Paragraphen
© Jürgen Priewe, stock.adobe.com

Die Flexible Kapitalgesellschaft - eine neue Rechtsform für Unternehmen

Autor: Mag. Helmut Gahleitner, Abt. Wirtschaftspolitik, AK Wien

Seit 1.1.2024 steht den Unternehmen eine neue Rechtsform zur Verfügung, die als „Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG) oder als Flexible Company (FlexCo) bezeichnet wird. Die Einführung ging einher mit einer gleichzeitigen Reduzierung des gesetzlichen Mindeststammkapitals bei der GmbH von € 35.000 auf € 10.000, wovon lediglich € 5.000 bei der Gründung aufgebracht werden müssen.

Nachfolgender Beitrag gibt einen Überblick über die Entstehung der neuen Kapitalgesellschaftsform, die wichtigsten Merkmale und was von der neuen Kapitalgesellschaft zu erwarten ist.

Zur Vorgeschichte

Bereits im aktuellen Regierungsprogramm 2020-2024 ist die Schaffung einer neuen Kapitalgesellschaftsform für innovative Start-ups und Gründer:innen angeführt. Vor allem das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und die Startup-Branche forcierten unter dem Arbeitstitel „Austria Limited“ eine neue Rechtsform. Die neue Flexible Kapitalgesellschaft zeichnet sich vor allem durch einfache Gründung bei geringem Kapitalbedarf, weniger Formvorschriften, hohe Flexibilität und durch eine neue Form der Unternehmensbeteiligung insbesondere für Mitarbeiter:innen aus. Trotz zahlreicher kritischer Stimmen und der Forderung, anstelle einer neuen Rechtsform das bestehende GmbH-Recht weiterzuentwickeln, hat das zuständige Bundesministerium für Justiz nach mehrjährigen Verhandlungen das Flexible Kapitalgesellschaftsgesetz (FlexKapGG) vorgelegt und die Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG) als Hybridform (Mischform) zwischen der GmbH und Aktiengesellschaft angesiedelt.

Wer darf eine Flexible Kapitalgesellschaft gründen?

Die FlexKapG wird als Rechtsform für Startups „verkauft“. Dies erweckt den Anschein, als würde die neue Kapitalgesellschaftsform nur einigen wenigen „innovativen“ und sich in der Frühphase befindlichen Unternehmen zur Verfügung stehen. Dies ist nicht der Fall. Die neue Rechtsform steht allen Unternehmen offen. Auch die Umgründung einer GmbH oder AG in eine FlexKapG ist jederzeit möglich. Letztlich ist die FlexKapG eine zusätzliche Kapitalgesellschaft neben GmbH und AG und steht damit im Rechtsformwettbewerb mit den etablierten Kapitalgesellschaften.

Gründung und Mindeststammkapital – ähnlich wie bei der GmbH

In weiten Teilen kommt bei der FlexKapG das GmbH-Recht zur Anwendung, das Gesetz spricht von subsidiärer Anwendung, sofern keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Die neuen Mindestkapitalvorschriften bei der GmbH (€ 10.000, davon € 5.000 Mindestaufbringung) gelten sohin auch für die FlexKapG. Eine vereinfachte elektronische Gründung ist – so wie bei der GmbH – ebenfalls möglich, sofern die Voraussetzungen des § 9a GmbH-Gesetz erfüllt sind (einzige Gesellschafter:in ist zugleich Geschäftsführer:in).

Ein Unterschied besteht hinsichtlich der Mindeststammeinlage. Diese beträgt bei der GmbH € 70. Bei der FlexKapG besteht die Möglichkeit der Ausgabe von Stückanteilen zum Mindestbetrag von € 1. Weiters wird der FlexkapG die Ausgabe mehrerer Anteilsgattungen von Geschäftsanteilen mit verschiedenen Rechten und Pflichten erleichtert, was die Attraktivität der Gesellschaft für Investoren:innen steigern soll.  

Organisationsstruktur – Aufsichtsratspflicht früher als bei der GmbH  

Wie bereits einleitend darauf hingewiesen, ist die FlexKapG eine Mischform zwischen GmbH und AG. Die Organisationsstruktur der FlexKapG folgt allerdings grundsätzlich dem GmbH-Recht. Mit einer Ausnahme: Für die FlexKapG kommen einerseits die  Bestimmungen des § 29 Abs 1 GmbHG (Aufsichtsratspflicht) zur Anwendung und darüber hinaus ist die FlexKapG auch dann aufsichtsratspflichtig, wenn sie eine mittelgroße Kapitalgesellschaft im Sinne des § 221 UGB ist und somit der Abschlussprüfung unterliegt. Mittelgroß ist die Gesellschaft, wenn sie in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zwei von drei nachfolgenden Merkmalen überschreitet: € 5 Mio. Bilanzsumme und/oder € 10 Mio. Umsatz und/oder 50 Arbeitnehmer:innen im Jahresdurchschnitt. Damit tritt bei der FlexKapG die Aufsichtsratspflicht regelmäßig deutlich früher ein als bei der GmbH (mehr als 300 Arbeitnehmer:innen im Jahresdurchschnitt), was im Hinblick auf eine bessere Unternehmenskontrolle zu begrüßen ist. Allerdings kommt es im Vergleich zur  Organisationstruktur der AG zu einer deutlichen Machtverschiebung in Richtung der Gesellschafter:innen (Kompetenz- und Weisungsrechte).

Neue Anteilsklasse „Unternehmenswertanteile“ - Gesellschafter:innen „zweiter Klasse“

Dabei handelt es sich um Gesellschaftsanteile, die im Vergleich zu den klassischen Gesellschaftsanteilen mit deutlich eingeschränkten Mitwirkungsrechten ausgestaltet sind. So haben Unternehmenswertbeteiligte kein Stimmrecht. Auch die Informationsrechte sind im Vergleich zur GmbH eingeschränkt. Das Recht auf anteiligen Bilanzgewinn und Veräußerungserlös besteht zwar grundsätzlich, kann aber unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden. Die Ausgabe von Unternehmenswertanteilen ist mit 25 % minus 1 Anteil am Stammkapital beschränkt.

Wenngleich die Zeichnung von Unternehmenswertanteilen allen offen steht, wird diese Form der Unternehmensbeteiligung vor allem als neues Beteiligungsmodell für Mitarbeiter:innen insbesondere im Startup-Bereich angepriesen. Denn im Falle eines klassischen „Exits“, wenn also die Gründer:innen mehrheitlich ihre Anteile verkaufen, wird den Unternehmenswertbeteiligten ebenfalls ein Mitverkaufsrecht zu gleichen Bedingungen eingeräumt, sodass sie am Verkaufserfolg partizipieren können. Es bleiben allerdings viele Fragen offen, insbesondere jene, wie im Falle des eingeräumten Verkaufsrechts bei Ende des Beschäftigungsverhältnisses vorzugehen ist. Erwähnenswert sind auch die neu eingeführten Steuerbegünstigungen. So werden unter bestimmten Voraussetzungen nur 25 % des Erlöses mit der Einkommensteuer versteuert, die restlichen 75 % mit der meist günstigeren Kapitalertragssteuer (vgl. § 67a EstG). 

Finanzierungsinstrumente ähnlich einer AG

Mit Ausnahme der Börsennotierung kann eine FlexKapG praktisch alle Finanzierungsmaßnahmen ergreifen, die bislang der AG vorbehalten waren. So kann die FlexkapG eigene Anteile bis zu einem Drittel des Stammkapitals erwerben, die sie etwa für künftige Investor:innen oder Mitarbeiterbeteiligungen bereithalten kann. Auch flexible Kapitalmaßnahmen wie Bedingte Kapitalerhöhungen oder Genehmigtes Kapital zur Ausgabe neuer Gesellschaftsanteile sind der FlexkapG ebenso erlaubt wie Finanzierungsinstrumente, bei denen die Gläubiger ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Anteile eingeräumt wird.

Weitere Erleichterungen

Die FlexKapG genießt gegenüber der GmbH noch weitere Erleichterungen. So können Anteilsübertragungen auch im Wege einer Privaturkunde durch den Rechtsanwalt erfolgen und bedürfen nicht zwingend eines Notariatsaktes. Gesellschafterbeschlüsse können im Umlaufweg gefasst werden, ohne dass sämtliche Gesellschafter:innen zustimmen müssen. Die Möglichkeit der uneinheitlichen Stimmabgabe bei Gesellschafterbeschlüssen (Vote-Splitting) begünstigen Treuhandschaften oder die Ausgabe verschiedener Anteilsgattungen.

Was ist von der neuen Rechtsform zu erwarten

Noch ist es zu früh, klare Aussagen darüber zu treffen, inwieweit die neue Rechtsform von der Wirtschaft angenommen wird. Klar ist jedenfalls, dass die FlexKapG nicht nur für Startups relevant sein wird, was sich aus den derzeit zahlreich angebotenen Seminaren ableiten lässt. 


Links

Kontakt

Kontakt

Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien

Prinz Eugenstraße 20-22
1040 Wien

Telefon: +43 1 50165-0

- erreichbar mit der Linie D -