Betriebsrät:innen im Aufsichtsrat: Perspektiven, Herausforderungen und Erfolge
Im Herbst 2018 hat FORBA im Auftrag der Arbeiterkammer Wien eine Online-Umfrage unter Betriebsrät:innen im Aufsichtsrat gestartet. Mit der Befragung sollte ein vertiefender Einblick in die Arbeit von Betriebsrät:innen im Aufsichtsrat, die damit verbundenen Möglichkeiten aber auch aktuelle Herausforderungen wie z.B. die Digitalisierung, gewonnen werden. Bettina Stadler (Sozialwissenschafterin bei FORBA) fasst in diesem Beitrag wichtige Ergebnisse der Umfrage zusammen.
Wie gut geht die Arbeit im Aufsichtsrat mit der Arbeit als BetriebsrätIn zusammen?
Für viele Betriebsrät:innen im Aufsichtsrat bleibt die Tätigkeit im Betriebsrat sehr wichtig. Annähernd die Hälfte stuft die Betriebsratsarbeit als wichtiger als die Arbeit im Aufsichtsrat ein, etwas mehr als die Hälfte empfindet beide Tätigkeiten als gleich wichtig. Nur für eine kleine Minderheit der Befragten ist die Arbeit im Aufsichtsrat wichtiger als die Betriebsratsfunktion. In der Praxis ergänzen und bestärken sich die beiden Aufgaben aber häufig wechselseitig.
Arbeitsweisen im Aufsichtsrat
Eher nüchtern ist die Einschätzung vieler Betriebsrät:innen über ihre Einflussmöglichkeiten im Aufsichtsrat. Etwa die Hälfte der Betriebsrät:innen erlebt, dass die Behandlung von Unternehmensentscheidungen im Aufsichtsrat im Stadium der Planung stattfindet. Ebenso viele sind der Meinung, dass im Aufsichtsrat ein Einfluss auf Entscheidungen kaum oder gar nicht mehr möglich ist.
Da die Vertretung der Arbeitnehmer:innen nur ein Drittel der Sitze im Aufsichtsrat einnimmt, ist zur Durchsetzung eigener Positionen immer wieder die Kooperation mit anderen Aufsichtsrats-Akteur:innen nötig. Als wichtigste Verbündete im Aufsichtsrat betrachten Betriebsrät:innen, neben die anderen ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen, die Geschäftsführung (55 %) und andere Führungskräfte (50 %). Kapitalvertreter:innen werden nur von einer Minderheit als Verbündete angesehen.
Besonders wichtige Voraussetzungen, um als Betriebsrät:in eine Aufsichtsratsfunktion erfolgreich auszuüben, sind das Wissen über Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats (91 % Zustimmung) und eine gute Kenntnis des eigenen Unternehmens (90 % Zustimmung). Finanzielles Know-how wird ebenfalls als wichtig eingestuft (70 %), juristisches Wissen dagegen wird nur selten genannt (18 %).
Zusammenarbeit im Aufsichtsrat bzw. mit der Geschäftsführung
Die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat und mit der Geschäftsführung wird von den Betriebsrät:innen im Aufsichtsrat am häufigsten als „kooperativ und vertrauensvoll“ oder als „korrektes Arbeitsverhältnis“ beschrieben. In Anbetracht der Tatsache, dass die Vertretung der Arbeitnehmer:innen immer wieder andere Standpunkte einnimmt als die anderen Mitglieder des Aufsichtsrates, ist das Bild eines professionellen Gesprächsklimas durchaus positiv zu werten. Insgesamt stimmen Betriebsrät:innen im Aufsichtsrat mit der Kapitalseite (bzw. der Unternehmensleitung) eher bei wirtschaftlichen Themen „in vielen Fragen“ überein (83 %) als bei sozialen Fragen (65 %).
Digitalisierung als Thema im Unternehmen
Nach Einschätzung zahlreicher Expert:innen werden in den nächsten Jahren Prozesse der Digitalisierung die Arbeitswelt in vielen Bereichen grundlegend verändern. Tatsächlich wird in sechs von zehn Unternehmen dieses Thema zum Zeitpunkt der Befragung im Herbst 2018 aber erst langsam aufgegriffen. Nur etwa ein Viertel der Betriebsrät:innen berichtet, dass das eigene Unternehmen führend im Bereich der Digitalisierung sei. In 15 % der Unternehmen spielt Digitalisierung nur eine geringe Rolle bzw. die Betriebsrät:innen können dies nicht im Detail beurteilen.
Digitalisierung in der Aufsichtsratsarbeit
In der konkreten Aufsichtsratsarbeit ist der Einsatz digitaler Tools noch recht eingeschränkt, am ehesten werden Standardanwendungen wie die Übermittlung statischer Unterlagen per E-Mail (62 %) oder die Verwendung von Laptops/Tablets in der Aufsichtsratssitzung (47 %) genannt. Andere technische Optionen wie z.B. ein eigener Datenraum für Aufsichtsrats-Mitglieder, Visualisierung von Kennzahlen/Dashboards und Videokonferenzen werden nur in wenigen Aufsichtsratsgremien verwendet.
Werden digitale Anwendungen tatsächlich eingesetzt, überwiegen nach Einschätzung der Betriebsrät:innen klar die Vorteile. Instrumente, die viele Nachteile mit sich bringen, werden wohl auch nicht auf Dauer eingesetzt. Etwas ambivalenter wird lediglich die Verwendung von Videokonferenzen eingestuft. Wird mit Videokonferenzen gearbeitet, gibt jede:r fünfte Betriebsrät:in an, dass damit mehr Nachteile als Vorteile verbunden sind.
Erfolge der Arbeitnehmer:innen-Vertretung im Aufsichtsrat
Trotz der häufig schwierigen Ausgangslage als Betriebsrät:in im Aufsichtsrat berichten viele über Erfolge ihrer Arbeit. Im Durchschnitt nennen die Betriebsrät:innen drei Erfolge, die sie mit ihrer Arbeit im Aufsichtsrat erreichen konnten. Nur etwa jede und jeder achte Betriebsrät:in kann von keinem Erfolg berichten, jede und jeder fünfte nennt hingegen fünf oder mehr Erfolge.
Erfolge können häufig eher im Bereich von Defensivmaßnahmen erzielt werden, wie etwa die Abwehr von Verschlechterungen z.B. bei Umstrukturierungen oder die Verhinderung der Verlagerung von Unternehmensteilen. Ebenfalls immer wieder möglich ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch soziale Maßnahmen. Allgemein wird wahrgenommen, dass alleine schon die Präsenz von VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen im Aufsichtsrat die Arbeit dort verändert und auch der Betriebsrat im Unternehmen insgesamt bestärkt wird.
Fazit
Angesichts der aktuellen und in Zukunft absehbaren Herausforderungen kann die Bedeutung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat kaum überschätzt werden. Allein durch ihre Mitarbeit im Aufsichtsrat nehmen Betriebsrät:innen Einfluss auf das Gremium. Der Zugang zu Informationen bereichert die Arbeit im Betriebsrat insgesamt, auch wenn es durch die Pflichten zur Verschwiegenheit Einschränkungen gibt. Schließlich, das zeigen die Berichte der Betriebsrät:innen im Aufsichtsrat, erzielen diese mit ihrer Arbeit im Aufsichtsrat immer wieder wichtige Erfolge für die Belegschaft.
„Die generelle Präsenz bzw. Mitwirkung als AN-Vertretung in diesem Kontrollgremium verändert dessen Arbeitsweise und stärkt die Rolle des Betriebsrates im Unternehmen, auch ohne direkt zurechenbare Erfolge in diesem Gremium erzielt zu haben.“
Offener Eintrag bei der Online-Befragung
Anonymisiert
„Der Konzern wollte den Gewinn in ausländische Aktien anlegen, obwohl dort der Standort negativ gelaufen ist und die Wahrscheinlichkeit einer Schließung im Raum stand. Alle Konzernvertreter waren dafür, nur wir beide Belegschaftsvertreter nicht. Durch diese nicht zustimmende Haltung hat es ein Umdenken gegeben und es wurde nicht gemacht.“
Offener Eintrag bei der Online-Befragung
Anonymisiert
Downloads
Links
Links
Links
Buchtipp: "Der Aufsichtsrat"
Kontakt
Kontakt
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien
Prinz Eugenstraße 20-22
1040 Wien
Telefon: +43 1 50165-0
- erreichbar mit der Linie D -