Junger afrikanischer Bub blickt aufs Meer und schaut den Möwen zu
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30.10.2024

Klimakrise, EU-Politik & Fluchtursachen

Schon seit über 30 Jahren hat die EU viel Geld in die Grenzabschottung gesteckt, ohne dass Flucht- und Migrationsbewegungen nachhaltig abgenommen hätten. 

Aufgerüstete Grenzen: tödlich, teuer, ungerecht

Allein im kurzen Zeitraum 2021 bis 2024 wurde das jährliche Budget von FRONTEX von 693 Millionen Euro auf 922 Millionen Euro erhöht. Während überall in Europa der Sparstift angesetzt werden soll und jede Sozialleistung auf ihre Wirksamkeit abgeklopft wird, ist es völlig egal, dass hier immer mehr Geld in eine völlig unwirksame Maßnahme fließt. 

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Ja, es werden sogar Gelder, die eigentlich für die Katastrophen- und Entwicklungshilfe vorgesehen sind, abgezogen und stattdessen für den Grenzschutz ausgegeben. Gelder, die eigentlich Länder dabei unterstützen sollten, die Situation der Menschen zu verbessern, damit diese erst gar nicht flüchten müssen.  

Seit 2017 hat beispielsweise die sogenannte libysche Küstenwache – eine korrupte Organisation von Milizen, die in ihrer Funktion immer wieder Menschen auf hoher See gewaltsam abdrängen, in Elendslager festhalten oder sogar ertrinken lassen – von der EU mindestens 59 Millionen Euro zum Zweck des Grenzschutzes erhalten (Ärzte ohne Grenzen 2024).

Die libysche Küstenwache ist Teil der Milizen, die die Bevölkerung unterdrücken. Die EU beliefert also eine Organisation mit Waffen, vor der Menschen fliehen müssen. Doch Entwicklungshilfe oder „Hilfe vor Ort“ wäre ohnehin nur ein Pflaster für eine Wunde, die tiefer geht. 

Flucht: Wo liegen die Ursachen wirklich? 

Die tatsächlichen Fluchtursachen liegen in einem ungerechten globalen System, das Armut, Hunger, Klimaerhitzung und Kriege erzeugt. So stieg beispielsweise die Zahl der Menschen, welche sich weltweit auf der Flucht befinden seit 2020 von 82,4 Millionen auf 108 Millionen, da die globale Ungleichheit und die zunehmenden Auswirkungen der Klimakrise weitere Konflikte hervorbringen.

Die weltweit größten drei Waffenexporteure sind die USA, Frankreich und Russland. 42 Prozent der globalen Waffenexporte können im Zeitraum 2019 bis 2023 allein den USA zugeschrieben werden (SIPRI 2024). 2022 erzielten Europäische Mineralölunternehmen durchschnittlich um 70 Prozent höhere Gewinne als im Vorjahr. Gleichzeitig gingen im Durchschnitt 92,7% ihrer Investitionen in die Erhaltung von fossiler Infrastruktur und die weitere Förderung von Öl und Gas (Greenpeace 2023). 

Warum die Menschen in Nigeria fliehen

Auf dem Papier zählt Nigeria zu den reichsten Ländern auf dem afrikanischen Kontinent: Das Land ist die größte Volkswirtschaft Afrikas. Paradoxerweise ist es gerade der Reichtum an Rohstoffen, der Migrationsbewegungen innerhalb Afrikas und nach Europa hervorruft“ (medico international 2011). 

In den rohstoffreichen Regionen wird den Bewohner:innen das Land von der nigerianischen Regierung für die Ölförderung weggenommen – wie schon zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft. Die nigerianische Elite und transnationale Unternehmen profitieren, die geplünderten Regionen und ihre Bewohner:innen bekommen nichts von den Gewinnen ab und werden mit den verheerenden Folgen der Ölförderung zurückgelassen. 

Österreichs Wirtschaft profitiert: In Österreich wurden im Jahr 2022 pro Kopf durchschnittlich 6,94 Tonnen CO2 verbraucht, der Großteil geht auf die Kappe von Verkehr und Industrie. In Nigeria waren es nur 0,566 Tonnen (European Commission et al 2023). 

Klimakatastrophe hat Anteil an Bürgerkrieg in Syrien

Syrer:innen bilden aktuell die größte Gruppe Geflüchteter in Europa. Seit vielen Jahren tobt in Syrien ein brutaler Bürgerkrieg. Über 380.000 Todesopfer sind bislang zu beklagen, 13 Millionen Syrer:innen befinden sich auf der Flucht. Das Militär schlug im Jahr 2011 die zivilgesellschaftlichen Proteste für Demokratie und Freiheit und gegen das Assad-Regime brutal nieder. Dadurch wurde eine Gewaltspirale ausgelöst, die bis heute anhält. 

Was viele nicht wissen: die menschengemachte Klimakatastrophe, die durch Konzerne und Regierungen der reichen Industrienationen angeheizt wird, hat auch einen Anteil am Konflikt. Vor allem durch zwei große Dürren wurden die Menschen vom Land in die Städte getrieben, wodurch sich soziale Konflikte massiv zuspitzten. Zudem sind im Laufe der Zeit immer wieder Waffen und Chemikalien aus Europa direkt oder über Umwege nach Syrien gelangt.

Schließlich hat das Assad-Regime, mit Unterstützung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, Privatisierungen im öffentlichen Sektor vorangetrieben, mit fatalen Folgen für den Agrar- und Gesundheitssektor sowie das Bildungssystem. Diese politischen Schritte führten zur Verarmung großer Teile der Gesellschaft. 

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© Julia Stern


Was hilft: Klimaschutz und Wohlstands- statt nur Wirtschaftspolitik 

Die Schuld dafür bei den einzelnen EU-Bürger:innen zu suchen, hilft nicht weiter. Denn es sind Regierungen und große Konzerne, die ein solches Wirtschaftssystem zu Lasten vieler Menschen auf der Welt aufrechterhalten. 

Unsere Forderungen

  • Lieferkettengesetz ausbauen! 
    Im Frühjahr 2024 einigten sich die Mitgliedstaaten der EU auf eine Lieferkettenrichtlinie, welche Unternehmen stärker in die Verantwortung nimmt, wenn durch ihre Aktivitäten Menschen oder die Umwelt Schaden nehmen.

    Die Arbeiterkammer hat zu diesem Gesetz mit ihrem Büro in Brüssel, mit Vernetzung zwischen NGOs und Gewerkschaften im globalen Süden und in Europa einen wichtigen Beitrag geleistet. Jetzt gilt es, die großzügigen Ausnahmen nach und nach abzubauen. Profite auf Kosten von Menschenleben dürfen kein Geschäftsmodell sein. 

  • Klimaschutz: 
    Die nächste Bundesregierung muss ein Klimaschutzgesetz beschließen, die EU-Kommission darf die Klimaschutzziele nicht aufweichen. 

  • Wohlstands- statt nur Wirtschaftspolitik: 

    Statt immer mehr Wegwerfprodukte in immer kürzerer Zeit zu produzieren, damit das reichste Prozent noch reicher wird, muss die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich verkürzt werden. Die Produktivität ist seit den letzten Jahren um die Hälfte gestiegen, die Gewinne daraus haben die Reichen reicher gemacht. Zeit für eine gerechte Verteilung!


Kontakt

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Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien

Abteilung EU & Internationales
Prinz Eugenstraße 20-22
1040 Wien

Telefon: +43 1 50165-0

- erreichbar mit der Linie D -

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