Die EU-Lieferkettenrichtlinie vor der nationalen Umsetzung
Vor dem Hintergrund des anhaltenden massiven Wirtschaftslobbyings ist der Durchbruch bei der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) am Ende der Legislaturperiode als unglaublicher Erfolg zu werten. Nach dem Inkrafttreten der CSDDD hat Österreich bis 26. Juli 2026 Zeit, die Richtlinie in ein nationales Gesetz zu gießen. Damit fällt diese Aufgabe der künftigen Koalition zu.
Erlass des EU-Lieferkettengesetzes
Die Richtlinie (EU) 2024/1760 über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit trat mit 26. Juli in Kraft und verpflichtet künftig große Unternehmen, Verantwortung für die Auswirkungen ihrer unternehmerischen Tätigkeiten auf Menschenrechte, Arbeitsrechte und die Umwelt entlang globaler Lieferketten zu übernehmen. Die EU-Lieferkettenrichtlinie ist innerhalb von zwei Jahren – somit bis 26. Juli 2026 – in nationales Recht umzusetzen. Dabei gibt die Richtlinie bis auf wenige Ausnahmen Mindeststandards vor, über die Mitgliedstaaten – insbesondere zum Schließen von Schutzlücken – hinausgehen können.
Spielraum haben die Mitgliedsstaaten insbesondere bei der Ausgestaltung der einzurichtenden Verwaltungsbehörde sowie bei der Festlegung von Sanktionen für Unternehmen, die Sorgfaltspflichten verletzen. Insofern haben Mitgliedstaaten auf Ebene des nationalen Gesetzes die Möglichkeit, im Kompromisstext der Richtlinie enthaltene Schwachstellen im Sinne einer effektiven Regelung auszubessern. Darüber hinaus bietet die Richtlinie Möglichkeiten, um Unternehmen (insbesondere KMUs) effektiv und niederschwellig bei der Umsetzung ihrer Verpflichtungen zu unterstützen. Diese sollen ausgeschöpft werden, um eine breite und wirksame Anwendung von Sorgfaltspflichten zu fördern.
Was kann ein nationales Lieferkettengesetz bewirken?
Wie eine von der AK beauftragte Studie belegt, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der in der Richtlinie festgehaltenen Sorgfaltspflichten sowohl für den Globalen Süden als auch für europäische Unternehmen insgesamt positiv zu bewerten. Insbesondere im Globalen Süden wird Compliance mit der Richtlinie zu einer Steigerung des allgemeinen wirtschaftlichen Wohlstands führen. Durch den Wegfall bzw. den Rückgang unfairen Wettbewerbs ist auch mit einem Nutzen für europäische Unternehmen zu rechnen.
Instabile und fragile Lieferketten sind überdies in Zeiten der Krise wenig nachhaltig. So haben sich Kontakt zu Zulieferern, sichere Arbeitsbedingungen und Strukturen als Schlüssel zu einer höheren Krisenresistenz und damit weniger Lieferausfällen von Unternehmen bewiesen. Nicht zuletzt profitieren Arbeiter:innen weltweit von der Richtlinie, deren Position gestärkt wird. Aber auch Menschenrechte im weiteren Sinn erfahren durch die Richtlinie eine Stärkung, da ein für alle Mal klargestellt wird, dass Unternehmen nicht nur Verantwortung für jene Schäden tragen, die sie verursachen, sondern diese auch aktiv vorzubeugen haben.
Forderungen an die nationale Umsetzung
Der österreichische Gesetzgebungsprozess wird vonseiten der Gewerkschaften, Arbeiterkammer und der Zivilgesellschaft intensiv begleitet werden. Um eine effektive Umsetzung der Richtline zu gewährleisten, fordert die AK insbesondere, dass sich das nationale Gesetz statt des neu geschaffenen Begriffs der "Aktivitätskette" nach dem etablierten Begriff der "Wertschöpfungskette" richten soll, wie er auch in der Richtlinie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) verwendet wird. Dadurch wären auch Dienstleistungen bspw. im Finanzsektor (z.B. Kreditvergabe für Großprojekte) umfasst.
Des Weiteren vermisst der nach der Richtlinie künftig von Unternehmen zu befolgende Grundrechtskatalog wesentliche Inhalte wie die Europäische Menschenrechtskonvention oder das Pariser Klimaabkommen. Zur Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes ist ein umfassenderer Katalog notwendig. Um einen wirksamen und einheitlichen Vollzug zu gewährleisten, muss die künftig zuständige Behörde interministeriell aufgesetzt sein. Diese muss über genügend Ressourcen verfügen und aufgrund der Querschnittsmaterie über fundiertes Fachwissen auch im Bereich Menschenrechte und Nachhaltigkeit sowie Umweltrecht verfügen.
Darüber hinaus ist eine völlige Unabhängigkeit der Behörde sicherzustellen. Unternehmen können zur Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflichten auch auf die Prüfung durch unabhängige Dritte in Form von „Audits“ zurückgreifen. Hierbei muss durch Regelungen betreffend qualitativ hochwertige Audits sichergestellt werden, dass sich Katastrophen der Vergangenheit – mitverursacht durch fehlerhaft durchgeführte Audits – wie in Rana Plaza oder Brumadinho jedenfalls nicht wiederholen.
Wie geht es auf europäischer und internationaler Ebene weiter?
Mit dem Erlass der EU-Lieferkettenrichtlinie ist das Regelwerk noch nicht final vollendet: So hält die Richtlinie selbst in Art. 36 fest, dass die EU-Kommission künftig Berichte (samt gegebenenfalls einem Gesetzgebungsvorschlag) dazu vorlegt, ob bspw. zusätzliche, auf beaufsichtigte Finanzunternehmen zugeschnittene Sorgfaltspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit in Bezug auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen und Anlagetätigkeiten im Rahmen der Richtlinie notwendig sind, oder ob z.B. Definition des Begriffs „Aktivitätskette“ überarbeitet werden muss.
Darüber hinaus hat die EU-Kommission Leitlinien für die Umsetzung und den Vollzug sowie Mustervertragsklausel für Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen zueinander zu erstellen.
Und auch auf internationaler Ebene geht das Ringen weiter: Das EU-Parlament, aber auch Mitgliedsstaaten üben jetzt Druck auf die EU-Kommission aus, damit sich die EU nach Verabschiedung der CSDDD endlich aktiv in die seit 2014 laufenden Verhandlungen rund um ein internationales Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten einbringt. Hier ist die EU-Kommission am Zug und muss endlich einen Vorschlag für ein EU-Verhandlungsmandat vorlegen. Ein solches Mandat muss unverzüglich vorgelegt werden, um ein konstruktives Einbringen der EU in den Prozess zu gewährleisten und endlich für ein weltweites Level-Playing-Field zu sorgen
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