Mehr Frauen in die Betriebsräte: Eine Obliegenheit
Egal ob Rechtspflicht, Obliegenheit oder gesellschaftliche Fairness & Respekt: Es ist Zeit für mehr Frauenpower in den Betriebs- und Aufsichtsräten
Unter folgenden Voraussetzungen ist von den – ab 1.1.2018 neu gewählten – Belegschaftsorganen die Geschlechterquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte zu erfüllen, widrigenfalls bleiben der Sitz bzw. die Sitze leer:
In Österreich hat ein mitbestimmter Aufsichtsrat grob gesprochen zwei Drittel Eigentümer- bzw. Kapitalvertreter:innen (KV) und ca. ein Drittel ANV. Für die erstgenannte Gruppe oder „Kurie“ der Aufsichtsratsmitglieder ist der Modus für die Beschickung im Gesellschaftsrecht (AktG, GmbHG, etc.) geregelt. Für die Entsendung von ANV sind die Regelungsorte § 110 ArbVG und die präzisierende Durchführungsverordnung, die Aufsichtsratsverordnung 1974 (ARVO). Hier war aus zwei Gründen eine kompliziertere Gesetzes- und Verordnungsergänzung durch das GFMA-G nötig:
Um diesen beiden Zusatzerfordernissen gerecht zu werden, musste § 110 ArbVG um vier Absätze (Abs. 2a bis Abs. 2d) ergänzt werden.
Die Turbinen AG ist eine börsennotierte Gesellschaft und beschäftigt zu 30 % Frauen, zu 70 % Männer. Im zehnköpfigen ZBR des Unternehmens sind Mitglieder unterschiedlicher Listen bzw. Wahlvorschläge vertreten. Nehmen wir an, dass der Aufsichtsrat dieser Aktiengesellschaft laut Satzung aus 11 KV besteht, dann sind gemäß Aufrundungsregel (§ 110 Abs. 1 ArbVG) 6 ANV zu entsenden. Wie bisher müssen diese nicht ZBR-Mitglieder sein; die Mitgliedschaft zu einem beliebigen BR des Unternehmens genügt. Ziel des Gesetzgebers war es, dass der insgesamt 17-köpfige Aufsichtsrat in unserem Beispiel zu 30 % aus dem Minderheitsgeschlecht – in diesem Fall sind es Frauen – besteht. 30 % ergibt bei 17 Aufsichtsräten 5,1 Mandate; gemäß der „kaufmännischen Rundung“ müssen demnach 5 Frauen im Aufsichtsrat vertreten sein.
Grundsätzlich gilt für die Berechnung der Quote die Betrachtung des gesamten Aufsichtsrats: Sollten zu den 11 KV ohnehin 5 Frauen zählen und widerspricht keine der beiden Kurien der Gesamtbetrachtung, muss die AN-Kurie bei der Entsendung nichts Besonderes beachten – d.h. sie könnte auch aus 6 männlichen BR-Mitgliedern bestehen. Gleiches gilt für die KV: Werden bei Gesamtbetrachtung 5 Frauen aus dem Kreis der Betriebsratsmitglieder entsandt, ist die Seite der KV nicht an eine Quote gebunden. Sind bereits 4 Frauen der Eigentümerseite im Aufsichtsrat vertreten, dann muss von Seiten der ANV nur mindestens eine Frau delegiert werden. Dies gilt auch umgekehrt. Widerspricht aber die Eigentümer:innen- oder Arbeitnehmer:innenseite im Aufsichtsrat der Gesamtbetrachtung, dann gilt die Getrenntbetrachtung. Der Widerspruch muss spätestens 6 Wochen vor einer Neuentsendung erfolgen. Nun ist jede der beiden Kurien verpflichtet, die Geschlechterquote von 30 % separat bzw. getrennt zu erfüllen.
Im Beispiel der Turbinen AG besteht der Zentralbetriebsrat oder Betriebsrat aus den vier Listen A, B, C und D mit insgesamt 10 Mandaten, wovon 6 Personen in den Aufsichtsrat zu entsenden sind und grundsätzlich die einschlägigen Entsenderegeln nach dem d’hondtschen Verfahren gelten: Die sechstgrößte Zahl (entspricht der Anzahl der zu entsendenden Aufsichtsratsmandate) dieser Zahlenreihe ist 1,33. wird durch Die Anzahl der BR-Mandate nach Listen wird durch die Zahl 1,33 dividiert (siehe Tabelle):
Beispiel: AR-Entsendung bei 10 BR-Mandaten und 4 Listen
Division nach D’Hondt | Liste A | Liste B | Liste C | Liste D |
10 BR-Mandate | 4 | 3 | 2 | 1 |
Division durch 2 | 2,0 | 1,5 | 1,0 | 0,5 |
Division durch 3 | 1,33 | 1,00 | 0,66 | 0,33 |
6 AR-Mandate | 3 (4:1,33) | 2 (3:1,33) | 1 (2:1,33) | 0 (1:1,33) |
Gemäß oben dargestellter Division ist die Liste A zur Entsendung von 3 ANV berechtigt, die Liste B für 2 ANV, die Liste C für eine/n sowie Liste D für keine/n. Die wahlwerbenden Gruppen sollten bereits im Vorfeld darauf achten, dass unter den aktiven BR-Mitgliedern das Minderheitsgeschlecht entsprechend vertreten ist, um die Quote von 30 % (in unserem Beispiel 2 Frauen) im Aufsichtsrat zu erfüllen.
Zu empfehlen ist, dass sich das entsendende Organ (ZBR, BR, BA) darauf verständigt, wie die Minderheitsquote erfüllt wird. Andernfalls kommt das d’hondtsche Verfahren (siehe oben) zur Anwendung, wobei der Grundsatz gilt, dass das Minderheitsgeschlecht zuerst zu besetzen ist. Sollte beispielsweise Liste A von ihren drei zu delegierenden AR-Mitgliedern eine Frau nominieren, Listen B und C aber keine, stellt sich die Frage, wer die zweite Frau entsenden wird. Der Gesetzgeber beantwortet dies in § 110 Abs. 2b ArbVG: Die nach der d’hondtschen Division zunächst an die Reihe kommenden Listen müssen die Quote erfüllen. Das ist in unserem Fall Liste B, für Liste C hätte dies keine Auswirkung.
Beispiel: 30 % Quote bei 6 Aufsichtsratsmandaten
Liste A | Liste B | Liste C | |
6 AR-Mandate | 3 | 2 | 1 |
davon Frauen | 1 | 1 | 0 |
bei Nichterfüllung | „leerer Stuhl“ | „leerer Stuhl“ |
Demnach sind Liste A und B berechtigt, jeweils eine Frau zu entsenden. Hält sich eine der beiden verpflichteten Listen nicht daran, bleibt das ANV-Mandat unbesetzt („leerer Stuhl“). Allerdings kann der leere Stuhl jederzeit besetzt werden, wenn der ZBR einen korrekten, das Minderheitsgeschlecht berücksichtigenden, Entsendungsbeschluss fasst. Alternativ zu diesem komplizierten Verfahren wäre folgende Vereinfachung möglich: Wenn innerhalb des ZBR (BR, BA) ein einhelliger Entsendungsbeschluss gefasst wird, muss nur die Quote erfüllt sein; die mathematische Richtigkeit der Listen nach der D’Hondt-Reihenfolge wäre dann nicht mehr relevant.
Wenn die Turbinen AG „relevant große“, also mehr als regelmäßig 300 AN beschäftigende GmbH oder AG als Töchter hat, dann ist auch hier die Quote zu beachten. Die Konzernmuttergesellschaft hat ein sogenanntes „sicheres Mandat“. Entsendungsberechtigt sind jene Töchter, die mindestens doppelt so viele AN beschäftigen wie die Mutter (Verhältnis 1:2). Es gilt, dass zunächst die höhergewichtigen Mandate (bzw stärkste Listen) der Tochtergesellschaften in der AN-Kurie die Quote erfüllen. Die Entsendung erfolgt mit Stimmgewichtung nach der im jeweiligen Tochterunternehmen zuletzt abgehaltenen ZBR- oder BR-Wahl. Alternativ zu diesem komplizierten Verfahren ist es auch hier möglich, dass die Kurien von Mutter- und Tochtergesellschaften jeweils einen einstimmigen Beschluss zur Vereinfachung fassen. Die D’Hondt-Reihenfolge wäre dann nicht mehr relevant.
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