Infobrief 1|24 | Six: Globale Ungleichheiten
Infobrief 1|24 | Six: Globale Ungleichheiten © AK WIEN
März 2024

Globale Ungleichheiten: Ein paar Krümel für die halbe Welt?

Die Schere klafft auseinander; vom Vermögenskuchen bleibt für die Mehrheit der Weltbevölkerung nur ein dünnes Stück – egal welche Metapher man bemüht, Ungleichheit ist eine der Herausforderungen unserer Zeit. Zudem wird die weltweite Ungleichverteilung von Reichtum durch die Klimakrise weiter verschärft. Abhilfe können nur politischer Wille und globale Steuersysteme schaffen.

Autorin: Eva Six

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Wurzeln der Ungleichheit

Wenn wir über materiellen Reichtum sprechen, muss zunächst zwischen zwei wichtigen Konzepten unterschieden werden: die Verteilung von Einkommen und von Vermögen. Einkommen bezeichnet jenes Geld, das Menschen in einem bestimmten Zeitraum verdienen. Dabei gibt es zwei Hauptquellen: Einkommen aus Arbeit (z.B. Löhne und Gehälter) und Einkommen aus Kapital (z.B. Zinsen und Dividenden). Vermögen hingegen bezeichnet den Gesamtwert aller Besitztümer, einschließlich finanzieller und materieller Vermögenswerte, wie etwa Wertpapiere oder Immobilien. 

Einkommen sind nicht nur innerhalb von Ländern sehr ungleich zwischen Individuen verteilt, sondern auch global betrachtet. Die globale Einkommensverteilung bezieht sich auf die Verteilung von nationalen Einkommen, also die Summe aller Einkommen von Einwohner:innen eines bestimmtes Landes im Laufe eines Jahres. Dabei zeigt sich eine starke Kluft zwischen den Ländern des Globalen Nordens und des Globalen Südens: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung beziehen 52 Prozent des globalen Einkommens, während die untere Hälfte nur 8,5 Prozent erhält.


Über die Autorin

Eva Six ist Ökonomin und arbeitet als Referentin für Verteilungsfragen in der Abteilung Wirtschaftswissenschaften und Statistik der AK Wien.

Eva SIX
Eva SIX © Sonja Spitzer

Kurz und Knapp

  • Die Wurzeln der Ungleichheit sind in der Geschichte von Industrialisierung, Imperialismus und Kolonialismus zu finden.

  • Die extreme Konzentration von Vermögen in den Händen Wenige gefährdet die Demokratie.

  • Ein entschlossenes und demokratisch legitimiertes Handeln auf nationaler und internationaler Ebene ist entscheidend.

Zum Nachlesen



Die Wurzeln dieser Ungleichheit sind in der Geschichte von Industrialisierung, Imperialismus und Kolonialismus zu finden. Da in den meisten Ländern die jeweiligen nationalen Eliten am meisten von diesen Entwicklungen profitierten, wurden auch bereits bestehende innerstaatliche Ungleichheiten weiter verschärft. Nach den Weltkriegen gelang es einigen Ländern – vor allem im Globalen Norden – die Einkommensungleichheit zu reduzieren. Dies gelang durch den Ausbau von Wohlfahrtsstaaten, starke Gewerkschaften und eine progressive Besteuerung - eine Steuerpolitik, bei der Personen mit höherem Einkommen einen höheren Prozentsatz ihres Einkommens an Steuern zahlen. Seit den 1980er-Jahren ist jedoch eine Zunahme der globalen Einkommensungleichheit zu verzeichnen, wenn auch in unterschiedlichem Tempo und Ausmaß. Dieser Anstieg ist zum Großteil auf die Implementierung neoliberalerer Wirtschaftspolitik in Form von Deregulierungen (insbesondere im Bereich Finanzen und Arbeitsmarkt), Privatisierungen von staatlichen Unternehmen und Dienstleistungen, einer Einschränkung der Sozialausgaben, sowie Steuersenkungen und den damit verbundenen Rückbau des Sozialstaates zurückzuführen. Seit der Jahrtausendwende hat sich die durchschnittliche Einkommenskluft zwischen den Ländern verringert, hauptsächlich aufgrund des starken Wachstums in China, Indien und anderen südostasiatischen Nationen. Dennoch besteht nach wie vor eine erhebliche Schieflage in der globalen Einkommensverteilung. 

Vermögen als Machtfrage

Die Verteilung von Vermögenswerten ist jedoch noch viel ungleicher als die von Einkommen, sowohl innerhalb der Länder als auch global betrachtet: Die reichsten zehn Prozent besitzen drei Viertel des weltweiten Vermögens, während die untere Hälfte nur etwa zwei Prozent hält. Die extreme Konzentration von Vermögen in den Händen weniger gefährdet die Demokratie. Tatsächlich können wohlhabende Personen mit ihrem Vermögen politische Macht und Einfluss ausüben, wodurch sie die Welt nach ihren Vorstellungen gestalten und ihre Privilegien absichern können. Diese Ungleichverteilung von politischem Einfluss hat zur Folge, dass das Vertrauen in demokratische Prozesse und Institutionen kontinuierlich erodiert – hierzulande lässt sich dies etwa durch den jährlich veröffentlichten Demokratiemonitor des Sora-Instituts festmachen. Darüber hinaus zeigen überreiche Personen wenig Interesse an der Absicherung und dem Ausbau des Sozialstaats, besseren Arbeitsbedingungen und einem Strukturwandel, der allen Menschen ein gutes und klimafreundliches Leben ermöglicht – Faktoren, die jedoch die Lebenssituation der vielen Menschen ohne nennenswertes Vermögen maßgeblich beeinflussen. 

Artikel Six: Die weltweite Ungleichverteilung
Artikel Six: Die weltweite Ungleichverteilung © AK WIEN


Die globale Ungleichverteilung der Vermögen ist – wie jene der Einkommen – durch ein gewichtiges Nord-Süd-Gefälle gekennzeichnet. Obwohl nur 15 Prozent der Weltbevölkerung in Europa und Nordamerika leben, besitzen sie mehr als die Hälfte des weltweiten Vermögens. Dieses Ungleichgewicht hat zur Folge, dass ein entsprechendes Machtgefälle in internationalen Institutionen und bei globalen Entscheidungen besteht, etwa in Bezug auf Strategien zur wirtschaftlichen Entwicklung, den Klimaschutz und die Besteuerung multinationaler Unternehmen und Vermögen.

Eine weitere negative Konsequenz der extremen Vermögenskonzentration sind ihre Folgen für den Klimaschutz. Das exorbitante Konsumverhalten der reichen Bevölkerungsgruppen trägt zu einer massiven Verschärfung der Klimakrise bei: die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für fast die Hälfte der Emissionen verantwortlich, während die ärmere Hälfte nur 12 Prozent dazu beiträgt. Gleichzeitig sind vulnerable Gruppen und die ärmeren Teile der Weltbevölkerung am stärksten von Hitze, Dürren, Extremwetterereignissen und Ernte­­ausfällen betroffen.


Steuern als Teil der Lösung

Extreme Vermögensungleichheit und ihre negativen Folgen sind das Ergebnis von ungleichen Machtverhältnissen und politischem Versagen. Die Bekämpfung dieser Schieflage erfordert daher entschlossenes und demokratisch legitimiertes Handeln auf nationaler und internationaler Ebene.

Auf nationaler Ebene ist eine Angleichung der Besteuerung von Arbeit und Kapital durch progressive Vermögenssteuern dringend erforderlich. Darüber hinaus könnte die Einführung von Obergrenzen für Vermögensbesitz sowie die Besteuerung von Erbschaften dazu beitragen, die hohe Vermögenskonzentration in den Händen weniger Individuen und Familien nachhaltig zu reduzieren. Auf internationaler Ebene ist eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Erfassung von Vermögen unerlässlich, um eine gerechte Besteuerung reicher Personen und insbesondere multinationaler Konzerne zu ermöglichen. Um dem internationalen Steuerwettbewerb und Steuerschlupflöchern Einhalt zu gebieten, ist die Festlegung eines weltweiten Mindeststeuersatzes auf Kapitalerträge und Unternehmensgewinne von entscheidender Bedeutung. Eine globale Finanztransaktionssteuer könnte zudem der Unterbesteuerung des Finanzsektors entgegenwirken und reichere Bevölkerungsgruppen in die Pflicht nehmen einen substanziellen Beitrag zur Finanzierung globaler öffentlicher Güter, wie etwa Klimafonds, zu leisten. Denn Personen und Unternehmen die auf den globalen Finanzmärkten durch den Kauf und Verkauf von Vermögenswerten (wie etwa Rohstoffe oder Währungen) Millionenbeträge bewegen, müssten so eine kleine Steuer auf jede ihrer Transaktionen zahlen. Es ist höchste Zeit, reiche Personen in die Pflicht zu nehmen, ungleichen Machtverhältnisse zu korrigieren und eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft für alle anzustreben.

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