Fit & Proper: Eignungsbestätigung durch den BR
Voraussetzungen und Unterlagen für die Beschlussfassung, Musterbestätigung
Aufsichtsräte, Geschäftsleiter und Inhaber von Schlüsselfunktionen von Kreditinstituten müssen nach dem österreichischen Bankwesengesetz (BWG) fit (fachlich geeignet) und proper (persönlich zuverlässig) sein.
Bereits seit dem 22. Mai 2013 ist gemäß den Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) eine institutsinterne Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen vorzunehmen. Für Arbeitnehmervertreter:innen im Aufsichtsrat ist der Betriebsrat für die Eignungsbeurteilung und die Bestätigung der Fitness & Propriety zuständig.
Ab dem 30. Juni 2018 sind die aktualisierten Leitlinien zur Eignungsbeurteilung der European Banking Authority (EBA), die eine Stärkung der Fit & Proper Anforderungen zum Ziel haben, von den Instituten anzuwenden. Für die individuelle Eignungsbeurteilung von Aufsichtsräten, Geschäftsleitern und Inhabern von Schlüsselfunktionen ist – neben den fachlichen Anforderungen – nun auch ein sogenanntes „Soft Skill Set“ für die Beurteilung der Fähigkeiten der KandidatInnen zu verwenden, das u.a. folgende Kriterien demonstrativ auflistet: Authentizität, Rhetorik, Entschlussfreudigkeit, Kommunikation, Urteilsvermögen, Kunden und Qualitätsorientierung, Führungsstil, Loyalität, Externe Awareness, Verhandlungsgeschick, Überzeugungskraft, Teamwork, strategischer Scharfsinn, Stressresistenz, Verantwortungsbewusstsein und Sitzungsführung.
Besonders hervorzuheben ist das neue Kriterium der Unvoreingenommenheit, welches als innere Gesinnung zu verstehen ist, und von der EBA als die Courage und die Fähigkeit definiert wird, Entscheidungen anderer zu challengen, Fragen zu stellen und sich Gruppendenken widersetzen zu können. Alle äußeren Umstände, die die Unvoreingenommenheit beeinträchtigen können, sind zusätzlich mittels einer Policy für das Identifizieren, Managen und Kontrollieren von Interessenkonflikten zu steuern. Neben der individuellen Eignung jedes einzelnen Mitglieds ist auch die kollektive Eignung von Gremien (Aufsichtsrat bzw. Geschäftsleitung) sicherzustellen. Die kollektive Eignung des Aufsichtsrats sowie der Geschäftsleitung soll nun in den bankinternen Fit & Proper Prozessen mittels einer umfassenden Eignungsmatrix (siehe dazu Artikel von Gagawczuk/Wieser) in Form einer Gap-Analyse hinsichtlich des Ist-Bilds zum Ziel-Bild erfolgen. Dabei soll auch durch den Aufsichtsrat bzw. den Nominierungsausschuss eine Stärken-Schwächen-Analyse jedes Gremiums vorgenommen werden und allfällig identifizierte Lücken in die Nachfolgeplanung und die Festlegung eines Schulungsprogramms einfließen.
Eines der umstrittensten Themen war die Forderung der EBA nach unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern ohne Verbindungen zum Institut, zu den Eigentümern oder der Gruppe, dem das Institut angehört. Unabhängige Mitglieder spielen eine wichtige Rolle in Bezug auf die Wahrung der Interessen aller Stakeholder und von Minderheitsaktionären, die Beseitigung von Dominanz in der Entscheidungsfindung durch eine kleine Gruppe sowie das Steuern von Interessenkonflikten. Weitere Policies die es zu erstellen gilt, sind neben der Interessenkonfliktepolicy auch eine Training Policy sowie eine Diversity Policy. Mithilfe der Diversitätsvorgaben in Bezug auf Ausgewogenheit von Alter, Erfahrung, Beruf, Geschlecht und kultureller Herkunft soll eine heterogene Zusammensetzung der Gremien, ergebnisoffene kritische Diskussionen und damit eine Verbesserung der Arbeitsweisen erreicht werden. Um einen diversen Kandidat:innenpool im Sinne einer Nachfolgeplanung für die Geschäftsleitungen zu schaffen, soll die Diversity Policy zukünftig nicht nur für das Leitungsorgan, sondern für alle MitarbeiterInnen implementiert werden. In diesem Zusammenhang streichen die EBA Leitlinien die Vertretung von Arbeitnehmer:innen im Aufsichtsrat als positiven Beitrag für die Diversität hervor.
Zur Umsetzung der neuen EBA Fit & Proper Leitlinien, vor allem im Bereich der Unabhängigkeit der Aufsichtsräte, wurde am 14. Juni 2018 im Bundesgesetzblatt eine BWG-Novelle veröffentlicht. Die Anforderungen zur Unabhängigkeit im Aufsichtsrat und die diesbezüglichen Kriterien sind ab 1. Jänner 2019 in § 28a Abs 5a und 5b BWG gesetzlich normiert. Demnach benötigen Kreditinstitute von erheblicher Bedeutung (im Wesentlichen sind das solche mit einer Bilanzsumme größer 5 Mrd. Euro) oder kapitalmarktorientierte Institute mindestens zwei unabhängige Mitglieder im Aufsichtsrat. Alle anderen Institute benötigen mindestens ein unabhängiges Mitglied. Eine Ausnahmebestimmung besteht für (Immobilien-) Kapitalanlagegesellschaften, Betriebliche Vorsorgekassen und Kreditinstitute, deren Anteile zu 100 % im Eigentum eines anderen österreichischen Kreditinstituts stehen (wenn diese nicht wiederum selbst von erheblicher Bedeutung oder kapitalmarktorientiert sind).
Im Wesentlichen werden unter unabhängigen Personen solche ohne aktuelle oder vergangene (geschäftliche) Verbindung zum Institut und den kontrollierenden Eigentümer bzw. ohne Funktion innerhalb derselben Gruppe verstanden. Ein Aufsichtsratsmitglied, das bereits durchgehend seit 12 Jahren in der Geschäftsleitung oder im Aufsichtsrat tätig ist, gilt nicht mehr als unabhängig. Das Unabhängigkeitskriterium ist nur für Kapitalvertreter:innen zu erfüllen, auf die Anzahl der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder im Plenum sind Arbeitnehmervertreter:innen nicht anzurechnen. Weitere Neuerungen im BWG betreffen den Risikoausschuss systemrelevanter Banken, in dem die Mehrheit (darunter auch der Vorsitzende des Ausschusses) aus unabhängigen Mitgliedern bestehen muss, wobei gemäß den Erläuternden Bemerkungen bei einer geraden Anzahl an Mitgliedern auch die Hälfte ausreichend ist. Überdies können auch Arbeitnehmervertreter:innen für den Risikoausschuss als unabhängig gelten. Die erforderliche Anzahl unabhängiger Mitglieder ist laut einer Übergangsbestimmung ab 1. Juli 2019 zu erfüllen, wenn sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats seit der Kundmachung des Gesetzes (14. Juni 2018) nicht geändert hat. Diese Übergangsregel soll den Instituten ermöglichen, die erforderliche personelle Zusammensetzung des Aufsichtsrats in den Hauptversammlungen im ersten Halbjahr 2019 herstellen zu können.
Zur Anpassung des FMA-Fit & Proper Rundschreibens an die neuen Vorgaben der EBA und der BWG-Novelle hat die FMA am 30. August 2018 eine aktualisierte Version ihres Fit & Proper Rundschreibens veröffentlicht. Dieses enthält u.a. wesentliche Auslegungen zu den Unabhängigkeitskriterien sowie eine Aktualisierung der Liste der aufsichtlich erwarteten Wissensgebieten (Gesetze, Verordnungen, Rundschreiben, Leitlinien, etc.) für Aufsichtsräte, Geschäftsleiter und Inhaber von Schlüsselfunktionen. Die Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung, erforderliche Erfahrung und zeitliche Verfügbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern richten sich nach dem FMA Rundschreiben – wie auch schon laut der ursprünglichen Fassung des Rundschreibens – weiterhin auch an Arbeitnehmervertreter:innen; diese sind in diesem Fall aber im Lichte des ArbVG zu beurteilen. Der Betriebsrat hat im Zuge der Bestätigung der individuellen Fitness & Propriety von Arbeitnehmervertreter:innen keine kollektive Eignungsbeurteilung vorzunehmen, der Beitrag der Arbeitnehmervertreter:innen kann jedoch bei der kollektiven Eignung des Aufsichtsrats berücksichtigt werden. Weiters sind Arbeitnehmervertreter:innen angehalten, das entsprechende Fachwissen im Laufe ihrer Tätigkeit durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu vertiefen. Die Fort- und Weiterbildung hat nach dem Grundsatz der Proportionalität und unter Berücksichtigung der individuellen (bereits vorhandenen) Kenntnisse zu erfolgen. Die verstärkten Anforderungen der EBA Leitlinien, insbesondere die Abfrage und Überprüfung der Soft Skills sowie die Analyse der kollektiven Eignung mithilfe der Eignungsmatrix im Rahmen der bankinternen Fit & Proper Prozesse wird eine Adaptierung der Fit & Proper Prozesse und Policy erforderlich machen.
IFAM Hinweis
Das „Fit & Proper“-Rundschreiben findet sich auf der Homepage der FMA und ist hier verfügbar.Prinz Eugenstraße 20-22
1040 Wien
Telefon: +43 1 50165-0
- erreichbar mit der Linie D -
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