Infobrief 1|25 | Ey: Brisante Schwerpunkte der neuen EU-Kommission
Infobrief 1|25 | Ey: Brisante Schwerpunkte der neuen EU-Kommission © AK WIEN
März 2025

Kollegium Kommissionspräsidentin Von der Leyen II: Die neue EU-Kommission und ihre brisanten Schwerpunkte

Ende 2024 hat die EU-Kommission unter EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen II ihre Arbeit aufgenommen. Wie sich schon vorher abgezeichnet hat, verändert sich die Zusammensetzung und die politische Ausrichtung der Kommission erheblich. Welche Auswirkungen das auf Beschäftigte, Konsument:innen und andere Teile der Bevölkerung hat, wird bereits jetzt deutlich.

Autor: Frank Ey

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Die EU-Kommissionsmitglieder 2024 – 2029

Nach den EU-Wahlen zum Europäischen Parlament wurden auch die Mitglieder der Kommission neu bestellt. Neben der EU-Kommissionspräsidentin mussten auch die 26 weiteren EU-Kommissionsmitglieder sowohl vom Rat als auch vom Europäischen Parlament abgesegnet werden.

Verhältnismäßig schnell konnte das Verfahren zur Ernennung der Kommissar:innen abgeschlossen werden: Die Ernennung von Ursula Von der Leyen als Kommissionspräsidentin für eine zweite Amtsperiode war nicht mehr als eine Formalität, sie erhielt im Rat und im Europäischen Parlament die erforderliche Zustimmung. Bei den Kommissarskanditat:innen gestaltete sich das Verfahren in der Vergangenheit deutlich komplizierter: oft fielen bei den Anhörungen im Europäischen Parlament ein oder zwei der Kandidat:innen durch und die betroffenen EU-Mitgliedsländer mussten neue Vertreter:innen für das Kommissarsamt suchen.


Über den Autor

Frank Ey ist Experte für EU-Binnenmarktpolitik in der Abteilung EU & Internationales der AK Wien sowie Lektor an der WU Wien.
Frank Ey
Frank Ey © AK WIEN

Kurz und Knapp

  • Das Kollegium der Kommissionsmitglieder ist politisch deutlich nach rechts gerückt.
  • Mit dem Thema Wettbewerb befassen sich vier EU-Kommissar:innen, mit Sicherheit drei, aber
    mit der Sozialpolitik nur eine Kommissarin.
  • Der bedingungslose Freihandel der letzten Jahrzehnte erweist sich nun als Bumerang für die EU.
  • Den nötigen Umfang der Investitionen und deren Finanzierung spricht die Kommission nicht an.
  • Sowohl die Diskussion über vermeintliche Bürokratie als auch der Vorschlag zu einem 28. Rechts­regime stellen erhebliche Gefahren für Beschäftigten- und andere Schutzrechte für die Bevölkerung dar.
  • Es fehlen verbindliche Maßnahmen im Rahmen der Sozial- und Beschäftigungspolitik.

In der Zwischenzeit hat sich die politische Zusammensetzung in den EU-Mitgliedsländern und im Europäischen Parlament jedoch deutlich verändert. Kommissarskandidat:innen, die früher aufgrund ihrer politischen Positionierung als nicht wählbar galten, fanden in Absprache mit Kommissionspräsidentin Von der Leyen und dem Chef der Europäischen Volkspartei Manfred Weber im Europäischen Parlament nun die erforderlichen Mehrheiten. So wurden der ungarische Parteifreund Orbáns, Olivér Várhelyi, sowie der italienische Rechtspopulist Raffaele Fitto von Rat und EU-Parlament letztendlich bestätigt. Fitto wurde sogar zum Vizepräsidenten in der Europäischen Kommission gekürt. Vorher wurde der größte Widersacher Von der Leyens – der französische EU-Kommissar Thierry Breton – aus dem Weg geräumt und durch Stéphane Séjourné ersetzt. Das geschah allerdings nicht im Rahmen der Anhörungen, sondern Breton trat bereits davor nach heftigen Auseinandersetzungen mit Von der Leyen selbst zurück.

Wie die EU-Kommission nun zusammengesetzt ist

Bei der Zusammensetzung der Europäischen Kommission gibt es politisch wie inhaltlich einige bedeutende Änderungen. Entgegen der Zielsetzung Von der Leyens, ein geschlechterparitätisches Kollegium zusammenzustellen, stehen sich nun nur 11 Kommissarinnen 16 Kommissaren gegenüber. In einer Reaktion auf den mangelnden Willen der Mitgliedstaaten Kommissarskandidati:nnen zu nominieren, hat Von der Leyen dafür nun vier Kommissarinnen in den Rang einer Vizepräsidentin gestellt; dem gegenüber stehen nur zwei Kommissare.

Politisch hat die Europäische Kommission eine ganz klare Schlagseite: 16 der 27 Kommissar:innen sind der Europäischen Volkspartei zuzurechnen, fünf den Sozialdemokrat:innen, vier den Liberalen und je ein Kommissar den rechtsnationalen Europäischen Konservativen und der rechts-außen Gruppe der Patriots. Komplettiert werden die 27 Kommissar:innen durch einen politisch unabhängigen Kommissar.

Die Portfolios der Kommissar:innen

Bei den Zuständigkeiten der Kommissar:innen gibt es neue Themen, allerdings zeigt sich bei den Portfolios die Ausrichtung auf Wettbewerbsfähigkeit und damit verbunden einer einheitlichen EU-Industriestrategie deutlich. Vier der Kommissar:innen sind mit eng mit wettbewerbspolitischen Themen befasst, einige mehr widmen sich, wenngleich nicht ausschließlich ebenfalls der Wettbewerbspolitik. Zu einem großen Thema wird zunehmend auch der Aspekt der Sicherheit. Erstmals in der Geschichte der EU gibt es einen eigenen Verteidigungskommissar, drei weitere Kommissar:innen befassen sich mit einzelnen Aspekten der Sicherheitspolitik. 

Mit dem Klimanotstand befassen sich zwei Kommissar:innen, mit Sozial- und Bildungspolitik eine EU-Kommissarin. Von der Leyen ist auch bemüht, den Eindruck von Gerechtigkeit und Gleichheit zu geben, deswegen sind zwei Kommissar:innen für die Themen Wohlstand und Gerechtigkeit verantwortlich. Erstmals seit vielen Jahren gibt es wieder eine eigene Kommissarin, die mit Erweiterungsfragen befasst ist. Bemerkenswert ist, dass ein Kommissar neben der EU-Energiepolitik auch für das Wohnwesen zuständig ist.

Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit als Topthemen

Bereits nach den ersten Wochen, in denen die Kommission im Amt ist, wurde sehr deutlich, in welche Richtung die Kommission gehen wird. Zwei Themen stechen heraus: Das eine ist die Wettbewerbsfähigkeit, das andere der Aspekt der Sicherheit.

In den letzten Monaten wurden sowohl ein Bericht zur Zukunft des EU-Binnenmarkts als auch ein Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU veröffentlicht. Das Paper zum EU-Binnenmarkt wurde von Enrico Letta, ehemaliger Premier Italiens, verfasst. Es zeigt den status quo und mögliche Ansatzpunkte zur Wiederbelebung der EU-Volkswirtschaften. Der Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit wiederum wurde von Mario Draghi, ehemaliger EZB-Präsident und italienischer Premierminister, erstellt. Hauptaspekt ist die Wiederherstellung der EU-Wettbewerbsfähigkeit. Draghi hat in seiner Untersuchung die Situation in zahlreichen Wirtschaftssektoren analysiert und ein dramatisches Bild von der derzeitigen Situation gezeichnet.

Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsregionen sind die Herstellungskosten in der Produktion zu hoch, vor allem aufgrund sehr hoher Energiekosten, die bis zu fünf Mal so hoch wie in den USA sind. Zudem ist die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen und verschiedenen Produkten wie bei Medikamenten erheblich gestiegen. Eine durchaus zutreffende Bestandsaufnahme. Aber wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass die Europäische Union so schlecht dasteht? Zum einen sind die Gründe in kurzfristigen Problemen wie geopolitischen Krisen zu suchen, zum anderen liegen sie in einer jahrzehntelang verfolgten Politik, deren Auswirkungen nun zutage treten. 

Der Weg zur Abhängigkeit von Drittstaaten

Die Energiekosten sind infolge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine deutlich angestiegen. Mehrere EU-Länder haben sich auf Russland als Hauptlieferanten verlassen, was sich infolge des Kriegs rächte. Hinzu kam eine Energiepolitik auf nationaler und europäischer Ebene, der die Strom- und Heizkostenpreise noch einmal in die Höhe trieb. Die Kosten für die Industrie und die Haushalte stiegen dadurch teils dramatisch an. Eine Entwicklung, die durch geeignete Maßnahmen auf EU und/oder nationaler Ebene verhindert oder zumindest gebremst hätte werden können. Die Untätigkeit hat zu einer Kettenreaktion in Form von Preissteigerungen bei einer Reihe weiterer Produkte geführt. Einzelne EU-Mitgliedsländer haben Preisbremsen auf Energie, Mieten sowie Lebensmittel eingeführt. In anderen Ländern wie Österreich haben die politischen Entscheidungsträger:innen der Teuerung freien Lauf gelassen, was zu einer vergleichsweise hohen Inflation geführt und die Wettbewerbssituation im Vergleich zu anderen Wirtschaftsregionen erheblich verschlechtert hat.

Zudem hat die Europäische Union in den letzten Jahrzehnten eine Wirtschaftspolitik verfolgt, die zu teils enormen Abhängigkeiten von Drittstaaten geführt hat. Mit einem beinahe bedingungslosen Freihandel haben EU-Entscheidungsträger:innen den Grundstein dafür gelegt, dass europäische Unternehmen ihre Produktion immer mehr in Drittstaaten verlegt haben, weil es in den anderen Ländern niedrige Umweltstandards, wenig Arbeitnehmer:innenschutz, erheblich niedrigere Löhne, niedrigere Konsument:innenschutzrechte, teils nicht einmal funktionierenden Schutz von Menschenrechten gibt. Konzerne haben dabei gerne in Kauf genommen, dass sie in Diktaturen und Regimen produzieren lassen. Zahlreiche Produkte werden nun in Drittstaaten produziert – beginnend mit Textilien, Haushaltsgeräten und einfachen Dienstleistungen wie Call Centern bis hin zu Medikamenten, hochtechnologischen Produkten und hochkomplexer Software. Die Abhängigkeit von diesen Produkten ist nun groß, teilweise können sie nicht einmal mehr in Europa produziert werden. Hinzu kommen noch Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas, Lithium oder seltene Erden, die aus Drittstaaten importiert werden. 

Kehrtwende mit dem EU-Wettbewerbsfähigkeitskompass?

Mario Draghi führt in seinem Bericht viele dieser Probleme an, das Heft hat die Europäische Union jedoch schon vor den aktuellen Krisen aus der Hand gegeben. Hohe Auslandsdirektinvestitionen wurden gefeiert, während immer weniger gezielte Investitionen im (EU-)Inland getätigt wurden.

Vor diesem Hintergrund sind einige der Ankündigungen in der Kommissionsmitteilung zum sogenannten Wettbewerbsfähigkeitskompass, der einen Überblick zu den Plänen der nächsten fünf Jahre wiedergeben soll, absolut überfällig und grundsätzlich zu begrüßen

Demnach soll in den Innovationsbereich investiert werden. Aufgezählt werden hier insbesondere die Bereiche der Biotechnologie, der künstlichen Intelligenz, EU-Clouds, eine Quantum-Strategie, Weltraumtechnologie und weiterentwickelte Werkstoffe, auf die die Kommission setzen will. Die Überlegungen für einen Aktionsplan zu leistbarer Energie sind genauso dringend nötig wie ein Aufzeigen des weiteren Wegs für eine Dekarbonisierung der Industrie und privater Haushalte. Auch ein Dialog und eine Strategie für den Automobilsektor ist dringend nötig, nach dem viele KFZ-Konzerne die Entwicklungen am Automarkt offenbar verschlafen und kaum in die Entwicklung innovativer Antriebe und innovativer Technik investiert haben. Im Bereich der kritischen Rohstoffe sind Maßnahmen im Bereich der Kreislaufwirtschaft und die Vereinbarung neuer Handelsabkommen ein wichtiger Schritt, um die Abhängigkeit von oft nur einem oder zwei Lieferanten zu reduzieren.  

Die Mitteilung weist jedoch auch erhebliche Lücken auf. So geht die Kommission nicht näher auf die Bedeutung von sozialer und nachhaltiger Infrastruktur ein, die aber eine wichtige Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit ist. In dem Text werden darüber hinaus zwar mit einer Industrie- und Fachkräftestrategie zwar Ausbildungsfragen angesprochen, die Frage der guten Arbeitsbedingungen fehlt aber ebenso eine Auseinandersetzung mit einem gut ausgebauten Sozialstaat. 

Kritische Punkte bis No-Gos im Wettbewerbsfähigkeitskompass

Im Unterschied zum Bericht von Mario Draghi wird eine Auseinandersetzung mit dem nötigen Umfang von Infrastruktur- und Innovationsinvestitionen leider ausgespart. Draghi hält ein Volumen von mindestens 4,4 bis 4,7 Prozent des EU-BIP (basierend auf 2023) pro Jahr für erforderlich, um die Investitionslücke, die insbesondere seit der großen Finanzkrise ab 2008 entstanden ist, wieder zu schließen.

Bei der Finanzierung der Vorhaben im Wettbewerbskompass soll auch eine Kapitalmarktunion weiterhelfen. Ersparnisse privater Haushalte sollen künftig in der EU statt hauptsächlich in den USA investiert werden. Dazu ist jedoch ein umfassender Schutz der Kleinanleger:innen notwendig. Beschäftigte und Pensionist:innen müssen vor finanziellen Verlusten bis hin zum Totalverlust der Ersparnisse geschützt werden. Das wird in den Ankündigungen der Kommission aber nicht erwähnt, stattdessen gibt es klare Andeutungen, Schulden von Unternehmen über Verbriefungen leichter handelbar zu machen. 

Bereits vorab angekündigt hat EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen ihren Kampf gegen Bürokratie. „Überbordende Verwaltungslasten“ sollen reduziert, sogenanntes „Gold Plating“ verhindert werden. Begriffe wie „Bürokratie“, „Verwaltungslasten“ oder „Gold Plating“ dienen augenscheinlich jedoch ausschließlich dazu, Pflichten für Unternehmen, die aber für Beschäftigte, Konsument:innen und große Teile der Bevölkerung einen sehr hohen Mehrwert haben, loszuwerden. 

Was Wirtschaftsvertreter:innen unter „Bürokratie“ verstehen, zeigen Wunschlisten von Unternehmensverbänden wie der DIHK deutlich auf: So gibt es die Forderung die Praktikumsrichtlinie zu überarbeiten, denn Unternehmen sollten laut DIHK selbst entscheiden, ob und wie hoch die Entschädigung für Praktikant:innen ausfällt. Einschlägige Forderungen stellt der Wirtschaftsverband auch bezüglich des Rechts auf gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, dem Lieferkettengesetz oder der Reparatur von Waren. Zudem sollen sogenannte Meldepflichten, das sind unterschiedlichste Daten zur wirtschaftlichen Aktivität von Unternehmen, gestrichen werden. Tatsächlich Sinn macht so etwas nur dann, wenn es sich um Informationen, handelt, die den Akteur:innen in den EU-Volkswirtschaften keinen Mehrwert mehr bringen oder die doppelt, nämlich über eine andere Meldepflicht, bereits eingefordert werden. Über eine vorhergehende Bewertung der Pflicht lässt sich feststellen, ob die Regelung einen Mehrwert hat oder nicht. Im Anschluss daran, können bestimmte Pflichten auch gestrichen oder vereinfacht werden. Was die Kommission nun allerdings plant, ist bis zu 35 Prozent aller Meldepflichten zu streichen, ohne vorher darzustellen, ob eine Streichung überhaupt gerechtfertigt ist. Das geht nicht nur Arbeitnehmer:innenvertretungen zu weit, sondern auch Wirtschaftstreibenden, die auf Informationen von Unternehmen angewiesen sind, um Fehlentscheidungen bei ihren Aktivitäten zu vermeiden. 

Studien der Arbeiterkammer zeigen auch auf, wie gefährlich Initiativen wie das Streichen von „Gold Plating“ sein können: Denn tatsächlich ist mit diesem Begriff die Festsetzung eines nationalen Rechtsstandards gemeint, der über dem absoluten, auf EU-Ebene definierten Mindestmaß liegt. Im Falle Österreichs müssten bei einer Streichung des vermeintlichen „Gold Platings“ zahlreiche Schutzrechte für Beschäftigte, Konsument:innen und große Teile der Bevölkerung gestrichen werden – auf Kosten der Betroffenen.

Brandgefährlich ist die Idee ein 28. Rechtsordnungsregime, zusätzlich zu den 27 nationalen Rechtsordnungen, einzuführen. Unternehmen hätten die Wahl zwischen nationalen Rechtsordnungen und einem 28. von der EU-Ebene festgelegten Regime zu operieren. Damit könnten Schutzbestimmungen, beispielsweise im Arbeitsrecht umgangen und untergraben werden. 

Die unterschätzte Rolle der Sozial- und Beschäftigungspolitik

Beim EU-Kompass fehlt es durchgehend an nachhaltigen Konzepten im Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Nur am Rande und ganz am Schluss des Papiers wird die Europäische Säule der sozialen Rechte erwähnt. Stattdessen findet sich der Vorschlag in der Kommissionsmitteilung wieder, eine Pensionsreform und ein längeres Arbeitsleben anzustreben. Über eine verbindliche Verbesserung der Arbeitsqualität oder eine Unterstützung der Arbeitnehmer:innen bei der grünen und digitalen Transformation ist in der Kommissionsmitteilung leider nichts zu lesen.

Gerade die Beschäftigten und Pensionist:innen sind eine wichtige Stütze für die Konjunktur auf EU-Ebene. Auch diese Tatsache spiegelt sich im EU-Wettbewerbskompass leider nicht wider. Dabei ist Vertrauen ein wesentlicher Faktor für die Bereitschaft zu konsumieren. Solange die Erwartungen der Konsument:innen so verhalten bleiben wie es derzeit der Fall ist, wird sich auch der Konsum und damit die Volkswirtschaft nur sehr verhalten entwickeln. Der Abbau von Arbeitsrechten und Pensionsreformen sind jedenfalls das Gegenteil von dem, was sich die Bevölkerung erwartet.

Neue Top-Priorität Sicherheit und Verteidigung

Aus Kommissionssicht stellt in den kommenden Jahren der Sicherheits- und Verteidigungsbereich eine Toppriorität dar. Erstmals hat die Europäische Kommission einen Kommissar für Sicherheit. Genauso wie bei der Wettbewerbsagenda und beim EU-Binnenmarkt hat die Kommission ein eigenes Dokument - den sogenannten Niinistö-Bericht - in Auftrag gegeben, der die verstärkte Aufmerksamkeit in Richtung Sicherheit und Verteidigung auf EU-Ebene wiedergeben soll. Ein Binnenmarkt für Verteidigung, über den Produktionskapazitäten für militärisches Gerät gefördert und eine gemeinsame Beschaffung auf diesem Gebiet ermöglicht werden soll, ist eines der Ziele. Ein gemeinsamer Luftschutzschild und eine verstärkte Cyber-Security sind ebenfalls vorgesehen. 

Resümee

Während das verstärkte Augenmerk auf Sicherheit nachvollziehbar ist, bleibt Von der Leyen die Antwort auf die Frage schuldig, wie diese Pläne finanziert werden sollen. Neue Mittel im Verteidigungsbereich und Gelder für die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit können jedenfalls nicht auf Kosten der Beschäftigten und der Bevölkerung gehen. Ein Lösungsansatz wäre, auf Unternehmen zurückzugreifen, die von den Krisen profitiert haben und überdurchschnittlich hohe Gewinne gemacht haben. Überlegungen in diese Richtung gab es in der letzten Legislaturperiode bereits, Entscheidungen dazu fehlen aber bis heute. 

Was der Titel der Kommissionsmitteilung schon vermuten hat lassen, dürfte nun auch Programm sein: Wieder einmal wird Wettbewerb zur vorrangigen Priorität erklärt. Zusammen mit dem neuen Fokus auf Verteidigung werden alle anderen Politikziele, seien es die Rechte für Beschäftigte, Konsument:innen, die gewaltige Klimakrise und andere gesellschaftspolitisch wichtigen Interessen nachrangig behandelt. Eine Strategie, die kaum aufgehen dürfte – denn für eine erfolgreiche Politik ist die Einbeziehung aller Bevölkerungsteile erforderlich, das hat schon die Vergangenheit gezeigt.

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