Betriebsrat kontrolliert Unterlagen
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Gründlich ermittelt: Die Bilanzpolizei kommt

Ab 2014 ermittelt in Österreich die „Bilanzpolizei“ und nimmt Jahresabschlüsse näher unter die Lupe. Wozu braucht es eigentlich eine eigene Bilanzpolizei – oder präzise ausgedrückt: eine „Kontrollbehörde für die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften“? Es gibt doch ohnedies eine Reihe von Organen und Gremien, die für die Überwachung der Rechnungs­legung verantwortlich sind. Die Geschäftsführung bzw der Vorstand ist für die Erstellung des Jahresabschlusses verantwortlich, der Aufsichtsrat für die Überwachung, kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen noch einen eigenen Prüfungsausschuss einrichten. Der Abschlussprüfer wird eigens für die Prüfung des Jahresabschlusses bezahlt. Unternehmensintern ist zusätzlich noch ein internes Kontrollsystem aufzubauen und bei Finanzinstituten werden die Bilanzen auch von den Finanzmarktaufsehern näher unter die Lupe genommen. All diese Kontrollinstanzen können es aber offensichtlich nicht verhindern, dass Jahresabschlüsse fehlerhaft erstellt werden. So hat die deutsche Prüfstelle für Rechnungswesen (DPR) im Jahr 2011 110 Jahresabschlüsse börsennotierter Unternehmen geprüft und dabei bei 25 % der Fälle Fehler entdeckt. Die Hauptursachen für diese hohe Fehlerquote sind unzureichende Berichterstattung im Lagebericht und Anhang, vor allem hinsichtlich etwaiger Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Unternehmenssituation. Ein hohes Fehlerpotenzial liegt aber auch bei der Anwendung der internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS. Die IFRS Standards weisen eine hohe Komplexität auf, Wertansätze beruhen noch dazu überwiegend auf Erwartungen über zukünftige Entwicklungen, die auf den jeweiligen Bilanzstichtag heruntergebrochen werden müssen. Die „Interpretationsspielräume“ beim Ansatz von Vermögensgegenständen oder Verpflichtungen sind daher entsprechend groß. Die Bilanzpolizei soll hier auch präventiv wirksam werden, die aus ihrer Prüfungstätigkeit gezogenen Erkenntnisse sollen zusätzlich in den Weiterentwicklungsprozess der Rechnungslegung einfließen.

Wer ist „Bilanzpolizei“?

Die österreichische Regierungsvorlage sieht vor, dass die Finanzmarktaufsicht (FMA) als Kontrollbehörde für die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften zuständig sein soll. Die FMA kann die Prüfungen selbst vornehmen bzw an sich ziehen oder sich einer eigenen „Prüfstelle für Rechnungslegung“ bedienen. Diese Prüfstelle gibt es derzeit noch nicht, sie wird voraussichtlich als Verein im Laufe des Jahres 2013 eingerichtet werden und dann für die operative Prüfungstätigkeit verantwortlich sein. Wie dieser Verein aufgestellt werden wird, ist derzeit noch offen. Im vergleichbaren deutschen Verein („Prüfstelle“) sind etwa die Bundesverbände der Industrie und Banken, die Vertreter der Wirtschaftsprüfer aber auch der Deutsche Gewerkschaftsbund Vereinsmitglieder. Die Prüfungen werden einerseits von den Mitgliedsbeiträgen der Vereinsmitglieder finanziert, andererseits werden die betroffenen börsennotierten Unternehmen einen eigenen finanziellen Beitrag leisten müssen. Die Prüfungsanordnung und damit die Festlegung der Unternehmen, des Zeitpunkts sowie des Inhalts der Prüfungen sind von der FMA festzulegen.

Was wird geprüft?

Unter das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz werden alle kapitalmarktorientierten Unternehmen fallen. Gemeint sind damit alle Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt im Inland zugelassen sind. Andere Unternehmen, wie nicht börsennotierte Aktiengesellschaften oder GmbHs werden vom RL-Kontrollgesetz nicht erfasst. Gibt es einen Konzernabschluss, wird dieser geprüft. Ein Einzelabschluss wird nur dann herangezogen, wenn kein Konzernabschluss aufgestellt werden muss. In Deutschland werden die Unternehmen nur etwa alle vier bis fünf Jahre von der DPR besucht, auch in Österreich ist nur eine Stichprobenprüfung geplant.

Was passiert mit den Ergebnissen der Prüfung?

Laut Gesetz liegt ein Fehler in der Rechnungslegung dann vor, wenn Verstöße gegen die Rechnungslegungsvorschriften begangen wurden. So könnten etwa bei Bilanzierungsspielräumen und den damit verbundenen „Schätzungen“ von Wertansätzen dann Verstöße gesehen werden, wenn argumentierbare sinnvolle Bandbreiten bewusst unter- oder überschritten werden. Auch das bewusste Unterlassen von Angaben im Anhang (zB Angaben zu den Vorstandsbezügen oder zur Bewertung) wird einen Verstoß darstellen. Besonders fehleranfällig ist die Verbuchung von Finanzinstrumenten sowie von Umgründungen wie Verschmelzungen oder Abspaltungen – etwa bei der Darstellung des Goodwills. Werden im Rahmen der Überprüfung derartige Verstöße festgestellt, hat die FMA als zuständige Bilanzpolizeibehörde dies mittels Bescheid dem betroffenen Unternehmen mitzuteilen. In weiterer Folge kann die FMA eine Veröffentlichung der festgestellten Fehler vornehmen.

Was kann der Aufsichtsrat tun?

Der Aufsichtsrat sollte sich rasch mit den neuen Regelungen auseinandersetzen und entsprechend vorbereiten. Die Prüfung der Bilanzpolizei ist nicht als Vollprüfung angelegt, d.h. die Prüfungsaufgabe von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer ist deutlich umfangreicher als die der Bilanzpolizei. Für den Aufsichtsrat bieten die oben dargestellten Prüfungsschwerpunkte der Bilanzpolizei wertvolle Anhaltspunkte für seinen Fragekatalog im Rahmen der Bilanzsitzung. Auch die bei anderen Unternehmen festgestellten Fehler sollten als Aufsichtsrat genau beobachtet und deren Einhaltung beim eigenen Unternehmen urgiert werden. Während eines Überprüfungsverfahrens ist die Einbindung des Aufsichtsrates besonders wichtig. Dazu gehört eine umfassende Information des Aufsichtsrates über die Fragen im Rahmen der Überprüfung und natürlich über die Ergebnisse. Abschließend muss der Aufsichtsrat eine Diskussion führen, welche Lehren aus der Prüfung zu ziehen sind. Letztendlich soll die zusätzliche Überprüfung durch die Bilanzpolizei eine präventive Wirkung entfalten und dabei unterstützen, Bilanzfehler künftig zu vermeiden.

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