20.06.2022

Mit der EU-Kreislaufwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit auch im Konsum: Haltbarkeit und Reparierbarkeit im Fokus

Autorinnen: Johanna Bürger, Nina Tröger

Die europäische Kommission hat Ende März 2022 das erste Paket zu Umsetzung der europäischen Kreislaufwirtschaftsstrategie vorgestellt. Das Paket zielt darauf ab, nachhaltigere Produkte am Markt anzubieten und informierte Kaufentscheidungen für Konsument:innen zu erleichtern. Ein potenzieller Meilenstein, um das europäische Warensortiment nachhaltiger zu machen?! 

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EU-Paket zu Kreislaufwirtschaft

Um die von der EU angestrebte Klimaneutralität im Jahr 2050 zu erreichen, bedarf es auch Änderungen unserer Konsumweisen. Die Kommission hat mit dem Ende März 2022 veröffentlichten ersten Teil des Kreislaufwirtschaftspakets einen ambitionierten Vorschlag vorgelegt, in dessen Zentrum die Verbesserung von Nachhaltigkeitsstandards für Konsumgüter sowie transparentere und fundierte Informationen für Konsument:innen stehen. Produkte sollen damit länger haltbar und reparierbar werden, denn die bisherigen gesetzlichen Grundlagen (bspw. in der bestehenden Ökodesign-Richtlinie) sind mit den Herausforderungen, die eine sozial-ökologische Transformation mit sich bringen, nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Zum anderen tappen Konsument:innen bislang völlig im Dunkeln, wenn sie nachhaltige Kaufentscheidungen treffen möchten – sie finden derzeit beim Kauf eines Produktes keinerlei Hinweise zur Lebensdauer oder Reparierbarkeit. Zusätzlich werben auch Unternehmen immer stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit. Vielfach ist es jedoch für Konsument:innen nicht durchschaubar, ob die angepriesenen Produkte tatsächlich besser sind. Daher ist die Kommission bestrebt, auch Greenwashing (zu Deutsch: Grünfärberei) einzudämmen, damit einzelne Produkte nicht als umweltfreundlicher verkauft werden, als sie eigentlich sind. Das von der Kommission vorgelegte Kreislaufwirtschaftspaket enthält folgende vier Bausteine: Die Initiative für nachhaltige Produkte (im Wesentlichen die Überarbeitung der Ökodesignrichtlinie), eine Anpassung der Regulierung für Baustoffe1, die Strategie für nachhaltige Textilien und die EU-Initiative Stärkung der Rolle der Verbraucher:innen beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft. Sehr begrüßenswert ist: Das bisher vernachlässigte Thema des Klima- und Ressourcenschutzes nimmt in vielen Teilbereichen einen wichtigen Stellenwert ein. 

Energieeffizienz: Herzstück der bestehenden Ökodesign-Richtlinie

Mit der europäischen Ökodesign-Richtlinie aus dem Jahr 2009 wurden bislang ökologische Mindestvorgaben für energiebetriebene Produkte wie z.B. Geschirrspüler bzw. später auch für energierelevante wie z.B. Glühbirnen festgelegt. Das bedeutet, dass nur Produkte auf dem europäischen Markt verkauft werden dürfen, die diese Kriterien erfüllen. Beispiele dafür sind Staubsauger, die maximal 900 Watt verbrauchen dürfen. Hauptsächliches Augenmerk wurde bislang auf die Energieeffizienz gelegt, auch wenn in dieser bisherigen Rahmenrichtlinie schon Möglichkeiten für nachhaltige Produktkriterien (wie z.B. Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit) vorgesehen wären. Erst in den 2019 veröffentlichten Verordnungen der Europäischen Kommission wurden die Möglichkeiten der Richtlinie breiter ausgeschöpft und für Kühl- und Gefrierschränke, Geschirrspüler, Waschmaschinen und elektronische Displays zusätzliche Anforderungen an die Reparierbarkeit von Produkten gestellt, wie bspw. eine verpflichtende Ersatzteilhaltung (z.B. acht Jahre für Kühlschränke).

Laut Angaben der Europäischen Kommission haben Konsument:innen mit den bestehenden Ökodesignanforderungen aufgrund energieeffizienterer Produkte 120 Milliarden Euro allein im Jahr 2021 gespart. Außerdem konnte der jährliche Energieverbrauch der im Anwendungsbereich liegenden Produkte um 10 % gesenkt werden2. Die Notwendigkeiten erhöhter Nutzungs- und Lebensdauer von Produkten wurden aufgrund der immer dringlicher werdenden Probleme im Hinblick auf das Klima und den hohen Ressourcenverbrauch immer deutlicher, weswegen jetzt ein vollständig überarbeiteter Vorschlag der Ökodesign-Richtlinie vorliegt. Mit dem Vorschlag zur erneuerten Richtlinie sollen die Produkte noch nachhaltiger werden und die Einsparungen erheblich gesteigert werden, womit die Konsument:innen laut Kommission durchschnittlich 285 Euro3 pro Jahr sparen können. 

Ambitionierte Pläne für die neue Ökodesignrichtlinie 

Ziel des neuen Vorschlags der Kommission ist es, „die negativen Umweltauswirkungen von Produkten während ihres gesamten Lebenszyklus zu verringern und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern.“ Durch nachhaltigere Produkt sollen die Klima-, Umwelt- und Energieziele der EU erreicht und gleichzeitig Wirtschaftswachstum gefördert sowie (neue) Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Folgenden werden die zentralsten Neuerungen der Richtlinie ausgeführt.

Sehr begrüßenswert ist: Das bisher vernachlässigte Thema des Klima- und Ressourcenschutzes nimmt in allen Teilbereichen einen wichtigen Stellenwert ein.

1.
Welche Produktanforderungen kommen hinzu?

Zentrale Neuerung ist, dass künftig potenziell alle physischen Waren (Ausnahme: Lebensmittel, Medizinprodukte und Tierfutter) mit der neuen Ökodesign-Richtlinie4 geregelt und für diese umweltrelevante Mindestkriterien festgelegt werden können, also z.B. auch Möbel oder Textilien. Die neuen Ökodesign-Anforderungen umfassen die Verbesserung von Leistungsmerkmalen wie Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit, Recycling-Anteil im Produkt, Energieverbrauch und -effizienz, Ressourcenverbrauch und -effizienz und mögliche Upgrades. Nicht nur mehr Energieeffizienz, sondern auch weitere wichtige Merkmale hinsichtlich nachhaltiger Produktgestaltung müssen mit der neuen Richtlinie berücksichtigt werden. Je nach Produktkategorie können bspw. Minimum- oder Maximalanforderungen festgelegt werden. Dies können z.B. eine garantierte Lebensdauer des Produkts, Verfügbarkeit und Lieferzeit von Ersatzteilen, Verwendung von Standardbauteilen, ein bestimmtes Verhältnis von Produkt zu Verpackung oder der CO2-Fußabdruck des Produktes sein, um nur Auszüge aus einer Vielzahl möglicher Kriterien zu nennen5

2.
Mix aus Maßnahmen ermöglicht rasche Umsetzung

Der Vorschlag enthält sowohl produktgruppenspezifische Anforderungen als auch Anforderungen, die über die Produktkategorien hinweg gelten – letzteres dann, wenn ähnliche Kriterien für verwandte Produkte relevant sind. So könnten z.B. Software-Updates für alle betroffenen Produktgruppen (z.B. Fernseher, Notebooks, Staubsaugerroboter) für eine Mindestzeit verpflichtend sein. Die Einführung dieser horizontalen Maßnahmen soll ein Mittel sein, um bestimmte Vorgaben relativ unbürokratisch für mehr Produkte gelten zu lassen und damit die negativen Umweltauswirkungen rasch zu senken. Anforderungen für spezifische Produktgruppen werden in delegierten Rechtsakten von der Europäischen Kommission festgelegt, womit die Kommission eine Beschleunigung der Umsetzung anstrebt.

3.
Verbesserte Information – (auch) digital zugänglich
 

Ein wesentliches Element der erweiterten Informationskette stellt der neu entwickelte digitale Produktpass dar. Konsument:innen, aber auch Akteur:innen entlang der gesamten Lieferkette wie unabhängige Reparaturdienstleister oder Recyclingunternehmen sollen mit detaillierteren Informationen über den Aufbau und die Inhalte des Produktes versorgt werden, um es besser und länger nutzen, reparieren oder entsorgen zu können. Auch die Informationspflichten hinsichtlich der im Produkt enthaltenen gefährlichen Stoffe werden verbessert. Angestrebt wird zudem, dass bestimmte Leistungsmerkmale (wie eben z.B. Reparierbarkeit, Nachrüstbarkeit dazu oben) in eine Kennzahl (noch undefiniert, aber vorstellbar ähnlich dem Energieeffizienzlabel (A-G)) transformiert werden, um Konsument:innen vor Kauf eine bessere Vergleichbarkeit hinsichtlich nachhaltiger Aspekte zu gewähren und um ihnen damit nachhaltige Kaufentscheidungen zu erleichtern. 

Nicht nur mehr Energieeffizienz, sondern auch weitere wichtige Merkmale hinsichtlich nachhaltiger Produktgestaltung müssen mit der neuen Richtlinie berücksichtigt werden.

4.
Mehr Transparenz bei der Vernichtung von unverkaufter Ware

Die immer wieder vorkommende Zerstörung und Entsorgung unverkaufter oder zurückgesendeter Konsumgüter von europäischen Produzenten und Onlinehändlern steht im Widerspruch zu dringend notwendigen Ressourceneinsparungen. Im Rahmen der neuen Ökodesign-Richtlinie setzt die EU nun auch Maßnahmen, um die Zerstörung unverkaufter Ware zu stoppen. Für mehr Transparenz bei der Vernichtung von unverkaufter Ware werden Unternehmen dazu verpflichtet, Statistiken zu entsorgten Produkten offenzulegen. Diese enthalten die Anzahl der jährlich weggeworfenen Konsumprodukte nach Produktkategorie inklusive der Entsorgungsgründe. Die Kommission behält sich vor, für Produkte ein Entsorgungsverbot für Europa auszusprechen, bei denen die Entsorgung mit beträchtlichen Umweltschäden verbunden ist.

5.
Forcierte Marktüberwachung soll Einhaltung der Vorgaben sicherstellen

Die getroffenen Maßnahmen wirken allerdings nur dann, wenn die Vorgaben auch eingehalten werden. Die Kommission schätzt, dass 10–25 % aller Produkte, die bislang unter die Ökodesign-Richtlinie fallen, nicht den Anforderungen entsprechen6. Daher wird die bislang kaum vorhandene Überwachung der Erfüllung der Ökodesign-Kriterien auf neue Füße gestellt: Jeder Mitgliedsstaat muss alle zwei Jahre Pläne zur Überwachung der Einhaltung der Ökodesign-Richtlinie vorlegen, die Kommission kann dabei eine Mindestanzahl an Kontrollen festlegen. Die Prioritäten der Überwachungstätigkeiten orientieren sich am Ausmaß der am Markt festgestellten Nichtkonformität, deren daraus resultierenden Umweltauswirkungen sowie der Marktrelevanz der Produkte. Die Kontrolle erfolgt durch die nationalen Marktüberwachungsbehörden. Diese nationalen Behörden werden bei der Umsetzung und Organisation von der Kommission unterstützt. Bei Nicht-Einhaltung der Ökodesign-Vorgaben werden die jeweiligen Unternehmen aufgefordert, Korrekturmaßnahmen zu ergreifen, sonst kann das Produkt vom Markt genommen oder zurückgerufen werden. 

Stärkung der Rolle der Verbraucher:innen:
Verbraucherrechte-Richtlinie7

Ebenfalls Teil des ersten Pakets zur Kreislaufwirtschaft ist die EU-Initiative zur Stärkung der Rolle der Verbraucher:innen beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft. Um dieses Ziel zur erreichen wurden gleich zwei Richtlinien im Sinne umweltrelevanter Verbraucherinformationen adaptiert: Die Verbraucherrechte-Richtlinie und die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. In Verkaufssituationen sollen Konsument:innen dazu verstärkt befähigt werden, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen. Konkret zielt die Richtlinienänderung auf die vorvertraglichen Informationspflichten des Händlers gegenüber den Konsument:innen ab. In Zukunft sollen Informationen des Herstellers – wie Angaben zur Haltbarkeitsgarantie, zur Länge der Verfügbarkeit von Software-Updates und Reparaturinformationen (z.B. eine Reparaturkennzahl) – schon vor Kaufabschluss für Konsument:innen deutlicher ersichtlich sein. Vor Kaufabschluss (sowohl im örtlichen Handel als auch Fernabsatz) muss die kommerzielle Haltbarkeitsgarantie für Konsument:innen sichtbar gemacht werden, sofern sie über die zweijährige gesetzliche Gewährleistungspflicht hinausgeht. Nur bei elektronischen Gütern ist eine Negativmeldung (also Information über das Fehlen einer Garantie) notwendig. Der Verbraucher muss also in dem Fall auch darüber informiert werden, dass der Hersteller keine Information über das Bestehen einer gewerblichen Haltbarkeitsgarantie von mehr als zwei Jahren zur Verfügung gestellt hat.

In Zukunft sollen Informationen zur Haltbarkeitsgarantie des Herstellers schon vor Kaufabschluss für Konsument:innen deutlicher ersichtlich sein.

Stärkung der Rolle der Verbraucher:innen: Unlautere Geschäftspraktiken

Um besser gegen grüne Werbeversprechen, die nicht den Tatsachen entsprechen (Greenwashing), vorgehen zu können, hat die EU gleich mehrere Änderungen an der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken8 vorgenommen. So dürfen Unternehmen künftig nicht mehr mit generellen grünen Behauptungen wie „green“ oder „eco-friendly“ werben, wenn diese nicht belegt werden können. Freiwillige Nachhaltigkeits-Labels dürfen nur mehr verwendet werden, wenn diese von unabhängigen Stellen kontrolliert oder von nationalen Behörden eingeführt werden. Zukunftsgerichtete Versprechen wie „klimaneutral bis 2030“ dürfen nur noch unter bestimmten Bedingungen wie dem Setzen klarer Ziele und deren Monitoring verwendet werden. Die adressierten Greenwashing Praktiken umfassen auch Haltbarkeit bzw. frühzeitige Obsoleszenz (d.h. der frühzeitige Verschleiß von Produkten). So müssen Konsument:innen beispielsweise künftig über mögliche negative Auswirkungen von z.B. Software-Updates informiert werden und Produkte dürfen nicht als reparierbar beworben werden, wenn das in der Praxis nicht zutrifft. 

Aus Konsument:innensicht scheint es selbstverständlich, dass Unternehmen nicht mit falschen Angaben werben dürfen. Durch die Festschreibung in der Richtlinie gibt es allerdings zum ersten Mal eine Rechtsgrundlage, um gegen Unternehmen, die mit falschen grünen Behauptungen werben, vorzugehen. Durch die Regulierung von Greenwashing in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken wird künftig die Beweisführung für Mitbewerber und klagsbefugte Organisationen erleichtert.

EU-Textilstrategie

Eine AK-Studie aus 2017 zur Nutzungsdauer und Obsoleszenz von Gebrauchsgütern stellte fest, dass T-Shirts im Schnitt nur 2,5 Jahre genutzt werden, eine Jeans im Schnitt nur 3 Jahre9. Auch auf EU-Ebene ist man sich der problematischen Auswirkungen von Fast Fashion bewusst und stuft die Textilbranche daher als vorrangige Branche für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ein. Die neue EU-Textilstrategie10 besagt unter anderem: Konsument:innen müssen beim Kauf von Textilien Informationen zur kommerziellen Haltbarkeitsgarantie und zu Reparatur erhalten, Werbung zu nachhaltigen Textilien darf nicht auf falschen Behauptungen basieren, Nachhaltigkeitsversprechen müssen in Zukunft entsprechend der Änderungen der Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken besser untermauert werden. Im Rahmen der europäischen Ökodesign-Richtlinie wird die Kommission verbindliche produktspezifische Ökodesignanforderungen für den Textilbereich ausarbeiten. Der Plan für die schrittweise Ausarbeitung der Ökodesign-Anforderungen für verschiedene Textilgruppen soll Ende 2022 veröffentlicht werden. Auch hier liegt der Fokus auf Haltbarkeit und Reparierbarkeit, da, so argumentiert inzwischen auch die Kommission, Qualitätsmängel wie beispielsweise schnell kaputtgehende Reißverschlüsse zu den Hauptgründen für das Wegwerfen von Textilien gehören. Durch länger haltbare Textilien sollen zum einen Konsument:innen ermutigt werden, ihre Kleidungsstücke länger zu behalten und zum anderen zirkuläre Geschäftsmodelle unterstützt werden. Die Initiative bleibt nicht beim einzelnen Produkt hängen, sondern will auch die Überproduktion und den „Überkonsum“ von Textilien angehen, ganz nach dem Motto: Driving fast fashion out of fashion. 

Durch die Regulierung von Greenwashing in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken wird künftig die Beweisführung für Mitbewerber und klagsbefugte Organisationen erleichtert.

AK fordert: Strengere Marktüberwachung und Greenwashing gezielt vorbeugen

Das nun vorliegende erste Paket zur Umsetzung der EU-Kreislaufwirtschaft ist sehr begrüßenswert, da hier viele wichtige Änderungen gesetzt werden, um nachhaltigen Konsum aus der Nische zu holen. Mit dem neuen Entwurf zur Ökodesign-Richtlinie ist ein deutlich ambitionierterer Ansatz hinsichtlich ökologischer Produktgestaltung erkennbar. Dies spiegelt sich einerseits in der Ausweitung der Richtlinie auf alle Produktgruppen wider, andererseits wird das Thema Haltbarkeit und Reparierbarkeit umfassender als bisher behandelt. 

Im Hinblick auf die Klimakrise ist rasches Handeln unerlässlich, weswegen bspw. einfache horizontale, also über verschiedene Produktgruppen hinweg geltende, Maßnahmen unmittelbar umgesetzt werden sollten. Aufgrund der Ausweitung des Geltungsbereichs ist ein hoher Bedarf an finanziellen Mitteln und Personalressourcen nötig, die jedenfalls von der Kommission ausgebaut und erhöht werden müssen. Die Festlegung von Produktleistungsparametern sowie verbesserte Konsument:inneninformation sind begrüßenswert – diese Kriterien dürfen jedoch nicht gegeneinander abgewogen werden (wie in der Präambel festgehalten wird), sondern beide Vorgaben müssen in den jeweiligen delegierten Rechtsakten entsprechend abgebildet sein. Informationen für Konsument:innen müssen jedenfalls einfach und transparent sein – in diesem Sinne wird auch die Entwicklung einer einzelnen Kennzahl, die Konsument:innen Hinweise über die Nachhaltigkeit des Produktes gibt (z.B. über Reparierbarkeit, Haltbarkeit o.ä.) begrüßt, da Produkte damit besser untereinander vergleichbar werden. Wesentlich ist weiters: Informationen müssen den Konsument:innen vor Kauf zur Verfügung stehen, da sie nur so eine nachhaltige Kaufentscheidung treffen können – hier benötigt es noch Nachschärfungen. 

Durch länger haltbare Textilien sollen zum einen Konsument:innen ermutigt werden, ihre Kleidungsstücke länger zu behalten und zum anderen zirkuläre Geschäftsmodelle unterstützt werden.

Strengere Marktüberwachung der Ökodesign-Richtlinie ist dringend notwendig, offen sind jedoch noch konkrete Sanktionsformen und -ausmaße. Diese legen die Mitgliedsstaaten selbst fest. Im Hinblick auf die Maßnahmen zu unverkaufter Waren bleibt die Ökodesign-Richtlinie sehr vage. Es wird zwar mehr Transparenz bei der Vernichtung von unverkaufter Ware geschaffen, aber von einem Vernichtungsverbot kann noch nicht die Rede sein.

Wie richtungsweisend die Vorschläge der Richtlinienänderung tatsächlich sind, wird sich auch erst in den Spezifizierungen der delegierten Rechtsakte zu den einzelnen Produktgruppen zeigen und kann daher noch nicht abschließend bewertet werden.

Informationen müssen den Konsument:innen vor Kauf zur Verfügung stehen, da sie nur so eine nachhaltige Kaufentscheidung treffen können – hier benötigt es noch Nachschärfungen.

In der EU-Textilstrategie gilt es vor allem, die soziale Dimension stärker zu berücksichtigen, da das System von Fast Fashion auf der Ausbeutung von Arbeitnehmer:innen in den Sweatshops der Textilbranche basiert11. Im Kontext der Verbraucherrechte-Richtlinie fordert die AK, eine Negativmeldung zur Haltbarkeitsgarantie (Verbraucher wird auch über den Umstand einer fehlenden Garantie in Kenntnis gesetzt) für alle Waren, statt wie im Vorschlag nur für elektronische Geräte vorzusehen. Auch bei anderen Produkten sind Informationen darüber, dass der Hersteller keine Information über das Bestehen einer gewerblichen Haltbarkeitsgarantie von mehr als zwei Jahren zur Verfügung gestellt hat, wesentlich. Nur so besteht für Konsument:innen eine vergleichbare Grundlage. 

Die stärkere Regulierung von Greenwashing im Rahmen der Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken ist begrüßenswert. Jedoch wäre die Vorab-Prüfung grüner Werbeversprechen auf europäischer Ebene nach dem Vorbild von „Health Claims“, die vorab von der Europäischen Lebensmittelaufsichtsbehörde EFSA genehmigt werden müssen, effektiver, als im Nachgang den Klagsweg durch nationale Behörden bestreiten zu müssen. Konsument:innen kämen dann nur mehr mit solchen grünen Werbeversprechen („Green Claims“) in Berührung, die bereits autorisiert wurden. Darüber hinaus fordert die AK, Greenwashing auch durch ein Gütesiegel-Gesetz zu bekämpfen, welches nur mehr solche Siegel zulässt, die gewisse Mindeststandards (zB tierschutzgerecht, gentechnikfrei, gesunde Ernährung, fair erzeugt) erfüllen sowie unabhängig kontrolliert werden. 

Nina Tröger, AK Wien

Johanna Bürger, AK Wien 

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Weiterführende Literaturhinweise


  1. Auf die Regulierung für Baustoffe kann im folgenden Artikel nicht näher eingegangen werden.
  2. Europäische Kommission (30.03.2022). Green Deal: New proposals to make sustainable products the norm and boost Europe´s resource independence, Pressemeldung. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_22_2013 [23.05.22].
  3. Europäische Kommission. Energielabel und Ökodesign, https://ec.europa.eu/info/energy-climate-change-environment/standards-tools-and-labels/products-labelling-rules-and-requirements/energy-label-and-ecodesign/about_de#Energysavings [23.05.22].
  4. Europäische Kommission (30.03.2022): Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=COM:2022:142:FIN [23.05.22].
  5. Europäische Kommission (30.3.2022): ANHÄNGE des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=COM:2022:142:FIN [23.05.22].
  6. Europäisches Parlament (2018): Bericht über die Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG), https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0165_DE.html [23.05.22].
  7. Europäische Kommission (30.3.2022): Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen, https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:ccf4e0b8-b0cc-11ec-83e1-01aa75ed71a1.0002.02/DOC_1&format=PDF [23.05.22].
  8. Europäische Kommission (30.3.2022): ANHANG des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen, https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:ccf4e0b8-b0cc-11ec-83e1-01aa75ed71a1.0002.02/DOC_2&format=PDF [23.05.22].
  9. Tröger Nina, Harald Wieser und Renate Hübner (2017): Smartphones werden häufiger ersetzt als T-Shirts. Die Nutzungsmuster und Ersatzgründe von KonsumentInnen bei Gebrauchsgütern, Reihe Materialien zur Konsumforschung, Nr. 3, http://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/image/AC13481127/1/LOG_0003/ [10.05.22].
  10. Europäische Kommission (30.03.2022). EU Strategy for sustainable and circular textiles. https://ec.europa.eu/environment/publications/textiles-strategy_en [10.05.22].
  11. Infobrief EU & International. EU-Textilstrategie. Übersehene Ausbeutung?, Arbeiterkammer Wien, https://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/ppnresolver?id=AC05712646_2021_4 [11.05.2022].
 

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