Katharina Pistor: The Law of Capitalism and How to Transform It
Die Rechtswissenschafterin Katharina Pistor legt mit ihrem neuen Buch ein Plädoyer für eine Neuausrichtung des Privatrechts vor. Sie knüpft damit an ihr vielrezipiertes Werk „Der Code des Kapitals. Wie Recht Reichtum und Ungleichheit schafft“ an und skizziert Ansätze zur Transformation des Rechts als Schlüssel zu einer gerechteren Gesellschaft.
Autorin: Sarah Bruckner
Diesen Artikel downloadenMit ihrem neuen Buch knüpft Pistor an ihr vielrezipiertes Werk „Der Code des Kapitals. Wie Recht Reichtum und Ungleichheit schafft“ an. Dabei steht die These im Zentrum, dass Güter (Objekte, Versprechen, Ideen) erst durch ihre rechtliche Codierung zu Kapital werden. Der Kapitalismus sei nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein rechtliches System. Die Privilegien des Kapitals würden (im Common Law) durch geschickte Anwält:innen immer weiter ausgedehnt. Damit die Demokratie die Oberhand behalten kann, müssen die rechtlichen Privilegien des Kapitals zurückgedrängt werden, fordert Pistor.
Die notwendige Transformation des Privatrechts
Das Rechtssystem müsse angesichts der Dauerkrise des Kapitalismus und der Klimakrise neu ausgerichtet werden, insbesondere das Privatrecht. Ziel sei ein gerechtes Privatrecht („just private law“) auf globaler Ebene. In einem ersten Schritt gelte es, Prinzipien zu definieren. Pistor schlägt hierfür den Befähigungsansatz des Ökonomen Amartya Sen und der Philosophin Martha Nussbaum vor. Ein gerechtes Privatrecht müsse das Ziel verfolgen, die Verwirklichungschancen von Menschen zu fördern. Es könne beispielsweise ein allgemeines Vorsorgeprinzip („do no harm“ - Prinzip) eingeführt werden, um Umweltschäden und die Verschärfung der Klimakrise zu vermeiden. Durch die Einführung eines Verantwortungsprinzips („take responsibility“ – Prinzip) wäre das Gesellschaftsrecht dahingehend zu ändern, dass Muttergesellschaften für Schäden in der Sphäre von Tochtergesellschaften haften, und im Vertragsrecht bessere Schutzregeln für die schwächere Vertragspartei (z.B. AGBs von Big Tech Unternehmen) vorgesehen werden. Pistor räumt ein, dass diese Maßnahmen allein nicht ausreichen, jedenfalls aber müsse das Privatrecht in den Blick genommen werden.
Präzise Analyse mit Leerstellen
Einmal mehr analysiert Pistor präzise, wie das Recht im Kapitalismus Ungleichheit fördert. Der Fokus liegt wie bereits im Vorgängerwerk auf dem Common Law, es finden sich aber auch einige Verweise auf das Europarecht. Eine Revolution sei laut Pistor weder realistisch noch wünschenswert, jedoch würden wohlfahrtsstaatliche Modelle den Kapitalismus nicht ausreichend in die Schranken weisen, weshalb sie für eine Transformation des Rechtssystems plädiere. In etlichen Beispielen wird veranschaulicht, wer die Nutznießer:innen und Verlierer:innen von bestimmten Regelungen sind. Umso erstaunlicher ist es, dass die Frage wie und von wem die Transformation durchzusetzen ist, ausgespart wird; unter anderem bleibt die potenzielle Rolle von Gewerkschaften eine Leerstelle. Zweifelsohne sind die präsentierten Vorschläge von großer Tragweite. Dies zeigt sich auch in aktuellen Debatten im europäischen Kontext, beispielsweise zum EU-Lieferkettengesetz. Allerdings hat Pistors Vorgängerwerk noch weitergehende Erwartungen geweckt im Hinblick auf frische Ideen zur Transformation. Am Ende von „Der Code des Kapitals“ werden neun Schritte zur Zurückdrängung der Privilegien des Kapitals skizziert. Diese greift Pistor in ihrem aktuellen Buch nur zum Teil wieder auf. Eine Weiterentwicklung dieser Ideen wäre höchst relevant gewesen, neben der unbeantworteten Frage der Umsetzung. Pistors großes Verdienst besteht aber weiterhin darin, Kapitalismuskritik mit rechtlichen Fragestellungen zu verknüpfen.
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Katharina Pistor
The Law of Capitalism and How to Transform It
Yale University Press, 2025
Zur Autorin: Katharina Pistor ist Edwin B. Parker-Professorin für Rechtsvergleichung an der Columbia Law School. Sie ist Autorin des Buches „Der Code des Kapitals: Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft“. Sie lebt in New York.
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