Infobrief 1|24 | Streissler: Der lange Abschied von den fossilen Energieträgern
Infobrief 1|24 | Streissler: Der lange Abschied von den fossilen Energieträgern © AK WIEN
März 2024

Klimakonferenz in Dubai: Der lange Abschied von den fossilen Energieträgern

Dass eine Klimakonferenz in einem OPEC-Staat stattfindet, klingt wie der Beginn eines schlechten Witzes, meinte die BBC. Überraschend war daher, dass es gerade hier erstmals gelang, in einem Abschlussdokument die Abkehr von fossilen Energieträgern zu verankern.

Autor: Christoph Streissler

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Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind vielen durch die staatliche Fluglinie „Emirates“ bekannt. Deren Logo wiederum ist auch abseits des Fliegens immer dann zu sehen, wenn Arsenal, AC Milan, Real Madrid oder andere Fußballclubs spielen, die den „Emirates“ gehören. In Österreich sind die VAE darüber hinaus als (indirekter) Eigentümer eines Viertels der OMV bekannt. Die Emirate – von der Fläche und der Bevölkerungszahl sehr ähnlich wie Österreich – liegen am Persischen Golf und erwirtschaften ein Sechstel ihres Bruttoinlandsprodukts durch den Export von Öl und Gas. Unter den Staaten der OPEC, der Organisation der erdölexportierenden Staaten, sind sie der drittgrößte Exporteur. Kurz, die VAE sind ein Staat, in dessen Adern Erdöl und Erdgas fließen.

Vom 30. November bis 13. Dezember 2023 fand in Dubai, der größten Stadt der VAE, die 28. Klimakonferenz statt, die „COP28“, wie die 28. Vertragsstaatenkonferenz (Conference Of the Parties) der Klimarahmenkonvention auch kurz genannt wird. Mit etwa 100.000 Teilnehmer:innen war sie die größte jemals ausgerichtete Klimakonferenz.

Der Bock als Gärtner?

Den Vorsitz der Konferenz führte Sultan Ahmed al-Dschaber, der Ölminister der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des staatlichen Ölkonzerns ADNOC – eine Besetzung, die schon im Vorfeld viel Kritik erntete. Von Umwelt-NGOs wurde dementsprechend auch der starke Einfluss der Lobbyisten für fossile Energieträger kritisiert. So berichtete der englische Guardian, dass fast 2500 Lobbyisten für Erdöl- und Erdgas akkreditiert waren. Auch eine Abstimmungsempfehlung der OPEC, die während der Konferenz die Runde machte, bestärkte das Gefühl, dass die fossile Industrie ein gewichtiges Wort mitzureden hatte.


Über den Autor

Christoph Streissler ist Chemiker und befasst sich in der AK Wien, Klima, Umwelt und Verkehr, mit Klimapolitik und den damit zusammenhängenden Fragen der Transformation der Wirtschaft.

Christoph Streissler
© Lisi Specht

Kurz und Knapp

  • Die Klima­krise zeigt sich immer deutlicher. Daher war die Spannung groß, ob gerade in einem OPEC-Land die dringend nötigen Fortschritte möglich sind.

  • Sehr rasch gab es positive Schlagzeilen, weil schon am ersten Tag der Konferenz umfangreiche Gelder für die internationale Klimafinanzierung versprochen wurden.

  • Es geht nicht schnell genug: Was die Staaten bisher als Emissionsminderungen zugesagt haben, reicht bei weitem nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

  • Neben den klima- und energiebezogenen Maßnahmen im engeren Sinn befassten sich die Vertragsstaaten auch mit wichtigen Aspekten der sozialen Auswirkungen.

  • Neoliberale Konzepte
    wie „Grünes Wachstum“ und „Technologieoffenheit“ standen auch bei dieser Klimakonferenz hoch im Kurs. Wachstums­skepsis hat dort keinen Platz.


Die Erwartungen an die Konferenz waren vielfältig. Zum einen wird es immer deutlicher, wie drängend die Klimakrise ist. Der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen entwickelt sich nicht so, dass die in Paris im Jahr 2015 vereinbarten Klimaziele erreicht werden. Auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der bald ins dritte Jahr geht, führt zu internationalen Spannungen, aber auch zu Preisausschlägen auf den Energiemärkten. Diese Destabilisierung des Energiesektors führt zu strategischen Neuorientierungen der Staaten. Schließlich haben auch die Kriegshandlungen in Gaza zu einer internationalen Polarisierung geführt, die die Kooperation schwieriger macht, ja die allenthalben zu beobachtende Abkehr vom Multilateralismus noch weiter antreibt. 

Überraschender Erfolg

Bei dieser Ausgangslage sticht ein Ergebnis der Konferenz als bemerkenswert hervor: Alle Staaten einigten sich auf ein Abschlussdokument, das eine Transformation weg von den fossilen Energieträgern als Ziel nennt. Das scheint eine Selbstverständlichkeit, da doch seit Jahrzehnten bekannt ist, dass die Verbrennung fossiler Energieträger der wesentliche Treiber für das Ansteigen der globalen Temperatur ist. Tatsächlich ist es jedoch das erste Mal, dass dies auch in einem Abschlussdokument einer Klimakonferenz steht. Denn bis dahin war es den Staaten, die finanziell stark von Erdöl und Erdgas abhängen, stets gelungen, dass derartige Formulierungen in den Beschlüssen nicht vorkamen.

Dafür sind wohl verschiedene Kräfte verantwortlich. Zum einen haben sich insgesamt 130 der etwa 200 Staaten bei der Konferenz vehement für einen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ausgesprochen. Dazu zählten die USA, die EU, Kanada, Norwegen, aber auch viele Entwicklungsländer, die unter den zunehmend katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels leiden, sowie kleine Inselstaaten im Pazifik, die schon durch einen mäßigen Anstieg des Meeresspiegels von der Landkarte verschwinden könnten. 

Andererseits haben auch einige erdöl­exportierende Staaten ihre Wirtschaft mittlerweile diversifiziert und sind daher nicht mehr auf Gedeih und Verderb vom Öl­export abhängig. Der Vorsitzende der Konferenz musste daher einen Kompromiss finden, der sowohl den weitgehenden Forderungen nach einem Ausstieg („phase out fossil fuels“) genügte als auch von Staaten akzeptiert wurde, die weiterhin stark vom Erdölexport abhängen. Dies gelang mit der Formulierung, dass alle Staaten zum Ziel beitragen sollten, dass ein Wandel weg von fossilen Energieträgern in den Energiesystemen gelingt.

Nicht schnell genug

Sowohl dass ein solcher Kompromiss gefunden werden konnte als auch dass dies in einem OPEC-Land geschah, ist bemerkenswert. So nannte Simon Stiell, der Exekutivsekretär der Klimarahmenkonvention, das Ergebnis den Anfang vom Ende der Ära der fossilen Brennstoffe. Manche sehen dabei aber in erster Linie, wie langsam der Fortschritt im internationalen Klimaschutz ist. 

Ein wichtiges Vorhaben der Konferenz war ein „global stocktake“, eine weltweite Bestandsaufnahme, wie sie das Abkommen von Paris vorsieht. Dabei soll bewertet werden, wo die Bemühungen der Staaten im Klimaschutz stehen und ob diese ausreichen, um die Ziele des Pariser Abkommens – eine Beschränkung des weltweiten Temperaturanstiegs auf zwei Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad – zu erreichen. Als Grundlage für diese Bewertung veröffentlichte das Sekretariat der Klimarahmenkonvention drei Monate vor der COP 28 ein Dokument, das deutlich macht, dass der Fortschritt nicht ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen. So heißt es etwa: „Die globalen Emissionen entsprechen nicht den [...] Minderungspfaden, die mit dem Temperaturziel des Pariser Abkommens vereinbar sind, und das Zeitfenster für ehrgeizigere Ziele und die Umsetzung bestehender Zusagen schließt sich schnell [...].“ Die Staaten müssten viel mehr tun, um die Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Mit diesem Dokument sollte auch der Druck erhöht werden, dass bei der Konferenz möglichst weitreichende und ehrgeizige Beschlüsse gefasst würden und dass die Vertragsstaaten ihre eigenen Zusagen verstärken und die reichen Staaten mehr klimarelevante Gelder zur Verfügung stellen. 

Ergebnisse im Einzelnen

Gleich zu Beginn der Konferenz wurden Fortschritte bei der Klimafinanzierung und beim Fonds für Schadenersatz gemacht, weil Industriestaaten, aber auch Saudi-Arabien und die VAE umfangreiche finanzielle Zusagen machten. Von Seiten des Sekretariates und der staatlichen Akteure wurden diese raschen Zusagen als wichtiger Schritt gelobt. Nicht-Regierungsorganisationen kritisierten diese Gelder hingegen als unzureichend. So monierte etwa Amnesty International, dass den 13 Milliarden Dollar, die dieses Jahr in den Green Climate Fund (GCF) flossen, 7.000 Milliarden Dollar an Subventionen für fossile Energieträger gegen­überstünden.

Während der GCF schon seit 2010 besteht und Klimaschutzprojekte finanziert, wurde der Fonds für „Verluste und Schäden“ („loss and damage“) bei der COP 28 erstmals mit Mitteln ausgestattet. Seine Gelder sollen verwendet werden, um die Folgen klimabedingter Katastrophen in besonders betroffenen Staaten zu mildern. Den Industriestaaten ist es dabei wichtig, dass nicht von „Reparationszahlungen“ die Rede ist, denn sie wollen von ihrer historischen Verantwortung nichts hören.

Sonstige Inhalte des Abschlussdokuments

Nach diesen raschen, medienwirksamen Erfolgen zu Beginn der Konferenz begannen die Verhandlungen zu den schwierigeren Themen. Sehr umstritten war – wie schon oben dargelegt – die Formulierung, die zu der Rolle fossiler Energieträger getroffen werden sollte. 

Der Hauptteil des Abschlussdokuments besteht aus einer Bewertung des Fortschritts bei der Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens, und zwar in den Bereichen Emissionsreduktion („Mitigation“), Anpassung („Adaptation“), Finanz- und Technologietransfer, Schadenersatz („Loss and damage“) und die gesamthaften Auswirkungen der Klimapolitik (unter der Überschrift „Response measures“). Das Ziel, den globalen Temperaturanstieg unter 1,5° C zu halten, wird bestätigt. Die Vertragsstaaten halten fest, dass dies weltweit bis 2030 Emissionsreduktionen um 43 % nötig macht (verglichen mit 2019), bis 2035 um 60 % und Netto-Null-Emissionen bis 2050. Gleichzeitig stellen sie – entsprechend dem oben genannten Bericht – fest, dass die bisher gemeldeten Maßnahmen diese Ziele weit verfehlen.

Des Weiteren sollen die Vertragsstaaten bis 2030 die installierte Leistung erneuerbarer Energie verdreifachen und die Steigerung der Energieeffizienz verdoppeln. Als Technologien für die Erreichung der Ziele werden unter anderem genannt: Kernenergie, Technologien zur Nutzung von CO2 (CCU), Wasserstofferzeugung mit „geringen Emissionen“ (statt Nullemissionen) und Nutzung von „Übergangsbrennstoffen“ (womit Erdgas gemeint ist).

Neben diesen technischen Zielen werden auch die positiven und negativen sozioökonomischen Auswirkungen emissionsmindernder Maßnahmen angesprochen. Es wird festgehalten, dass die Just Transition und die Schaffung von guten Arbeitsplätzen für die positiven Wirkungen von zentraler Bedeutung sind.

Die Rolle des Multilateralismus wird ausdrücklich hervorgehoben. In diesem Zusammenhang werden einseitige Maßnahmen verurteilt, wenn sie ein ungerechtfertigtes Handelshemmnis darstellen. 

Bewertung der Beschlüsse

Jedenfalls positiv zu sehen ist die klare Bestätigung der Ziele des Pariser Abkommens und die Nennung von Reduktionspfaden. Die Tatsache, dass fossile Brennstoffe überhaupt kritisch angesprochen werden, ist positiv, auch wenn die Sprache deutlicher sein könnte. Die kommenden Maßnahmen werden zeigen, ob die Konferenz tatsächlich den Anfang vom Ende der Ära fossiler Brennstoffe markiert, wie Simon Stiell es ausdrückte. Einige der technologischen Übergangslösungen sind problematisch, da sie einem schnelleren Umbau des Energiesystems im Weg stehen. So wird in hohem Maß auf den Ersatz von Kohle durch Erdgas gesetzt. Dabei wird Erdgas als „Übergangsbrennstoff“ („transitional fuel“) bezeichnet – ein Beispiel dafür, dass die Texte sich dem ahnungslosen Leser nicht erschließen, denn die Kenntnis der Codes und Deckwörter ist für ein Verständnis unerlässlich. So stellen die Vertragsstaaten fest, dass Übergangsbrennstoffe eine Rolle spielen können, um den Wandel des Energiesystems zu befördern, und gleichzeitig die Versorgungssicherheit erhöhen9. Diese Passage wird als Erfolg Russlands gewertet, das damit weiterhin den Verkauf von Erdgas sicherstellen kann.

Die Hoffnung auf technologische Lösungen

Auch Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage – CCS) rücken immer mehr ins Zentrum der Diskussion. Sie bekommen deshalb immer mehr Aufmerksamkeit, weil mittlerweile klar ist, dass auch bei sehr ambitionierter Umsetzung der Klimapolitik Rest­emissionen von Treibhausgasen bestehen bleiben, die nicht oder nur sehr schwer zu reduzieren sind (Beispiele: Methanemissionen bei der Rinderzucht; Kohlendioxidemissionen bei der Zementerzeugung, …). Sie müssen durch „negative Emissionen“ kompensiert werden. Dafür kommen entweder natürliche Senken in Frage – also insbesondere Aufforstungen – oder künstliche Senken, eben die technische Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Da unter anderem ehemalige Erdgaslagerstätten für diese geologische Speicherung in Frage kommen, sind Erdgasförderländer besonders daran interessiert, denn so lässt sich zweimal Geld machen: Einmal beim Verkauf von Erdgas, ein zweites Mal beim Speichern der Unmengen an Abgasen aus der Verbrennung fossiler Energieträger. 

Auch Scheinlösungen, wie das leere Versprechen, Kohlendioxid als Rohstoff verwenden zu können, und Risikotechnologien wie Nuklearenergie werden in dem Dokument genannt. Es zeigt sich, dass das Dokument – wie schon bisher – von einem Vertrauen in primär technologische Lösungen getragen ist, das noch dazu keine technologische Steuerung vornimmt. Damit lautet das neoliberale Rezept der Klimakonferenz: Grünes Wachstum und Technologieoffenheit. Dass dies mittlerweile als bestenfalls unwirksam erkannt wurde, und die Verwirklichung der Technologieoffenheit für viele Unternehmen eine fehlende Investitionssicherheit bedeutet, steht auf einem anderen Blatt. Da verwundert es auch nicht, dass natürliche keine grundsätzliche Kritik am wachstumsorientierten Wirtschaftssystem im Dokument zu finden ist. 

Zu begrüßen ist zumindest, dass die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere die auf Arbeit und Beschäftigung, in den Blick genommen werden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass es in diesen Bereichen wenig oder keine internationale Kooperation gibt, so dass Arbeitsstandards und Qualifikation weiterhin Sache der einzelnen Staaten bleiben. Die Betonung des Freihandels kann als Rute im Fenster für den Grenzausgleichsmechanismus im EU-Emissionshandel verstanden werden. Hier wird weiterhin viel diplomatische Arbeit nötig sein, um die Handelspartner der EU zu überzeugen, dass dieser kein ungerechtfertigtes Handelshemmnis darstellt.

Ausblick

Damit kann die internationale Klimapolitik weiterhin als moderat ambitioniert gesehen werden, auch wenn sie weitgehend unverbindlich bleibt. Dies wird auch für die nächste EU-Kommission eine Richtschnur sein, so dass zu erwarten ist, dass diese nicht hinter die Ziele des Grünen Deal zurückgehen wird. Doch nicht nur in der EU wird ein neues Parlament gewählt, das eine neue Kommission bestellt, auch in den USA stehen mit den Wahlen Ende des Jahres wichtige Entscheidungen an. Und auch die eingangs erwähnten internationalen Konflikte werfen lange Schatten auf die Zukunft der Klimaverhandlungen. 

Als erstes ist es nun aber an den Vertragsstaaten, die Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen voranzutreiben, damit die Welt eher auf das Ziel der Temperaturerhöhung um 1,5° C als auf einen Anstieg um 3° C zusteuert.

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