Phönix Tölle
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Brexit, aber zu unseren Bedingungen

Phönix Tölle, England
Unite the Union

Die Unite - aber auch andere Gewerkschaften - waren von Anfang an gegen den Brexit. Es gab Gewerkschaften, die sich offen für den Brexit ausgesprochen hatten. Diese waren zwar von der Mitgliederstärke eher klein, konnten aber durch ihre starken Strukturen mobilisieren.

Das Referendum an sich war eine Spaltung, die zu einem Zeitpunkt auftrat, an dem das Land nach einer „Veränderung“ lechzte. Die Medien, die wie in Österreich politisch agieren, griffen das Thema auf. Finanziell bessergestellte Menschen haben zusätzlich dazu beigetragen, dass der Brexit so verläuft, wie wir ihn im Rest von Europa wahrnehmen. Genau wie in Österreich gab es einen Schuldigen - die Immigranten. Diese wurden für die sogenannte „wirtschaftliche Misere“ im Land verantwortlich gemacht. Politisch wollte man nicht zulassen, dass die Immigration zunimmt, Europa jedoch würde durch die offenen Grenzen dazu beitragen.

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Martin Pakarinen  

martin.pakarinen@akwien.at

Banu Celik 
banu.celik@akwien.at

AK Wien - Bildungszentrum 
Theresianumgasse 16-18
1040 Wien

Vor allem die rechten Parteien bauten auf diese Strategie, um noch mehr Stimmen zu bekommen und erreichten in den Umfragen auf Höchstwerte. Die Konservativen (Tories) wollten dies nicht zulassen und haben daher, um keine Stimme zu verlieren, den selben Weg eingeschlagen.

Der tatsächliche Grund hinter den Handlungen der Konservativen war mitunter der Abbau der wenigen Rechte, die Arbeitnehmern in den Vereinigten Königreich dank Absicherung durch die Europäische Union noch blieben. Die Unite hat festgestellt das im Speziellen genau jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Binnenmarkt bzw an den wirtschaftlichen Grenzen an Flughäfen oder an großen Häfen arbeiten, aufgrund des Brexit hinsichtlichere ihrer Arbeitnehmerrechte die größten Einbußen hinnehmen müssen.

Auf Konferenzen, an denen BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen teilgenommen haben, sprach sich die Gewerkschaft Unite the Union gegen den Brexit aus. Viele Mitglieder der Gewerkschaft haben aber leider für den Brexit gestimmt.

Welche Auswirkungen hat der mögliche Brexit auf den eigenen Arbeitsplatz?

Die Regierung hat erklärt, dass Großbritannien wahrscheinlich im März 2019 aus der Europäischen Union austreten wird, dies aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf unsere Arbeitsplätze haben wird. Dies sieht die Unite anders.

Die Unite fordert, dass die Regierung der Ungewissheit in Bezug auf die Infrastruktur des Binnenmarktes und die internationale Zusammenarbeit ein Ende setzt und gleichzeitig die EU-Mittel für nicht-gewinnorientierte Arbeitgeber schützt oder anpasst. Alle Arbeitnehmerrechte, Sicherheits- und Beratungsrechte, die durch das EU-Recht untermauert sind, müssen auch im Vereinigten Königreich beibehalten werden, wenn der Vertrag in Kraft tritt.

Schon jetzt haben mehrere Arbeitgeber damit begonnen, die wirtschaftliche Ungewissheit in Bezug auf den Austritt zu nutzen und als Entschuldigung dafür vorzuschieben, dass Arbeitsplätze gekürzt, Löhne nicht ordnungsmäß ausgezahlt und die Rechte der ArbeitnehmerInnen untergraben werden.

Welche Auswirkungen hat der Brexit auf die Europäischen Betriebsräte?

Die Problematik besteht darin, dass die meissten Gesetze, die für die europaischen Betriebsraete gelten, auf EU Ebene fixiert sind. Kommt der Brexit fallen also auch deren Rechte. Die meisten Unternehmen, die Ihren Hauptsitz in der EU haben (Deutschland, Frankreich), haben der Unite vertraglich zugesichert, dass die Rechte der Europäischen Betriebsraete erhalten bleiben und diese ihr Betriebsratsmandat weiterhin ausüben können.

Unternehmen, die ihren Sitz jedoch nicht in der EU haben (Amerika, Canada) haben der Unite mitgeteilt, dass die Rechte der Europaischen Betriebsräte mit dem Brexit erlöschen. Diese sehen aber auch keinen Anlass, einen neuen Vertrag mit der Unite einzugehen, in denen die Rechte erhalten bleiben. Darunter fallen auch englische Unternehmen.

Sensibilisierung im Betrieb - Kenne deine Rechte!

Die Unite klärt in dieser Kampagne darüber auf, dass man als Arbeitnehmer oder Betriebsrat Rechte hat, die noch vor der Umsetzung des Brexit gelten.

Wenn man in einem europäischen Betriebsrat oder im sozialen Dialog sitzt, kann dieser nicht ausgeschlossen werden, solange das Vereinigte Königreich Mitglied der EU bleibt.

Arbeitgeber können sich dementsprechend nicht gegen EU-Rechtsvorschriften wie die Regelung zum Schutz von Urlaubsgeldern entscheiden, die in Kraft bleiben.

Die Arbeitgeber können sich nicht darüber hinwegsetzen, dass Rechtsvorschriften wie die Arbeitszeitrichtlinien, die Richtlinie über Leiharbeiter oder die Richtlinie über Fahrstunden für britische Arbeitnehmer weiterhin gelten.

Der Umgang mit dem Referendum

Die Unite mit ihren 1.2 Million Mitgliedern aus den unterschiedlichsten Branchen war historisch betrachtet schon immer pro-europäisch. Deshalb war der Unite klar, dass folgende Grundeinstellung nach dem Referendum hervorzuheben ist:

„Niemand hat dafür gestimmt, seinen Job zu verlieren, schlechter gestellt zu sein oder seine Rechte zu verlieren.“

Das Exekutivkomitee der Unite entschied mit überwältigender Mehrheit, für Mitglieder aber auch Nicht-Mitglieder zu kämpfen.

Der nächste Schritt war die Schaffung eines Brexit-Teams zur Koordinierung der politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten ausgehend vom Referendum. Dies ist entscheidend, um weiterhin den Austausch an Informationen an die Gewerkschafts-Mitglieder in den Betrieben und Gremien zu garantieren. Des weiteren wurden regionale Brexit-Konferenzen abgehalten und weitere geplannt.

Die Gewerkschaftsekretäre berechneten und erarbeiteten davor eine Branchenpublikationen für die einzelnen Branchen, um mögliche Auswirkungen des Brexits in den Konferenzen aufzeigen zu können.

Spezielle Publikationen sind aber gerade für Irland und Gibraltar geplant, da diese Länder sich nicht in unmittelbarer Nähe befinden, aber trotzdem zum Wirtschaftsstandort des Vereinigten Koenigreiches gehören. Denn diese haben sich gegen den Brexit ausgesprochen.

Der Unite aber auch den anderen Gewerkschaften war klar, dass es in erster Linie um den Erhalt und Schutz der Arbeitsplaetze ihrer Mitglieder geht.

Was sind die unmittelbare Verhandlungsziele der Unite?

Das wichtigste für die inländischen Unternehmen und deren Arbeitnehmer ist ein barrierefreier Zugang zum Binnenmarkt, damit die wirtschaftlichen Prozesse bestehen bleiben. Dieser Schritt ist essentiell, damit die Arbeitsplätze des Landes abgesichert sind. Falls dies aber nicht zutrifft, sollte es eine Übergangszeit geben, um einen Sprung über die „Klippenkante" zu vermeiden.

Dementsprechend ist es der Unite wichtig, dass es weiterhin eine starke Zollunion zwischen Großbritannien und der EU gibt sowie eine verbleibende Mitgliedschaft von wichtigen Wirtschaftspartnern, Unternehmen, vorteilhafter Agenturen sowie Aufrechterhaltung der abgeschlossenen Verträgen mit Euratom, der Europäischen Arzneimittelagentur und Open Skies. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass das Aufenthaltsrecht für Arbeitnehmer aus der EU und Großbritannien bestehen bleibt. Zu guter Letzt muss vor allem die Erhaltung von Sozial-, Umwelt- und Arbeitsschutz gegeben bleiben.

Falls der Brexit umgesetzt wird, hat die Unite eine eigene Agenda erstellt, die sicherstellt, dass Großbritannien das Beste aus der EU beibehält und gleichzeitig die Werte der Gewerkschaften in den Mittelpunkt des „Post Brexit Britanien“ stellt.

Diese Agenda spricht sich für Investitionen in die Infrastruktur, abgesicherte Arbeitsverhältnisse sowie anständig bezahlte Jobs mit starken verbundenen Arbeitsrechten aus. 

  • Die ArbeitnehmerInnen sollen beim Brexit nicht draufzahlen. Der Austritt aus der EU darf nicht zu einem erneuten Angriff auf Arbeitsplätze, Rechte und gewerkschaftlichen Gremien führen.
     
  • Die Sicherheit jedes einzelnen Arbeitnehmers/jeder einzelnen Arbeitnehmerin muss gegeben sein. Das Aufenthaltsrecht für alle EU-BürgerInnen, die im Vereinigten Königreich leben, muss geschützt werden, und es darf keine Angriffe auf deren Arbeitsrechte geben.
     
  • Die einzige Möglichkeit, die Auswirkungen des Brexit abzuschwächen, ist eine ehrgeizige Industriestrategie, die alle Sektoren abdeckt und alle Optionen nutzt, die der Regierungen zur Verfügung stehen.
  • Der öffentliche Dienst muss weiterhin gut finanziert und mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet sein. Der öffentliche Dienst muss langfristige Investitionen in nachhaltige Infrastrukturen tätigen, um die Zusammenarbeit mit der Forschung, der Gesundheitserziehung, der Umwelt und in Gemeinschaften vor Ort fortzusetzen.

  • Ein tariffreier Zugang zum Binnenmarkt muss auch in Zukunft gegeben sein, um den Arbeitsmarkt nicht zu gefährden. Dieser Zugang muss es ermöglichen, die besten Regelungen aus der EU zu behalten, aber auch einen für das Vereinigte Königreich erforderlichen volkswirtschaftlichen Industrieplan abzusichern.

  • Ein Sitz am Tisch der Arbeitnehmervertretter muss weiterhin gegeben sein, um der die kollektiven Stimme der vielen arbeitenden Menschen Gehör zu verschaffen.

Welche Schritte setzt die Unite in den Betrieben für die Betriebsräte?

Die Unite hat eine Broschüre für Ihre Mitglieder bzw. auch Ihre Betriebsräte herausgebracht. Jeder Schritt der Aktion wurde zeitlich so abgestimmt, dass die Aktion über mehrere Wochen ging.

  1. Schritt: Der Binnenmarkt
    Dieser Schritt geht auf die Vorteile des Binnenmarktes ein und welche Auswirkungen der Brexit darauf hat. Was die Unite auf jedenfall fordert ist barrierfreier Zugang zum Binnenmark und die Aufrechterhaltung des Systems.

  2. Schritt: Die Zollunion
    Hierbei geht es um die Sensibilisierung der Kollegen und Kolleginnen, die an den Grenzen arbeiten und die direkt vom Brexit betroffen sind - nämlich die an den Grenzen zu Gibraltar und Nordirland. Eine Forderung ist eine gerechte Zollunion, um den Handel aufrecht zu erhalten. 

  3. Schritt: Das Entzugsrecht

    Wenn der Brexit durchgefuehrt wird, zielt ein Gesetzesentwurf „Henry VII Power“ darauf ab, alle EU Gesetze zu übernehmen und im britischen Recht zu fixieren. Das wollen die Tories (konservative Partei) dazu nutzen, um die Idee dem Volk besser zu verkaufen.

    Das Problem ist, dass nur die Minister wissen, welche Gesetze sie uebernehmen und dies hinter verschlossenen Türen beschließen.

  4. Schritt: Die 6 Testfragen
    In diesen Fragen wird das Mitglied direkt angesprochen, um sich Gedanken über die Konsequenzen des Brexit zu machen.
    1. Gewährleistet der Brexit eine starke und kooperative zukünftige Beziehung mit der EU?
    2. Bietet der Brexit genau die gleichen Vorteile, die wir derzeit für den Binnenmarkt und die Zollunion genießen?
    3. Ist ein fairer Umgang mit Migration im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft angedacht?
    4. Verteidigt der Brexit Rechte und Schutz, aber verhindert eine Abwärtsspirale der Wirtschaft?
    5. Schützt der Brexit die nationale Sicherheit und unsere Fähigkeit, grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen?
    6. Gilt der Brexit für alle Regionen und Nationen in den UK?

Diese 6 Fragestellungen sollen jeden Arbeitnehmer/jeder Arbeitnehmerin in Unternehmen mit Gewerkschaftsmitgliedern dazu anhalten, über die möglichen Auswirkungen des Brexit nachzudenken. Dies ist gerade in Zeiten wichtig, in denen Arbeitnehmerrechte beschnitten werden könnten. 

Die Unite will, dass Mitglieder offen mit anderen Arbeitskollegen/ Arbeitskolleginnen im Unternehmen über mögliche Auswirkungen aber auch Gegeninitiativen oder Vorschlägen der Gewerkschaft, reden. 

Erhebe deine Stimme im Betrieb!

Die Unite ist nur so stark wie ihre Mitglieder im Betrieb. Diese Stärke muss man nutzen, um die anderen ArbeitnehmerInnen im Betrieb über mögliche Konsequenzen aufzuklären.

Jeder Arbeitnehmer/jede Arbeitnehmerin kann auf der Offenlegungspflicht des Arbeitgebers beharren. Dieser muss offenlegen, welche finanziellen Umstrukturierungen aufgrund des Brexit im Unternehmen anstehen.

Wenn die ArbeitnehmerInnen Lohngespräche oder andere Verhandlungen geplant haben, sollten sie darauf achten, dass sich ihr Arbeitgeber öffentlich verpflichtet, alle arbeitsrechtlichen Bedingungen beizubehalten.

Welche Schritte wurden politisch gesetzt?

Die Gewerkschaft hat und wird weiterhin Lobbyarbeit bei der Regierung in Westminster leisten um sicherzustellen, dass die Stimme der ArbeitnehmerInnen gehört wird. Die wahre Stärke der Gewerkschaft besteht in der Mitgliederstärke am Arbeitsplatz. ArbeitnehmerInnen müssen sich organisieren, um diese Stärke zu nutzen, damit sie sich vor den Auswirkungen des Austritts schützen können. Die Betriebsräte sollten in den nächsten Gewerkschaftstreffen die Auswirkungen des Brexit erläutern und ihren Arbeitgeber auffordern, sich öffentlich zu verpflichten, dass alle Arbeitnehmerrechte und -standards beibehalten werden. Die Gewerkschaft darf den Brexit nicht nur beobachten, sondern muss auch agieren. Die Unite spielt auch in Zukunft eine maßgebliche Rolle beim Schutz und der Förderung der Interessen ihrer Mitglieder.

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