
Trumponomics: Ein erster Überblick Der Umbau der USA und seine Folgen für Europa
Einige Wochen nach dem Amtsantritt von Präsident Trump ist es Zeit für einen Überblick, was wirtschaftspolitisch von seiner Amtszeit zu erwarten ist und von welchen Interessen und Widersprüchen seine Politik getrieben ist. Ein erster Umriss von Handels- und Zollpolitik sowie zentraler innenpolitischer Vorhaben und ihre Auswirkungen auf Europa.
Autorin: Lisa Mittendrein
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Hinter die Flut blicken
„Flood the zone with sh*t“: Lanciere so viele Maßnahmen und Aufreger, dass Opposition und Medien völlig desorientiert sind. Das Wichtige geht unter, Widerstand kann sich nicht formieren und der Gegner wird demoralisiert. So hat Trumps Ex-Berater Steve Bannon die Kommunikationsstrategie des Präsidenten einmal beschrieben und genau so ergeht es vielen Beobachter:innen seit Trumps zweitem Amtsantritt. Höchste Zeit also, einen ersten ordnenden Blick auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der ersten Wochen von Trump II zu blicken um einzuschätzen, was in zentralen Bereichen wie Handel und Steuern zu erwarten ist, von welchen Interessen und Konflikte die zukünftige Richtung abhängt und vor welchen Herausforderungen Europa nun steht.
Ein Präsident ist nicht allein
„Make America great again“ (MAGA): Die Herrschaft der USA über den Rest der Welt (wieder-)verfestigen, das Land ökonomisch stärken und dabei ordentlich Reichtum schaffen – zumindest für einige. Auch wenn Trump es geschafft hat, die gesamte republikanische Partei und weite Teile des Kapitals hinter seinem Projekt zu vereinen, schwelen dort die politischen Widersprüche. Es sind diese Widersprüche und die Kräfteverhältnisse zwischen drei zentralen Gruppen, die den wirtschaftspolitischen Kurs der USA in den nächsten vier Jahren bestimmen werden.
Die erste ist die Fraktion der postneoliberalen bzw. nationalkonservativen Rechten. Sie wollen mit offensiver Zollpolitik die US-Industrie stärken. Auf Kapitalseite stehen daher Öl-, Chemie- und Luftfahrtindustrie schon seit 2016 hinter Trump. Allein die Ölindustrie hat diesmal 100 Millionen Dollar für Trumps Wahlkampf gespendet und wurde gleich mit noch mehr Bohrlizenzen und Exporten belohnt. Die Nationalkonservativen knüpfen aber Forderungen nach einer paternalistischen und chauvinistischen Sozialpolitik zumindest oberflächlich auch an die materiellen Interessen von Arbeiter:innen an und sind in der MAGA-Basis gut verankert. Obwohl diese Fraktion mit Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio in Trumps Kabinett vertreten ist, sind sie wirtschaftspolitisch weniger mächtig als in Trumps erster Amtszeit.
Die mächtigen Kabinettsposten hat diesmal die zweite Fraktion der „Wallstreeter“ inne. Der Großteil des Finanzkapitals hatte bisher die Demokraten unterstützt und ist jetzt neu im Trump-Lager, unter anderem nach Unzufriedenheit mit Bidens regulatorischer Agenda. Das politische Personal kommt dabei interessanterweise nicht aus dem traditionellen Bankensektor, sondern aus spekulativeren Teilen des Finanzsektors. So ist Wirtschaftsminister Howard Lutnik ein pro-Krypto Investmentbanker und der mächtige Finanzminister Scott Bessent ist milliardenschwerer Hedge-Fonds-Manager. Während für diese Fraktion Wachstum und Profite über allem stehen, hat etwa Bessent ein eigenes politisches Projekt (siehe unten), wodurch Konflikte mit den Nationalkonservativen und der MAGA-Basis vorprogrammiert sind.
Die dritte Gruppe hinter Trump sind die Ultra-Libertären. Ihr Projekt: Den Bundesstaat möglichst weit aushöhlen und schwächen, um das politische System langfristig zu dezentralisieren. Prominenter Vertreter ist Russell Vought, der mit dem „Project 2025“ das Projekt des Staatsumbaus ausformuliert hat, und nun das „Office of Management and Budget“ leitet. Dazu gehören auch Elon Musk als Leiter des „Department of Government Efficiency“ (DOGE) und viele weitere Tech-Milliardäre, die wie das Finanzkapital auch neu in Trumps Bündnis sind. Auch wenn Vorbehalte gegen die Bundesverwaltung in der MAGA-Basis der ländlichen und städtischen Arbeiter:innen und Mittelklassen weit verbreitet sind, zeichnen sich auch hier handfeste ökonomische Widersprüche ab.
Dreierlei Zölle
“To me, the most beautiful word in the dictionary is tariff.” Im Wahlkampf versprach Trump, die Zollpolitik seiner ersten Amtszeit fortzusetzen und noch zuzuspitzen. Oft war von 60 Prozent Zöllen auf Waren aus China die Rede, manchmal auch von bis zu 1000 Prozent. 10 oder 20 Prozent sollten die EU und andere treffen. Auch seit dem Amtsantritt waren die Aussagen und Handlungen des Präsidenten dazu sprunghaft. Die Gründe dafür liegen nicht nur in Trumps Persönlichkeit und Politikstil, sondern auch darin, dass seine Regierung mit Zöllen mehrere Ziele verfolgt. Was sie eint: Im Gegensatz zur klassisch neoliberalen Linie soll sich Handelspolitik nicht mehr nur um Effizienz und Kosten drehen, sondern auch anderen politischen Zielen dienen.
Erstens sollen Zölle das seit über 40 Jahren bestehende US-Handelsbilanzdefizit bekämpfen. Indem sie ausländische Waren dauerhaft verteuern, sollen Zölle die Industrie fördern, Arbeitsplätze in deindustrialisierten Regionen schaffen und die Wirtschaft diversifizieren. Zölle treten damit teils an Stelle anderer industriepolitischer Maßnahmen wie Bidens Steuergutschriften. Bis Mitte Februar gab es zwei solcher Zoll-Einsätze: 25-prozentige Zölle auf Stahl und Aluminium und 10 Prozent zusätzlich auf chinesische Waren.
Für diesen strukturellen Einsatz von Zöllen stehen die Nationalkonservativen, deren Rolle in der Regierung jedoch unklar ist. Für viele überraschend gehört Robert Lighthizer, der Architekt der Handelspolitik unter Trump I, der neuen Regierung nicht an, so dass Handels- und Industrieberater Peter Navarro die Agenda anführt. Ein Teil der Wallstreeter steht Zöllen jedoch weiter kritisch gegenüber und fürchten Handelskriege, Inflation und eine Schwächung des Dollars auf Kosten ihrer Profite.
Ziel: Handelsströme oder Weltwirtschaftsordnung
Dem zweiten Ansatz nach sind Zölle nicht langfristig gedacht, sondern dienen als Druckmittel auf andere Länder für Fragen des Handels, aber auch anderer Politikbereiche. Letzteres war bereits Anfang Februar gut zu beobachten, als Trump Mexiko und Kanada 25-prozentige Zölle ankündigte. Nachdem beide Länder mehr Soldat:innen an der Grenze zusicherten, wurden die Zölle noch vor Inkrafttreten wieder ausgesetzt. Wie die US-amerikanische NGO Public Citizen kritisiert, können gut geplante Zölle zwar Teil einer wirksamen Industriepolitik sein, Trumps Einsatz sei jedoch „weder strategisch, noch angemessen. Zölle zu nutzen um Länder zu mobben und eine anti-Migrations und anti-humanitäre Agenda voranzutreiben trägt nichts dazu bei, US-Arbeiter:innen zu unterstützen und macht nur das Leben unserer migrantischen Nachbar:innen unsicherer.“ Trump löst zwar so keines der zugrundeliegenden Probleme, erzielt aber kurzfristige PR-Erfolge. Wahrscheinlich wird Trump diese Taktik auch einsetzen, um das Handelsbilanzdefizit mit der EU zu adressieren oder unliebsame Regulierungen und Steuern zu kippen (siehe unten).
Zölle können aber auch Teil eines anderen strategischen Projekts sein. So will Finanzminister Bessent Zölle als aktivistisches Mittel einsetzen, um die globalen Handelsbeziehungen grundlegend zu ändern und zu „echtem Freihandel“ zurückzukehren. Er stellt die großen Export- und Leistungsbilanzüberschüsse von China aber auch Deutschland in Frage und kritisiert versteckte Subventionen und unterbewertete Währungen (sowie den hohen Dollar).
Bessent will die Regeln und Strukturen des globalen Handels neu schreiben, um dann wieder möglichst viel Handel zu betreiben – ein anderer Ansatz als Lighthizer bzw. Navarro, der wohl zu Konflikten führen wird. In den ersten Wochen gab jedoch Navarro handelspolitisch den Ton an.
Geld in die Kassen und andere Handelspolitik
Quer zu diesen Ansätzen liegt ein drittes Ziel, nämlich die Schaffung von Staatseinnahmen. Der Hintergrund: Trumps geplante Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen werden erneut viel Geld kosten. (siehe unten) Viele wichtige Republikaner:innen sehen das Budgetdefizit sehr kritisch, weshalb dauerhafte Zölle einen Beitrag leisten sollen. Ein von Bloomberg errechnetes Szenario der stufenweisen Zolleinführung würde 250 Milliarden Dollar pro Jahr einbringen, etwa die Hälfte der Kosten für Trumps Steuersenkungen.
Trump fordert regelmäßig die Neuverhandlung des Handelsabkommens mit Mexiko und Kanada und will nun dessen Evaluierung vorziehen. Tatsächlich wurde das Abkommen während Trumps erster Amtszeit aktualisiert und enthält nun besseren Schutz für Arbeiter:innen, es folgt aber dennoch in weiten Teilen Konzerninteressen. Neben Nordamerika ist China das zweite große handelspolitische Thema. Während ohnehin mit noch höheren Zöllen auf chinesische Waren und einem andauernden Handelskonflikt zu rechnen ist, könnte die Regierung Trump aber auch einen symbolischen Bruch vorantreiben. Initiativen des Kongresses arbeiten bereits daran, China den Meistbegünstigten-Status zu entziehen, demzufolge die USA dem Land die gleichen Handelsbedingungen gewähren muss wie anderen WTO-Mitgliedern. Die WTO selbst ist, im Gegensatz zu seiner ersten Amtszeit, bisher nicht auf Trumps Angriffs-Liste.
Zölle für Europa?
Trump hat auch die EU erneut mit hohen Zöllen bedroht und begründet das sowohl mit dem Handelsbilanzüberschuss der EU als auch mit Verteidigung, Steuern und Regulierung.
Das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber der EU, das Trump anprangert, beträgt 156 Milliarden Euro (2023), wobei deutsche Exporte davon ein Drittel ausmachen. Die am meisten in die USA exportierten EU-Produkte sind Medizingüter, Arzneimittel sowie Autos, Autoteile und andere Maschinen(teile). Umgekehrt importiert die EU aus den USA vor allem fossiles Öl und Gas sowie ebenfalls Medizingüter, Autos und Maschinen(teile). Betrachtet man aber die gesamte Leistungsbilanz, sind die Beziehungen der beiden Wirtschaftsräume ausgeglichener als gedacht. So haben die USA im Handel mit Dienstleistungen gegenüber der EU einen Überschuss von 104 Milliarden Euro (2023), vor allem durch Finanz- und Unternehmensdienstleistungen sowie geistige Eigentumsrechte. Auch bei den Primäreinkommen (z.B.: Einkommen aus Auslandsinvestitionen und von Beschäftigten) haben die USA einen Überschuss
Dennoch will Trump das Ungleichgewicht in der Handelsbilanz mittels Zölle adressieren. Bisher (Mitte Februar) sind die EU von den 25-prozentigen Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte betroffen, die ab 12. März gelten sollen. Trump kündigte außerdem wechselseitige Zölle an und will damit höhere Zölle von Handelspartnern, aber auch etwa Steuern und Subventionen ausgleichen. Für die EU kann das bedeuten, dass die USA ihre Importzölle für Autos von 2,5 Prozent auf das EU-Niveau von 10 Prozent anheben. Mit weiteren Zöllen und dem gezielten Einsatz von Drohungen ist zu rechnen, etwa in der Steuerpolitik.
Steuerpolitik und weitere Herausforderungen für die EU
Auch die Steuerpolitik könnte zum Konfliktfeld zwischen EU und USA werden und der US-Regierung als Anlass für Zölle dienen. So stellen die USA das OECD-Abkommen zur globalen Mindeststeuer für Konzerne in Frage. Das Abkommen erlaubt es Staaten, US-Konzerne zusätzlich zu besteuern, falls deren effektive Steuerlast unter 15 Prozent liegt. Neben der Ablehnung der Mindeststeuer haben die USA auch die Verhandlungen über eine UN-Steuerkonvention verlassen, die globale Steuerkooperation zum Ziel hat. Trump hat auch mehrfach europäische Digitalsteuern kritisiert, die vor allem US-Tech-Konzerne treffen. Auch Österreich hat eine solche Steuer, die jährlich über 100 Millionen Euro einbringt Ein Bericht dazu soll bis April Gegenmaßnahmen vorschlagen, womit auch Zölle gemeint sein können. Mit deren Umsetzung muss auf Grund der Bedeutung des Tech-Flügels in der US-Regierung auch gerechnet werden.
Für den Fall von Zolldrohungen hat die EU bereits mögliche Gegenmaßnahmen vorbereitet. Sollte es keine Ausnahmen bei Stahl- und Aluminiumzöllen geben ist wahrscheinlich, dass die EU ihre Ausgleichszölle aus Trumps erster Amtszeit wieder einsetzt. Diese Zölle auf bestimmte US-Lebensmittel, Stahlerzeugnisse, Schiffe und anderes sind aktuell bis Ende März ausgesetzt. Überlegt wird auch, die EU-Importzölle für Autos aus den USA zu senken. Darüber hinaus zeigen sich diverse EU-Politiker:innen offen, mehr Flüssiggas und Rüstungsgüter aus den USA zu kaufen.
Aus sozialer und ökologischer Sicht darf die EU einen Handelskonflikt mit den USA nicht so lösen, dass problematische Exportorientierung und Abhängigkeiten weiter vertieft werden. Stattdessen soll sich die europäische Wirtschaftspolitik auf regionale Wirtschaftskreisläufe und die Stärkung der Binnen-Nachfrage konzentrieren. Die bisher diskutieren Antworten gehen leider in die entgegengesetzte Richtung und drohen etwa die Abhängigkeit von fossilem Flüssiggas und dem Handel mit Verbrenner-Autos zu verlängern. Besorgniserregend ist auch, dass einige deutsche Politiker bereits einen neuerlichen Anlauf für ein EU-USA Handelsabkommen fordern.
Die politische Ausstrahlungskraft der Steuerreform
Die Politik der USA hat auch abseits der Handelspolitik hohen Einfluss auf Europa, sowohl über Auswirkungen der Innenpolitik als auch über ihre politische Ausstrahlungskraft. Das trifft insbesondere auf die Steuerpolitik zu. Trumps Pläne schließen an seine Steuerreform 2017 an. Damals wurden die Steuersätze insbesondere für hohe und gewerbliche Einkommen gesenkt, sodass heute die 400 reichsten Familien einen niedrigeren Einkommenssteuersatz zahlen als 90 Prozent der Bevölkerung. Auch die Körperschaftssteuer wurde von 35 auf 21 Prozent gesenkt und ausländische Profite von US-Konzernen bei Rückführung in die USA nicht mehr besteuert. Insgesamt kosteten die Steuersenkungen 500 Milliarden jährlich.
Trump will nun die Einkommenssteuersenkungen seiner ersten Amtszeit verlängern und die Steuern auf Trinkgelder, Überstunden und Pensionen, sowie erneut auf Profite senken. Die Steuersenkungen haben für das Team Trump hohe Priorität, denn sie bedienen die Interessen ihrer Kernklientel auf Kapitalseite, können aber auch als scheinbare Entlastung der Mittelklassen verkauft werden. Die sinkenden Staatseinnahmen können außerdem genutzt werden, um Ausgabenkürzungen und die Aushöhlung des Staates zu legitimieren.
Trumps Steuerreform wird den globalen Steuerwettbewerb weiter anheizen und Ausstrahlungskraft nach Europa entwickeln. Es ist zu befürchten, dass weiter sinkende Konzernsteuern in den USA Wasser auf die Mühlen jener sind, die das auch hier vorantreiben. Als Alternative hat Gabriel Zucman jüngst vorgeschlagen, dass die UK und die EU ihre extraterritoriale Besteuerung ausweiten sollen. Im Gegenzug zu Marktzugang soll jener Anteil der Einnahmen von US-Konzernen und Bürger:innen, der in Europa erwirtschaftet wird, auch hier besteuert werden.
Kampf um den Staat
Ein weiteres Kernprojekt von Trumps zweiter Präsidentschaft ist der Ab- bzw. Umbau des Staats. Die Ultralibertären wollen die Zunahme von Kompetenzen und Behörden auf Bundesebene in den letzten hundert Jahren umkehren und möglichst viel davon abschaffen oder an die Bundesstaaten delegieren.
Am meisten Aufmerksamkeit erhielt Elon Musk neue Effizienz-Behörde DOGE und sein Angriff auf die Verwaltung. Kaum ein:e Beobachter:in hatte das Ausmaß erwartet, in dem Musks Team in den ersten Wochen in die Verwaltung eingriff. Oft handelt Musk dabei im Tandem mit OMB-Direktor Russell Vought, der durch Project 2025 angeleitet sehr strategisch handelt. Vought will die Unabhängigkeit der Umweltbehörde EPA, der Börsenaufsicht SEC oder der Federal Reserve schwächen und dem Kongress Budgetverantwortung entziehen. Trump und Vought haben bereits Maßnahmen dahingehend gesetzt, wie etwa den Schutz von Beamt:innen zu schwächen oder zehntausende von ihnen mittels eines „Buyouts“ zur Kündigung zu bewegen. Vorangetrieben durch all diese Akteure erfolgen die Angriffe auf die Verwaltung im Stunden- oder Tagestakt, die meist nach Klagen rasch von Gerichten gestoppt werden und so eine kaum zu durchblickende Atmosphäre des Chaos schaffen. Besondere Tragweite hat der Stopp fast aller Programme von USAID, der 60 Milliarden schweren US-Auslandshilfe, für zumindest 90 Tage. Die Folgen sind katastrophal, etwa für die humanitäre Hilfe - zugleich aber insofern erstaunlich, da die Auslandshilfe die zentrale Form von US-amerikanischer soft power in der Welt darstellt. Die Zukunft von USAID ist unklar und es kursieren Szenarien von einem völligen Stopp bis hin zu einem neuen Auftrag, Öl- und Gasgewinnung zu fördern.
Kleine Kämpfe oder großer Umbau
Es bleibt zu sehen, wie weit es Trump gelingt, den Verwaltungsstaat tatsächlich signifikant zu schwächen. Das Ziel ist für die Republikaner nicht neu und auch Trump stieß dabei in seiner ersten Amtszeit auf Hindernisse. Die Probleme sind nicht nur rechtliche: Erratische Eingriffe können auch ein unklares regulatorisches Umfeld schaffen, was zu Konflikten mit der Wallstreet-Fraktion führen dürfte. Das gilt besonders für Trumps Wunsch, die Zentralbank Fed stärker zu kontrollieren. Außerdem ist bekannt, dass Trump bei „den Märkten“ beliebt sein will. Gleichzeitig brauchen auch geplante Maßnahmen wie ein bundesweites Versandverbot von Medikamenten für den Schwangerschaftsabbruch und „die Verwirklichung der Vision einer christlich-nationalistischen Gesellschaft“ eine Menge an staatlicher Verwaltung. Die Anti-Verwaltungs-Agenda kommt für Europa jedenfalls zu einem gefährlichen Zeitpunkt, denn auch hier wird wichtige Regulierung aktuell oft als Bürokratie abgetan (siehe der Beitrag von Frank Ey).
Massenabschiebungen
Von Widersprüchen sind auch Trumps Ankündigungen zu Migration gekennzeichnet. Während das Thema für die MAGA-Basis wichtig ist, basieren die Profite von Trumps unternehmerischen Unterstützer:innen fast alle auf der Ausbeutung migrantischer Arbeit in der einen oder anderen Form. So machen undokumentierte Migrant:innen in den USA zwar nur fünf Prozent der Beschäftigten aus, Branchen wie Nahrungsmittelindustrie und Bauwirtschaft sind mit 15 Prozent sowie Landwirtschaft und Gastronomie mit über 50% nur mit Hilfe illegalisierter Arbeiter:innen funktionsfähig und profitabel. Es ist also volkswirtschaftlich und politisch unrealistisch, dass die Regierung tatsächlich Millionen Menschen abschieben lässt. Das ändert aber leider nichts daran, dass das Leben für Migrant:innen mit und ohne Papiere in den nächsten Jahren noch härter wird. Denn Trump wird mit Schwerpunktaktionen, brutalen Razzien und Hetze gegen einzelne Gruppen versuchen wettzumachen, was er quantitativ nicht liefert.
Krypto unchained
Noch unter dem Radar aber als bedeutsam für Europa könnte sich Trumps Versprechen erweisen, Kryptowährungen in den Mainstream zu holen. Trump besitzt nicht nur selbst ein millionenschweres Krypto-Portfolio und einen eigenen Memecoin. Die Kryptowährungs-Lobby war 2024 mit hunderten Millionen Dollar 2024 erstmals die Kapitalfraktion mit dem größten finanziellen Einfluss auf die Wahlen. Das Ergebnis: Nicht nur Trump, sondern auch knapp 300 krypto-freundliche Abgeordnete in Kongress und Senat.
Trumps ernannte auch sofort krypto-freundliche Minister und machte Krypto-Berater Paul Atkins zum Chef der Börsenaufsicht, sehr zur Freude der Branche. Am Tisch liegen nun Vorschläge wie eine strategische Bitcoin-Reserve, erleichterte Bilanzregeln und Zugang zu Bankdienstleistungen für die Anbieter von Krypto-Währungen. Ein so gestützter Krypto-Boom könnte neue institutionelle Anleger:innen wie Pensionsfonds in diesen volatilen Markt ziehen.
Erste Anzeichen dafür gab es bereits letztes Jahr mit der Genehmigung eines 60-Milliarden-Bitcoin-Fonds von Blackrock, an dem auch Pensionsfonds beteiligt sind. Dieses Mainstreaming stellt nicht nur für kleine Anleger:innen, sondern auch für die Finanzmarktstabilität ein Risiko dar, weil so Schwankungen bei den volatilen Kryptowährungen verstärkt auf den traditionellen Finanzsektor übergreifen können. Zudem könnte die US-Deregulierung Druck auf die EU ausüben, eigene Vorschriften abzuschwächen.
Abschluss
Weil es für ein Fazit noch zu früh ist, sei zum Schluss auf eine letzte Herausforderung verwiesen, der dieser Text paradoxerweise noch unzureichend begegnet ist (zumindest, was Europa angeht): Präzise zwischen den Interessen von Staaten und jenen ihrer sozialen Gruppen zu unterscheiden. Progressive Kräfte werden in den nächsten Jahren auf beiden Seiten des Atlantiks unter Druck kommen, alles „europäische“ oder „amerikanische“ zu verteidigen. Umso nötiger wird es sein, eine dritte Position nicht mit Blick auf Länder, sondern im Interesse der Vielen aufrechtzuerhalten.
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