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Corporate Sustainability Reporting: Weit mehr als nur neue Berichtspflichten zu Nachhaltigkeit

Dr. Josef Baumüller, TU Wien

Mitte Dezember 2022 wurde die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Dies stellt den Endpunkt eines Projektes dar, das auf europäischer Ebene seit mehreren Jahren verfolgt wurde und auch über die EU-Grenzen hinaus zunehmend Beachtung gefunden hat. Die Richtlinie sieht eine Ausweitung der Transparenzpflichten bestimmter europäischer Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit vor – in einem Ausmaß, die als eine der größten Reformen in der Geschichte des europäischen Bilanzrechtes gesehen wird.

Warum es neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitstransparenz braucht(e)

Berichtspflichten zur Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen werden auf EU-Ebene schon lange thematisiert; ein entscheidender Durchbruch konnte 2014 mit der Verabschiedung der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) erzielt werden. Diese wurden in Österreich durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) umgesetzt und sind seit dem Geschäftsjahr 2017 anzuwenden. Seither sind sogenannte nichtfinanzielle Erklärungen bzw. nichtfinanzielle Berichte durch bestimmte Unternehmen von öffentlichem Interesse zu veröffentlichen. Die Kritik an diesen Berichtspflichten wurde jedoch schnell laut: Die Zahl der betroffenen Unternehmen sei zu gering, in inhaltlicher Hinsicht zeigen vorgelegte Berichterstattungen Defizite in puncto Vollständigkeit, Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit.

Dieser Befund ist insofern besonders problematisch, als viele weitere Initiativen der EU-Kommission auf das Vorliegen von Daten zur Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen bauen. Basierend auf der Idee der „Sustainable Finance“ sollen Märkte in der EU neu ausgerichtet werden, um Nachhaltigkeit zu bepreisen und so Anreize für Unternehmen zu schaffen, ihr Verhalten anzupassen. Damit diese Wirkung aber erzielt werden kann, müssen hinreichend fundierte Informationen über die Wirtschaftstätigkeiten von Unternehmen und über die damit verbundenen Auswirkungen vorliegen. Dies kann der gegenwärtige Normenrahmen nicht leisten. Die CSRD will die genannten Problemfelder daher allesamt adressieren.

Nachhaltigkeitsberichterstattung wird „mainstream“

Eine Schlüsselbestimmung der CSRD betrifft die massive Ausweitung des Kreises an berichtspflichtigen Unternehmen. Gegenwärtige Schätzungen gehen EU-weit von einer Verfünffachung, für Österreich von mindestens einer Verzwanzigfachung aus. Maßgeblich verantwortlich dafür ist die Erstreckung der Berichtspflicht auf alle großen Kapitalgesellschaften – d.h. Unternehmen v.a. in der Rechtsform der AG und der GmbH, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums zwei von drei festgelegten Größenkriterien überschreiten (40 Mio. Umsatz, 20 Mio. Bilanzsumme, 250 Mitarbeiter:innen). Weiters von der Berichtspflicht umfasst sind kapitalmarktorientierte KMU (was in Österreich einen Ausnahmefall darstellt) sowie bestimmte Kreditinstitute und Versicherungs-unternehmen.

Auf Konzernebene ist ebenfalls auf das Vorliegen eines großen Konzernes abzustellen. Innerhalb von berichtspflichtigen Konzernstrukturen entfällt diesfalls die Pflicht zur eigenständigen Berichterstattung der einbezogenen Unternehmen; ausgenommen von dieser Befreiung sind einzig große und kapitalmarktorientierte Tochterunternehmen. Bei stark abweichenden nachhaltigkeitsbezogenen Chancen- und Risikoprofilen einzelner einbezogener Unternehmen ist hierauf in der Berichterstattung gesondert einzugehen.

Neu und besonders brisant ist, dass auch Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU unter bestimmten Voraussetzungen von der Berichtspflicht umfasst sind. Dies einerseits, wenn eine Notierung an einem geregelten Kapitalmarkt in der EU erfolgt. Andererseits kann schon eine umfassende Geschäftstätigkeit (> 150 Mio. Euro Umsatz in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren) im EU-Raum ausreichen, um in den Anwendungsbereich der CSRD zu fallen. Für die Umsetzung dieser Vorgaben werden freilich die Organe der europäischen Tochterunternehmen bzw. Niederlassungen in die Pflicht genommen. Für internationale Konzernstrukturen wird diese Umsetzung eine besondere Herausforderung darstellen.

Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus ist die hohe Zahl an Unternehmen hervorzuheben, für welche die CSRD von mittelbarer Bedeutung ist. Innerhalb berichtspflichtiger Konzerne werden alle einbezogenen Unternehmen Daten erheben und einmelden müssen, um den geforderten Konzernbericht zu erstellen. Darüber hinaus ist die gesamte Wertschöpfungskette abzubilden. D.h. auch Lieferanten und Kund:innen werden mit Datenabfragen konfrontiert und werden reagieren müssen, um nicht ihre Geschäftsbeziehungen zu gefährden.

Ein neues inhaltliches Anspruchsniveau an die Nachhaltigkeitsberichterstattung

In inhaltlicher Hinsicht werden die anzugebenden Informationen konkretisiert und ausgeweitet. Fortan folgt die Berichterstattung der Logik von „ESG“ – Environmental (Umwelt), Social (Soziales), Governance (Unternehmensführung). Neu ist dabei die Betonung der „Governance-Säule“: Hier werden konkrete Pflichten für Vorstand und Aufsichtsrat angesprochen, die sich einerseits mit allgemeinen Grundsätzen guter Unternehmensführung befassen, andererseits eine Integration von ökologischen und sozialen Maßstäben in die Unternehmenssteuerung fordern. Darüber hinaus ist der Grundsatz der „doppelten Wesentlichkeit“ hervorzuheben, auf dem die Angabepflichten beruhen. Dies bedeutet, dass die gesellschaftliche Relevanz von Sachverhalten viel stärkere Gewichtung erfahren soll. Dem trägt der terminologische Wandel der Berichtspflichten von „nichtfinanzielle Berichterstattung“ zu „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ Rechnung.

Zur weiteren Konkretisierung werden von der EU-Kommission neue Standards verabschiedet – die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Als delegierte Rechtsakte werden sie in allen Mitgliedstaaten verbindlich und einheitlich anzuwenden sein. Ein erstes Set an Kern-Standards wurde inzwischen erarbeitet und liegt zur weiteren Diskussion bei der EU-Kommission.

Zu bedenken ist, dass alle Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD auch die Vorgaben der Taxonomie-VO anzuwenden haben werden. Dies wird sie zu einer vollständigen Klassifikation ihrer Wirtschaftstätigkeiten und ihres „grünen Anteils“ zwingen.

Erstmals ist vorgesehen, dass der Betriebsrat gesondert über die Inhalte der Nachhaltigkeitsberichterstattung informiert werden muss. Es steht diesem offen, Stellung zu nehmen und damit weiter auf die Unternehmensführung einzuwirken.

Von der Vielzahl an weiteren Bestimmungen ist hervorzuheben, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung als gesonderter Teil des Lageberichts zu erfolgen hat. Dies wird v.a. Berichtsprozesse und -fristenläufe beeinflussen. Darüber hinaus ist die Berichterstattung in digitaler Form vorzulegen; hierzu zeichnet sich eine erweiterte Öffentlichkeitswirksamkeit der Unternehmensdaten ab, die in anderen Reformprojekten auf EU-Ebene gerade ausgearbeitet wird.

Es ist nicht mehr viel Zeit …

Die neuen Berichtspflichten sind für jene Unternehmen, die bereits in den Anwendungsbereich der gegenwärtig noch geltenden NFRD fallen, für Berichte ab dem Geschäftsjahr 2024 zu beachten (im Kalenderjahr 2025 veröffentlicht). Der größte Teil der Unternehmen wird ab dem Geschäftsjahr 2025 entsprechende Informationen offenzulegen haben. Für berichtspflichtige KMU und Unternehmen aus Drittstaaten erstreckt sich die Erstanwendung mitunter bis ins Geschäftsjahr 2028 und auch für die Angaben zur Wertschöpfungskette sind zeitliche Erleichterungen vorgesehen.

Der österreichische Gesetzgeber muss nun die CSRD in nationales Recht transformieren. Da die EU-Richtlinie kaum Wahlrechte vorsieht bzw. die Angabepflichten über die ESRS direkt regelt, ist der Spielraum auf nationaler Ebene aber ein sehr geringer. Unternehmen können sich daher bereits jetzt intensiv mit den sie mitunter sehr bald schon treffenden Vorgaben befassen. Zu tun ist viel: Von der ersten Bewusstseinsbildung im Unternehmen zur Entwicklung neuer Reporting-Systeme und -Prozesse bis hin zur erforderlichen Mitarbeiter:innen-Qualifizierung, um die bevorstehenden Herausforderungen zu meistern. Der Zeitrahmen für diese Vorbereitung ist sehr knapp bemessen. Letztlich geht es um viel: von der Compliance im Lichte der Sorgfaltspflichten von Unternehmensorganen hin zu der Gefahr, von den europäischen Kapitalmärkten abgeschnitten zu werden bzw. die „Licence to Operate“ zu verlieren.

Der neue Rechtsrahmen ist ein verbindlicher, konkreter, auch externe Prüfungen einführender. Für Greenwashing in der Unternehmensberichterstattung bleibt damit kaum noch Raum. Unternehmen sind daher aufgefordert, Fakten i.S.d. Nachhaltigkeit zu schaffen. Was jene Verhaltensänderung auslösen wird, die von Anfang an Ziel der Regulatorik war.

AK Policy Brief

Infos zur neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung

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