aufsichtsrat weitere prüfungsrelevante Gebiete nennen, die aus Sicht seiner Überwachungstätigkeit von Bedeutung sind und gegebenenfalls ergänzte Prüfungsschwerpunkte mit dem Abschlussprüfer vereinbaren.

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