Warum wir Nein sagen zu Sonderklagerechten für Konzerne
Viele der in den letzten Jahren von der EU verhandelten Handelsabkommen wie beispielsweise mit Singapur, Chile oder Indien enthalten Investitionsschutzbestimmungen. Unter dem sperrigen Namen „Investor-Staat-Schiedsverfahren“ oder „ISDS“ werden dabei Investoren Sonderrechte eingeräumt, die eine Bedrohung für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie darstellen.
Was steckt dahinter? Investoren wie etwa multinationale Konzerne können Staaten verklagen, wenn diese Gesetze erlassen, die dem Konzern nicht passen. Umgekehrt funktioniert das nicht. Staaten können sich allenfalls verteidigen und haben nichts zu gewinnen. Die Entschädigungszahlungen und oft auch die Gerichtskosten zahlen die Steuerzahler:innen. Und das ist nur ein Grund, warum wir ISDS ablehnen. Und hier die genauere Erklärung.
Was ist ISDS?
ISDS ermöglicht multinationalen Unternehmen, nationale Gerichte zu umgehen und Staaten vor privaten Ad-hoc-Schiedsgerichten auf hohe Schadensersatzzahlungen zu verklagen – zum Beispiel dann, wenn diese eine neue regulative Maßnahme gesetzt haben.
Investitionsschutzbestimmungen in Freihandelsabkommen mit Ländern wie Kanada (CETA), Japan, Singapur und Chile sind demokratiepolitisch höchst bedenklich. Wir lehnen sie strikt ab.
Warum eigentlich Sonderklagerechte für Konzerne?
Das fragen wir uns auch! Denn schlüssige Argumente für Sonderklagerechte fehlen. Diese Art von Investitionsschutz gab es bisher nur für Konzerne, die in extrem instabilen und gefährlichen Staaten investiert haben und sich auf diese Weise von staatlicher Willkür absichern konnten.
Unter entwickelten Industrieländern gab es jahrzehntelang keine Notwendigkeit, Unternehmen durch das Privileg des ISDS besonderen Schutz zu gewähren. Die weit entwickelte Rechtsstaatlichkeit und Rechtskultur bietet Schutz genug und ist obendrein auch kostengünstiger. Schutz vor „staatlicher Willkür“ oder Diskriminierung gewähren die nationalen Gesetze den In- wie Ausländer in gleichem Maße.
Kurz gefasst
Konzerne brauchen keinen Extra-Schutz, der die heimische Wirtschaft schlechter stellt – es gibt stabile Verhältnisse und eine gelebte Rechtsstaatlichkeit. Niemand sonst in der Gesellschaft hat solche Sonderrechte!
Die Verlierer: Steuerzahler:innen & Demokratie
Wenn es zu Schiedsverfahren kommt, haben Staaten nichts zu gewinnen! Im Gegenteil, sie müssen ihre Regulierungen im Gemeinwohlinteresse vor einem privaten Ad-hoc-Schiedsgericht teuer verteidigen – auch wenn diese durch demokratische Abstimmung und parlamentarische Willensbildung entstanden sind und den politischen Willen der Bevölkerung widerspiegeln.
Die Kosten für die Verfahren müssen die jeweiligen Parteien meist selbst tragen. Allein das Verfahren kostet durchschnittlich 800.000 US-Dollar. Dazu kommen noch die Anwaltskosten, die ein Vielfaches davon ausmachen. – sie können zwischen 6 und 8 Millionen US-Dollar betragen!
Kurz gefasst
Ad-hoc-Schiedsgerichte können demokratische Entscheidungen aushebeln, die Kosten dafür sind empfindlich hoch. Die Mittel dafür und auch für die enormen Entschädigungszahlungen müssen von den Steuerzahler:innen getragen werden und fehlen an anderer Stelle.
No Go: Privatisierung der Gerichtsbarkeit
Grundsätzlich lehnen wir die Privatisierung der Gerichtsbarkeit ab. Das private Ad-hoc-Schiedsverfahren ISDS ist
- in ihren Urteilen so widersprüchlich, dass es an Willkür grenzt
- teuer
- unberechenbar
- in Einzelfällen parteiisch
Die Schiedsverfahren sind ein boomender Geschäftszweig, insbesondere für spezialisierte Anwaltskanzleien. Dies zeigen auch die stetig steigenden Klagefälle. Allein in den letzten Jahren gab es jährlich rund 60 neue Klagen – wobei nur ein Bruchteil öffentlich bekannt gemacht wird!
Kurz gefasst
Es geht zusehends um profitorientierte Einzelinteressen, Fairness und Gemeinwohl bleiben dabei auf der Strecke.
Politischer Handlungsspielraum wird eingeschränkt
Private Schiedsgerichte sind nicht geeignet, Sachverhalte zu lösen, die im Kern ein Angriff auf jede Art von öffentlicher Regulierung sind. ISDS wirkt realpolitisch übrigens schon, wenn nur Klagen angedroht werden. Um Klagen zu vermeiden, schränken Gastländer oft bereits ihren politischen Handlungsspielraum ein.
Klagen richten sich gegen das Gemeinwohl
Die gut dokumentierten Investorenklagen im Rahmen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA (nunmehr: USMCA) veranschaulichen, wie das Klageprivileg von Konzernen gegen Regulierungen im öffentlichen Interesse eingesetzt wird. Die überwiegende Zahl der Klagen hat sich gegen Kanada und die USA gerichtet (37 Fälle). Angefochten wurde dabei u.a.:
- das Verbot von gesundheitsschädigenden Stoffen
- angebliche Diskriminierung in der Vergabepolitik
- Umweltmaßnahmen insbesondere im Bergbau (z.B. Fracking-Moratorium)
- Lizenzvergaben
- Steuergesetze
- Förderungen von öffentlichen Dienstleistungen
Die Konzerne versuchen, horrende Entschädigungszahlungen für den Profitentgang aufgrund neuer Regulierungen einzuklagen – zwischen 500 Millionen und 1,8 Milliarden US-Dollar.
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