AK Infobrief 4_25 | Bruckner EU-Deregulierung: Was bleibt vom Lieferkettengesetz?
AK Infobrief 4_25 | Bruckner EU-Deregulierung: Was bleibt vom Lieferkettengesetz? © AK WIEN
Dezember 2025

EU-Deregulierung: Was bleibt übrig vom Lieferkettengesetz?

Auf Druck von Konzernen wurde das Lieferkettengesetz neu verhandelt und abgeschwächt. Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau sind das Ziel, während die Sozial- und Umweltagenda der EU zurückgedrängt wird.

 Autorin: Sarah Bruckner

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Das Lieferkettengesetz wurde nach langen Verhandlungen im Mai 2024 final beschlossen. Mit der EU-Wahl im Juni 2024 änderten sich jedoch die politischen Kräfteverhältnisse. Die neue Kommission legte kurz nach ihrer Angelobung das sogenannte Omnibus I-Paket zur Abschwächung des Lieferkettengesetzes (CSDDD) und der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) vor. Die am 9. Dezember 2025 verkündete Einigung auf EU-Ebene höhlt das Lieferkettengesetz in seiner finalen Fassung weitgehend aus.   


Über die Autorin

Sarah Bruckner ist Referentin für Europarecht in der Abteilung EU & Internationales der AK Wien.
Sarah Bruckner
Sarah Bruckner © privat

Kurz und knapp

  • In der EU-Politik rücken die Wünsche der Unternehmen immer mehr in den Mittelpunkt. 
  • Durch das Omnibus I-Paket fallen wesentliche Elemente des Lieferkettengesetzes weg.
  • Im EU-Parlament werden Kompromisse der demokratischen Mitte immer schwieriger.
  • Ob der erhoffte Paradigmenwechsel bei der sozialen Verantwortung von Unternehmen nun eingeleitet wird, wird von vielen bezweifelt.

Schutzregeln fallen – Unternehmensinteressen im Mittelpunkt 

Mehr als 470 Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft kritisieren, dass in der EU-Politik die Wünsche der Unternehmen immer mehr in den Mittelpunkt rücken. Aktuell werden acht Omnibus-Pakete in diversen Bereichen (u.a. Datenschutz) verhandelt, um bestehende Regeln aufzuweichen, weitere wurden angekündigt. Auch die Entwaldungsverordnung (EUDR), mit der die EU einen Beitrag zur Eindämmung der weltweiten Entwaldung leisten will, steht aktuell wieder zur Disposition. Nachdem diese bereits einmal verschoben wurde, erfolgte nun eine neuerliche Verschiebung auf Dezember 2026. Die EU-Kommission wird die Verordnung außerdem überprüfen und bis 30. April 2026 gegebenenfalls einen neuen Gesetzesvorschlag vorlegen. Auffällig dabei ist das massive Lobbying von (fossilen) Konzernen gegen Nachhaltigkeitsregeln der EU

Tabelle 1. Änderungen beim Lieferkettengesetz
Tabelle 1. Änderungen beim Lieferkettengesetz © AK WIEN


Änderungen beim Lieferkettengesetz

Von der bisherigen CSDDD wären rund 100 österreichische Unternehmen erfasst gewesen. Aufgrund der Einschränkung des Geltungsbereiches wird die Anzahl der erfassten Unternehmen europaweit erheblich reduziert und damit auch die Wirksamkeit des Lieferkettengesetzes

Ein zentraler Punkt ist die Verpflichtung der Unternehmen, vor allem auf jene Teile der Lieferkette zu fokussieren, in denen Risiken wie z.B. Kinderarbeit zu vermuten sind. Kommission und Rat wollten den sogenannten risikobasierten Ansatz streichen und Kontrollen auf direkte Geschäftspartner beschränken. In der finalen Fassung der CSDDD bleibt der risikobasierte Ansatz zwar erhalten, jedoch in abgeschwächter Form. Auskunftsersuchen an Geschäftspartner können reduziert und Risiken auf der Grundlage „vernünftigerweise“ verfügbarer Informationen ermittelt werden. 

Laut der bisherigen CSDDD ist vorgesehen, dass Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, für Schäden haften. Betroffene von Menschenrechtsverletzungen hätten erstmals eine Chance auf Entschädigung. Mit dem Omnibus wird die Haftung nun Sache der Mitgliedstaaten, anstatt einer EU-weit einheitlichen Haftungsregelung.  

Klimaübergangspläne dienen dazu, das Geschäftsmodell eines Unternehmens darauf auszurichten, einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Sie waren neben der Sorgfaltspflicht für die Lieferkette ein wichtiges Element der bisherigen CSDDD. In der finalen CSDDD wurden diese nun gestrichen. 

Insgesamt fallen durch das Omnibus-Paket wesentliche Elemente des Lieferkettengesetzes weg. Dies bedeutet nicht nur einen Rückschritt für Menschenrechte und Klima. Eine aktuelle AK-Studie von Prof. (FH) Johannes Jäger u.a. kommt zu dem Ergebnis, dass auch die ursprünglich durch die CSDDD erwarteten Wohlfahrtseffekte deutlich geringer ausfallen werden.

Nachhaltigkeitsberichterstattung 

Der Omnibus I erfasst auch die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Mit dieser Richtlinie wurden die Regeln für die sozialen und ökologischen Informationen, die Unternehmen berichten müssen, erweitert und modernisiert. Sie war bis Mitte 2024 in nationales Recht umzusetzen (wobei Österreich noch nicht umgesetzt hat). EU-weit wären rund 50.000 Unternehmen berichtspflichtig gewesen (ab 250 Beschäftigten und 50 Mio Umsatz). Durch den Omnibus I werden es rund 90% weniger Unternehmen sein (ab 1.000 Beschäftigten und 450 Mio Umsatz). Die Europäische Zentralbank warnt in einer Stellungnahme vor den Risiken für die Wirtschaft, für Investoren und die Nachhaltigkeitsziele der EU infolge eingeschränkter Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Demokratiepolitisch fragwürdig 

Besorgniserregend sind nicht nur die vorgeschlagenen Änderungen, sondern auch die Vorgehensweise. Die Omnibus-Pakete werden im Schnellverfahren in einem eigens eingerichteten Gremium im Rat der EU (Antici Group Simplification) verhandelt. Die Kommission verzichtet großteils auf öffentliche Konsultationen und Folgenabschätzungen, statt dessen werden sogenannte „reality checks“ durchgeführt. Der Jahresbericht 2025 zur Vereinfachungsagenda enthält keine Aufschlüsselung zu den in den „reality checks“ konsultierten Interessengruppen. Es hat sich aber gezeigt, dass Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft deutlich unterrepräsentiert sind. Aktuelle Leaks enthüllen das massive Lobbying der Unternehmensseite. Unter anderem haben elf große Konzerne, darunter neun US-Konzerne, als mächtige Allianz unter der Bezeichnung „Competitiveness Roundtable“ systematisch und koordiniert gegen das Lieferkettenkettengesetz lobbyiert. 

Jurist:innen bezweifeln die Rechtmäßigkeit der Omnibus-Verfahren. Die EU-Ombudsstelle hat eine Untersuchung durchgeführt und festgestellt, dass die Kommission gegen ihre eigenen „Better Regulation“ Leitlinien verstößt und das Schnellverfahrenbeim Omnibus I nicht ausreichend begründet war. Bemängelt wurde unter anderem, dass die fachlich zuständigen Abteilungen in der Kommission den Vorschlag an einem Wochenende mit einer Frist von weniger als 24 Stunden zur Begutachtung erhalten haben. Zudem werden im EU-Parlament Kompromisse der demokratischen Mitte immer schwieriger. Beim Omnibus I hat die EVP gemeinsam mit den rechten Parteien weitgehende Abschwächungen durchgesetzt, ebenso bei der Entwaldungsverordnung.

Ausblick

Das Lieferkettengesetz ist eine EU-Richtlinie, die bis Juli 2028 in österreichisches Recht umgesetzt werden muss. Ob mit der ausgedünnten Richtlinie der erhoffte Paradigmenwechsel bei der sozialen Verantwortung von Unternehmen eingeleitet wird, wird von vielen nun bezweifelt. Umso wichtiger wird eine möglichst wirksame Umsetzung auf nationaler Ebene.  

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