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24.5.2024

Mercosur: Warum die AK das Handelsabkommen ablehnt

Derzeit verhandelt die EU einen Handelspakt mit dem südamerikanischen Staatenblock Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay). Mercosur ist die Abkürzung für „Mercado Común del Sur“ und bedeutet „Gemeinsamer Markt Südamerikas“. Wann es zu einem Abschluss kommt, ist derzeit unklar. Seitens der Arbeiterkammer gibt es zahlreiche Bedenken gegen die vorliegenden Vorschläge des Handelsabkommens. 

AK Studie: potentiell große soziale und ökologische Risiken

Eine AK Studie zeigt auf, dass das Handelsabkommen der EU mit dem Mercosur sich negativ auf die Beschäftigung in der EU und Österreich auswirken könnte. Es könnten bis zu 120.000 Jobs in der EU und 1.200 in Österreich verloren gehen. Zudem werden die ökologischen Folgen des Abkommens unterschätzt. Die Rodung von Amazonasgebiet für die industrielle Landwirtschaft ist wahrscheinlich größer als in der offiziellen Folgenabschätzung der EU-Kommission ermittelt. Auch ökonomisch hat das Abkommen mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von +0,1 Prozent bis 2032 wenig zu bieten.

5 Fakten zur offiziellen Folgenabschätzung des EU-Mercosur-Handelsabkommen:

  • Kaum BIP-Wachstum: 2,50€ pro Kopf und pro Jahr bis 2032
  • EU-Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft könnten schrumpfen
  • Möglicher Beschäftigungsrückgang in der EU von rund -120.000 Beschäftigten, in Österreich von - 1.200
  • Zweifelhafte Einschätzung der Umweltauswirkungen: Gefahren für Amazonas werden vernachlässigt, Emissionen von Transport- und Landnutzungsänderung werden nicht berücksichtigt
  • Offizielle Folgenabschätzung (SIA) grundsätzlich problematisch, da nachvollziehbare Dokumentation der Datengrundlage und Modellsimulationen fehlt

4 Gründe, warum die AK Mercosur ablehnt

1) Laut Internationalem Gewerkschaftsbund gehört Brasilien zu den Ländern mit den schlechtesten Arbeitsbedingungen

  • Brasilien ist eines von acht Ländern, in dem ArbeitnehmerInnen und GewerkschafterInnen ermordet wurden und ihr Recht auf Protest stark beschnitten
  • Gerade im Falle des MERCOSUR wären jedoch effektive soziale Standards wichtig, da es u.a. in der Land- und Lebensmittelwirtschaft, insbesondere im Fleischsektor, zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen kommt. Sklavenähnliche Beschäftigung auf den Zuckerrohr- und Sojaplantagen sowie Rinderfarmen sind keine Ausnahme.
  • Darüber hinaus wird der Arbeits- und Gesundheitsschutz in Produktion und Verarbeitung teilweise völlig ignoriert. Beispielsweise wird in der Landwirtschaft die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen und der Bevölkerung in umliegenden Siedlungen durch den massiven Einsatz von Pestiziden und Herbiziden anhaltend geschädigt.

Quelle: Internationaler Gewerkschaftsbund. ITUC Global Rights Index. (2023).

2) Menschenrechte und Umweltschutz werden mit Füßen getreten 

  • In Brasilien sind MenschenrechtsverteidigerInnen so gefährdet wie kaum wo. Nach Angaben der NGO Justiça Global wurden in den vergangenen vier Jahren jeden Monat im Durchschnitt drei MenschenrechtsverteidigerInnen ermordet. 
  • Brasilien zählt zu den größten Verursachern von Treibhausgasemissionen weltweit. Das steht in engem Zusammenhang mit den Rodungen im Amazonas unter anderem für die Soja- und Viehkonzerne. Mit einem Rückgang von 9% an Regelwald von 2002 bis 2023 gehört Brasilien zu einem der Länder mit dem größten Verlust an Regenwald.  

Quelle: Amnesty Report: Regionalkapitel Amerika. (2023). & Global Forest Watch, Brazil Deforestation Rates & Statistics. (2024).

3) Druck auf Lebensmittelstandards

  • Bezogen auf den Landwirtschafts- und Lebensmittelhandel hat das Abkommen eine hohe Bedeutung. Die EU ist vor allem für Soja und Sojaschrot, Rind- und Hühnerfleisch, Mais, Zucker und Ethanol einer der wichtigsten Absatzmärkte. 
  • Die AK befürchtet, dass mit dem MERCOSUR-Abkommen wichtige Schutzstandards in der Land- und Lebensmittelwirtschaft unterlaufen oder nach unten nivelliert werden. Laut Berichten enthält jede fünfte Frucht aus Brasilien in der EU verbotene Pestizide. Der Einsatz von Pestiziden und Wachstumshormonen in der Land- und Viehwirtschaft ist in Brasilien und Argentinien massiv und schädigt ArbeitnehmerInnen und Umwelt nachhaltig.

Quelle: Greenpeace. Importiertes Gift. (2023).

4) Bestimmungen zur Einhaltung von Arbeits- und Umweltstandards sind völlig zahnlos

  • Das Nachhaltigkeitskapitel des vorgeschlagenen Handelsabkommens enthält zwar Bestimmungen zu den internationalen Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, zum Pariser Klimaschutzabkommen und zum Vorsorgeprinzip.
  • Aber im Gegensatz zu den meisten anderen Bestimmungen des Abkommens sind nicht verbindlich. Die Bestimmungen im Nachhaltigkeitskapitel unterliegen nicht dem Streitbeilegungsverfahren und können nicht sanktioniert und daher nicht durchgesetzt werden. Damit bleibt die Missachtung der wichtigen internationalen Arbeitsstandards der ILO und der internationalen Umweltkonventionen weitgehend ohne effektive Konsequenzen.

Mitunter aufgrund der dargelegten Gründe, lehnt die Arbeiterkammer das EU-Mercosur-Abkommen in seiner aktuellen Form ab. Um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden, muss Arbeitenden, Klima und Umwelt Priorität gegenüber den Konzerninteressen eingeräumt werden. 

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