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Kollektive Eignung: Die Rolle der Ar­beit­nehmerver­tretung

Die Hundehütte ist für den Hund, der Aufsichtsrat für die Katz, so wurde früher über die Unternehmensaufsicht gescherzt.

Doch spätestens die Finanzkrise 2008 hat gezeigt, dass „streichelweiche“ Aufsichtsräte, die einen Tagesordnungs­punkt nach dem anderen abnicken, passé sind. Zehn Jahre später sieht sich das Kontrollorgan im Finanzsektor mit deutlich erhöhten Anforderungen („Fit & Proper“) konfrontiert. Zum einen sind die Anstrengungen im Hinblick auf mehr Qualifizierung des Gremiums Auf­sichts­rat wichtige Schritte, um für gute und nachhaltige Unternehmensführung und -kontrolle zu sorgen. Zum anderen benötigt der Aufsichtsrat als Kollegialorgan nicht nur fachliche Expertise, sondern unterschiedliche (Stakeholder-) Perspektiven, um der Überwachungstätigkeit und Strategie­ar­beit ausgewogen und letztlich erfolgreich nachzukommen. Die Mitbestimmung spielt dabei eine wichtige Rolle, trägt doch die Drittelparität maßgeblich zur unabhängigen und kritischen Aufsichtsrats­arbeit bei.

Mitbestimmen im Bankenaufsichtsrat

Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist demnach ein wesentlicher Bestandteil, um die Anliegen und die Sichtweisen der Beschäftigten einzubringen. Die oftmals langjährige Zugehörigkeit zum Unternehmen sowie der intensive Austausch mit MitarbeiterInnen und der Geschäftsführung bescheren dem Betriebsrat umfangreiches Organisationswissen. Die ArbeitnehmervertreterInnen sind zudem in hohem Maße unabhängig und durch ihre faktische Unkündbarkeit vor ent­sprech­end­em Druck durch die Unternehmensleitung gefeit. Zudem zeigen Studien aus Deutschland, dass die Mitbestimmung im Aufsichtsrat einen positiven Einfluss auf die Produktivität hat. Mit zu­nehm­end­er Komplexität der Geschäftsmodelle braucht es im Aufsichtsrat neben Hausverstand und Durchsetzungskraft verstärkt juristisches und wirtschaftliches Know-How. Zuletzt brachte die Etablierung des „Fit & Proper“ Prozess – fit (fachliche geeignet) und proper (persönlich zuverlässig) – in Banken einen zusätzlichen Qualifizierungs-, Weiterbildungs- und Professionalisierungsschub mit sich. Die Anforderungen sind untrennbar mit Größe, Struktur und strategischer Ausrichtung des zu beaufsichtigenden Kreditinstituts verbunden. Zusätzliche Erfordernisse ergeben sich außer­dem mit der Funktion im Gremium z.B. Mitarbeit im Prüfungsausschuss.

Betriebsrat: Keine Überprüfung der kollektiven Eignung

Während die individuelle Eignung von Arbeitnehmer­vertreterInnen vom Betriebsrat (als ent­send­endes Organ) bereits seit einigen Jahren – nach Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen – be­stätigt werden muss, ist dies laut dem FMA-Rundschreiben vom August 2018 bei der Über­prüf­ung der kollektiven Eignung nicht erforderlich:

FMA-Rundschreiben zur Eignungsprüfung

„Der Betriebsrat hat bei der Entsendung keine Überprüfung der kollektiven Eignung durch­zu­führ­en. Jedoch kann bei der Beurteilung durch das Institut berücksichtigt werden, in­wie­weit die entsandten Arbeitnehmervertreter:innen zur kollektiven Eignung beitragen.“ (Quelle: FMA-Rund­schreiben zur Eignungsprüfung von Geschäftsleitern, Aufsichtsratsmitgliedern und In­habern von Schlüsselfunktionen vom 30. August 2018, S. 34)

Primär ist es demnach in der Verantwortung der Kurie der Kapitalvertreter:innen, die kollektive Eignung zu erfüllen. Die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen der Ar­beit­nehm­er­ver­tret­er­:innen könnten womöglich einen zusätzlichen Pluspunkt bzw. ein Asset für die Eignung des Ge­samt­auf­sichts­rats darstellen. Für die Praxis wäre es daher denkbar, dass die Ar­beit­nehmer­ver­treter:iInnen überlegen, welchen Beitrag sie ihrerseits beisteuern können, wie z.B. spezielle Kennt­nisse im Bereich Risikomanagment sowie langjährige Erfahrungen im Finanzsektor oder im Auf­sichts­rat. Zur Orientierung bzw. als Leitfaden könnte dabei die Eignungsmatrix der EBA ( European Banking Authority ) dienen.

Eignungsmatrix als Beurteilungsinstrument

Die zuvor angesprochene Eignungsmatrix der EBA ist ein mögliches Instrument für ein Kredit­in­stitut, um die kollektive Eignung der Mitglieder des Aufsichtsrats (regelmäßig oder jährlich) selbst zu beurteilen. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Mitglieder der Ar­beit­nehmer­ver­tret­ung keine Prüfung der kollektiven Eignung durchzuführen haben, allerdings punkt­uell zu den erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten beitragen könnten. Die sechsteilige Matrix sieht eine Selbsteinschätzung der Aufsichtsratsmitglieder zu folgenden Punkten vor:

  1. Geschäftsmodellanforderungen (Geschäftsmodell, Geschäftsstrategie, Hauptrisiko)
  2. Governance (Organisationsstruktur und Überwachung)
  3. Risikomanagement, Compliance, Audit
  4. Leitung und Entscheidung
  5. Erfahrungsübersicht (Berufserfahrung)
  6. Schlussfolgerungen (Stärken / Schwächen-Analyse)

Gerade bei der Stärken / Schwächen-Analyse des Aufsichtsrats ist es für die Kurie der Ar­beit­nehmer­Innen spannend relevante Fragestellungen zu diskutieren wie z.B. Welche Rollen haben die verschiedenen Personen für die Dynamik von Gruppendiskussionen und Entscheidungen? Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern? Welche besonderen Eigenschaften haben Mit­glied­er, die zur kollektiven Eignung beitragen? Ist die Größe des Vorstands angemessen? Am Ende eines erfolgreich geführten Fit & Proper Prozesses muss immer die Weiterentwicklung des Grem­iums stehen, hin zu einem qualifizierten, mitbestimmten und divers zusammengesetzten Banken­auf­sichts­rat. Ratsam wäre es in diesem Zusammenhang, dass der Betriebsrat einmal im Jahr (z.B. je­weils in der ersten Sitzung im neuen Kalenderjahr) das Thema Weiterbildungsmaßnahmen für Auf­sichts­rats­mit­glied­er auf die Tagesordnung setzt.

Neben dem Besuch von Fortbildungen, die vom Kreditinstitut für Mitglieder des Aufsichtsrats (ge­mäß § 28a Abs 6 BWG) angeboten werden, können Arbeitnehmervertreter:innen zusätzlich aus unter­schied­lich­en bankspezifischen Modulen im Rahmen der IFAM-Ausbildung wählen.

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1040 Wien

Telefon: +43 1 50165-0

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