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Feigl-Heihs: Rohstoffwende jetzt! © AK Wien
Dezember 2022

Das neue Gold: Der weltweite Hunger nach mineralischen Rohstoffen 

Autorin: Monika Feigl-Heihs

Windräder, Solaranlage, Elektroautos oder das digitale Zeitalter: sie alle sind ohne mineralische Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder seltene Erden undenkbar. Nicht zuletzt sind die grünen Technologien zur weltweiten Reduktion von Treibhausgasemissionen Treiber für den Rohstoffverbrauch. Doch wo am Ende der Wertschöpfungskette saubere Energie oder emissionsfreie Fahrzeuge stehen sollen, liegt insbesondere am Ausgangspunkt des Wirtschaftszweiges vieles im Argen. Warum der EU-Ansatz zur Rohstoffstrategie zu kurz greift.

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Internationaler Ansturm auf Rohstoffe

Aufgrund der Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen weltweit zu senken und sämtliche Wirtschaftssysteme zu dekarbonisieren, sind grüne Technologien im Aufwind. Am Ende des Umbaus sollen saubere Energie und emissionsfreie Fahrzeuge stehen. Dafür werden allerdings große Mengen an mineralischen Rohstoffen benötigt. Die internationale Energieagentur schätzt, dass sich der weltweite Bedarf an Rohstoffen für die Umsetzung der Energie- und Mobilitätswende bis 2040 auf Basis bisheriger nationaler Klimapläne verdoppeln werde. Sogar eine Vervierfachung des weltweiten Rohstoffbedarfs steht im Raum: Dieses Szenario ist zu erwarten, wenn die nationalen Klimapläne so nachgebessert werden, dass diese tatsächlich zur Erreichung der Pariser Klimaziele führen. In den nächsten Jahren ist also mit einem noch stärkeren, weltweiten Ansturm auf die verschiedensten Bodenschätze zu rechnen. 

Von vergifteten Böden, zerstörten Lebensgrundlagen und massiven Menschenrechtsverletzungen

Doch der Bergbau zählt zu jenen Sektoren, der mit vielfältigen negativen Auswirkungen sowohl für das Klima als auch für einzelne Bevölkerungsgruppen verbunden ist. Allein bei der Primärgewinnung von Metallen und Mineralien fallen bereits heute ca. 10 Prozent der gesamten weltweiten CO2-Emissionen an. Wenn nun in Zukunft noch mehr abgebaut werden soll, wird sich diese Entwicklung negativ auf die CO2-Bilanz niederschlagen und könnte zu einer Erhöhung der Treibhausgasemissionen in diesem Sektor um 43 Prozent bis 2060 führen. Notwendig für die Eindämmung der Erderhitzung wäre genau das Gegenteil, nämlich ein massiver Rückgang der klimaschädlichen Emissionen.

Darüber hinaus ist mit dem Abbau von Rohstoffen ein massiver Eingriff in die Natur verbunden, der oft mit verheerenden Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung einhergeht. Da der Bergbau wasserintensiv ist und zum Teil einen hohen Einsatz an giftigen Chemikalien erfordert, kann dies die Trinkwasserversorgung der Bewohner:innen, insbesondere in trockenen Gebieten, gefährden. Ein unrühmliches Beispiel dafür ist der Lithiumabbau in Chile, der bereits heute deutliche Spuren am Atacama-Salzsee hinterlassen hat: Wassermangel oder die Verunreinigung durch giftige Chemikalien sind Zeugnisse dafür. Wegen der stark steigenden Nachfrage nach Lithium, das etwa für Batterien und Akkus für Elektrofahrzeuge benötigt wird, ist die Verdreifachung der derzeitigen Förderkapazitäten geplant. Weitere massive Schädigungen der Umwelt und Eingriffe in den Lebensraum der Bevölkerung vor Ort sind vorprogrammiert. Nicht selten bleiben indigene Bevölkerungsgruppen bei Bergbauprojekten, die auf ihren angestammten Territorien geplant werden, außen vor: Sie können durch verschmutztes Wasser oder das Zurückdrängen von landwirtschaftlichen Flächen ihre Lebensgrundlagen verlieren und werden mitunter sogar gewaltsam umgesiedelt. Auch deren Beteiligung am Ertrag der Bodenschätze ist in der Regel nicht vorgesehen, weshalb sie in den meisten Fällen auf der Verlier:innenseite stehen.

Über die Autorin

Monika Feigl-Heihs arbeitet als Expertin für EU-Handelspolitik in der AK Wien.
Monika Feigl-Heihs
Monika Feigl-Heihs © AK Wien

Kurz und Knapp

  • Die internationale Energieagentur schätzt, dass sich der weltweite Bedarf an Rohstoffen für die Umsetzung der Energie- und Mobilitätswende bis 2040 auf Basis bisheriger nationaler Klimapläne verdoppeln werde.

  • Allein bei der Primärgewinnung von Metallen und Mineralien fallen bereits heute ca.  10% der gesamten weltweiten CO2-Emissionen an.

  • Der Bergbau zählt zu den Branchen mit den ausbeuterischsten und gesundheitsgefährdendsten Arbeitsbedingungen.

  • EU-Handelsabkommen im bisherigen Stil und neue Rohstoffpartnerschaften sollen den Zugang zu Märkten in Drittstaaten sichern. Doch diese sind hinsichtlich des Schutzes von Menschenrechten, der Einhaltung von international anerkannten Arbeitsnormen oder des Schutzes der Umwelt äußerst mangelhaft.

  • Ein weltweites Rohstoffrahmen-Abkommen muss klare Reduktionsziele für den Verbrauch von Rohstoffen beinhalten.

  • Brüssel soll anstelle nicht mehr zeitgemäßer EU-Handelsabkommen mit Drittstaaten Grüne Deal- Abkommen unter Berücksichtigung ihrer Entwicklungsagenda  abschließen.

  • Innerhalb der Europäischen Union sind alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die Kreislaufwirtschaft prioritär voranzubringen.

Darüber hinaus benötigen Bergwerke für den Betrieb zusätzliche Infrastruktur wie Straßen für den Transport und Siedlungen für Arbeiter:innen oder auch eine eigene Energieversorgung. Oft müssen diese Voraussetzungen erst geschaffen und entlegene Gebiete erschlossen werden. Dabei kommt es immer wieder auch zu illegaler Entwaldung. Die Folgen davon sind weitere Verluste von Naturräumen und biologischer Vielfalt, was wiederum eine Gefahr für das Weltklima darstellt. 

Außerdem zählt der Bergbau zu den Branchen mit den ausbeuterischsten und gesundheitsgefährdendsten Arbeitsbedingungen. Auf der Tagesordnung stehen niedrige Löhne, schlechter Arbeitsschutz, mangelhafte oder fehlende Arbeitsschutzkleidung, hohe Unfallraten und Kontakt mit giftigen Stoffen bei unzureichenden Schutzvorkehrungen. Rund ein Drittel der weltweit registrierten wirtschaftsbezogenen Menschenrechtsverletzungen fällt auf diesen Sektor, der damit als einer der risikoreichsten für Arbeitnehmer:innen gilt. 

EU-Strategie: Mehr vom Bisherigen 

Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Problemlagen ringen europäische Unternehmen mit US-amerikanischen, südkoreanischen, japanischen und nicht zuletzt mit chinesischen Unternehmen weltweit um die wertvollen Bodenschätze. Jedes Land hat auch eine entsprechende Rohstoffstrategie etabliert, die die Versorgung der jeweils eigenen Wirtschaft mit den kostbaren Gütern sicherstellen soll. Der Konkurrenzkampf ist groß, da dieser nicht nur zwischen Unternehmen stattfindet, sondern auch durch staatliche Maßnahmen unterstützt wird. 

Die Aktivitäten auf EU-Ebene reihen sich in diese Logik ein und zielen insbesondere darauf ab, die Versorgung mit kritischen Rohstoffen für den europäischen Markt zu möglichst günstigen Konditionen sicherzustellen. Mittels EU-Handelspolitik, die auf Liberalisierung und weltoffene (Rohstoff-)Märkte drängt, sollen identifizierte tarifäre sowie nicht-tarifäre Handelsbarrieren von relevanten Exportländern beseitigt und abgebaut werden. Darunter fällt die Eliminierung von Exportzöllen und anderen Exportbeschränkungen für Rohstoffe ebenso wie das Verbot von Preisregulierung. Zusätzlich soll durch Verankerung investorenfreundlicher Regelungen für Lizenzvergaben zum Rohstoffabbau der Zugriff auf die benötigten Rohstoffe abgesichert werden. Dies schließt Bestimmungen mit ein, die eine Rücknahme von erteilten Lizenzen durch die Behörden des Abbaulandes unmöglich bzw. nur mit hohen Schadenersatzzahlungen möglich machen. 

Um nicht den Fehler der Rohstoffabhängigkeit von einzelnen Handelspartnern wie etwa Russland zu wiederholen, steht nun auf EU-Ebene die Strategie der Diversifizierung der Bezugsquellen an oberster Stelle. Dabei sollen EU-Handelsabkommen im bisherigen Stil und neue Rohstoffpartnerschaften den Zugang zu Märkten in Drittstaaten sichern. Doch diese sind hinsichtlich des Schutzes von Menschenrechten, der Einhaltung von international anerkannten Arbeitsnormen oder des Schutzes der Umwelt äußerst mangelhaft, wie einschlägige Studien aufzeigen.

Rohstoffwende Jetzt!

Die einseitige Ausrichtung der derzeitigen EU-Rohstoffstrategie auf die Frage der Sicherstellung der Rohstoffversorgung wird weder den im Bergbau akuten Problemlagen noch den Anforderungen an einem sorgsamen Umgang mit den wertvollen Gütern gerecht. Vielmehr muss ein ganzheitlicher Blick auf das Thema Rohstoffe eingenommen werden, der auf die nachhaltige Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette abzielt. Andernfalls wird sich der Druck erhöhen, noch mehr Rohstoffe aus dem Boden zu holen, was der Umwelt und den Bewohner:innen von rohstoffreichen Gebieten weitere Schäden zufügen sowie die Klimaerhitzung aufgrund der CO2-Intensität des gesamten Wirtschaftssektors befördern würde. Deshalb braucht es eine Änderung der bisher verfolgten EU-Rohstoffstrategie auf verschiedenen Ebenen und die Einleitung einer Rohstoffwende mit folgenden Eckpfeilern:

  • Globale Reduktionsziele mittels internationalem Rohstoff-Rahmenabkommen festlegen: Da es sich beim steigenden Verbrauch metallischer Rohstoffe um einen weltweiten Trend handelt, bedarf es einer globalen Regelung. Wie ist mit den begrenzt vorhandenen Ressourcen umzugehen? Was braucht es für eine nachhaltige Rohstoffwende? Wie kann die Reduktion der mit dem Bergbau verbundenen Treibhausgasemissionen gelingen? Bei der Verhandlung dieser Fragen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Rohstoffverbrauch pro Kopf in den Industriestaaten nach wie vor mehr als doppelt so hoch ist wie weltweit. Die EU muss sich daher als einer der Kontinente mit hoher Rohstoffinanspruchnahme mit Nachdruck für ein internationales, rechtsverbindliches Rohstoffrahmen-Abkommen einsetzen. Denn hier gibt es eine gravierende Leerstelle auf globaler Ebene. Ein derartiges Rohstoffabkommen sollte neben dem Pariser Klimaabkommen und dem Übereinkommen über biologische Vielfalt als weitere Säule der internationalen Koordination und Kooperation zur Bekämpfung des Klimawandels etabliert werden. Darin müssen beispielsweise klare Reduktionsziele für den Verbrauch von Rohstoffen, die global gerechte Verteilung der vorhandenen Rohstoffe, Effizienzziele, Förderung der Wiederverwertung der Rohstoffe (Kreislaufwirtschaft) sowie Vorgaben für die Beseitigung sonstiger ökologischer Schäden (z.B. Entgiftung) festgelegt werden. Neben diesen Vorgaben gilt es auch Kooperationen im Hinblick auf das Teilen vorhandenen technologischen Wissens sowohl für die Gewinnung der Rohstoffe als auch für deren Weiterverarbeitung und Substitutions- und Recyclingmöglichkeiten auf den Weg zu bringen. 
  • Grüne Deal Partnerschaften forcieren: In eine völlig gegensätzliche Richtung würde der Abschluss von EU-Handelsabkommen im alten Stil weisen: Während diese dem Profitstreben transnationaler Konzerne Vorrang gegenüber breit geteiltem Wohlstand, bestmöglichen Arbeitsbedingungen sowie Umwelt- und Klimaschutz einräumen, bieten sie keine Lösungsperspektive für die aufgeworfenen Probleme. Sie können im Gegenteil zu deren Verschärfung beitragen, indem sie bestehende asymmetrische Wirtschaftsbeziehungen einzementieren und mit lediglich unverbindlichen Regelungen Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltschutz weiter unter Druck setzen.9 Wenn über diese Abkommen rohstoffreiche Länder auf die Rolle als Rohstofflieferanten reduziert werden, können sie nur durch maximale Ausbeutung ihrer Bodenschätze Einnahmen sicherstellen. Dabei müssen sie sich allerdings mit dem kleineren Anteil der Wertschöpfung des gesamten Wirtschaftszweiges begnügen. Der Großteil der Profite fällt in Industrieländern durch Weiterverarbeitung der Rohstoffe in begehrte Produkte wie Windräder, Sonnenkollektoren oder digitale Geräte an. Anstelle nicht mehr zeitgemäßer EU-Handelsabkommen sollte Brüssel daher mit rohstoffreichen Ländern Grüne-Deal-Abkommen unter Berücksichtigung ihrer Entwicklungsagenda abschließen. Damit sollen einerseits Standards gehoben und andererseits Handelsregeln forciert werden, die volkswirtschaftliche Vorteile bringen, Wertschöpfung im Land generieren und nachhaltige Entwicklung ermöglichen. Hier gibt es bereits Anknüpfungspunkte wie beispielsweise die Pläne der Afrikanischen Union zu mehr lokaler Verarbeitung und Wertschöpfung der Rohstoffe sowie den Aufbau von Industrie in diesem Bereich. Dafür sind auch entgegen der bisherigen EU-Linie Zölle und andere Schutzinstrumente in Betracht zu ziehen. In Bergbaufragen sollte sich die EU für ein regulatorischer Umfeld einsetzen, das nicht ausschließlich den Interessen von Unternehmen dient, sondern die Bedürfnisse aller Beteiligter, insbesondere lokalen und indigenen Gemeinschaften, zugutekommt. Die Rechte der ansässigen Bevölkerung müssen beim Betrieb von Minen gewährleistet sowie mittels effektiver Sanktionen bei Verstößen abgesichert werden. Insbesondere bei Entscheidungen über die Erschließung neuer oder die Ausweitung bestehender Bergbaugebiete sind demokratische Mitspracherechte einzuräumen sowie Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen, die diesen Namen auch verdienen und nicht nur am Papier stehen. Der Abbau jener Rohstoffe, die es noch benötigt, muss unter Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Arbeitsnormen sowie mit den höchsten verfügbaren Technologien zum Schutz der Umwelt und des Klimas erfolgen. Dafür sind verbindliche Regelungen wie z.B. die Erfüllung internationaler Kernarbeitsnormen inklusive Sanktionen bei Verstößen in den zwischenstaatlichen Vereinbarungen aufzunehmen. Dies schließt auch Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette im Hinblick auf deren Einhaltung von menschenrechtlichen, arbeitsrechtlichen sowie umweltrechtlichen Standards ein. In Ländern, in denen es an Kompetenzen und Know-How für die Weiterentwicklung von Standards fehlt, sollte die EU in diesen Fragen die Zusammenarbeit forcieren und gegebenenfalls auch finanzielle Unterstützung leisten. 
  • Alle Hebel zur Reduktion des Verbrauchs in Bewegung setzen: Selbst wenn im Bergbau hohe menschenrechtliche, soziale und ökologische Standards eingehalten werden, bedeutet dieser in jedem Fall einen Eingriff in die Natur mit potenziell schwerwiegenden negativen Auswirkungen für die Bevölkerung vor Ort. Damit ist sehr bedächtig umzugehen und erfordert umfassende Maßnahmen, damit möglichst viel an diesen wertvollen Rohstoffen erst gar nicht abgebaut werden muss. Deshalb ist sowohl auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene als verbindliches Ziel die Reduktion des Rohstoffverbrauchs zu formulieren. Innerhalb der Europäischen Union sind alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die Kreislaufwirtschaft prioritär voranzubringen.

Da es derzeit nicht so aussieht, dass all die genannten Maßnahmen politisch mehrheitsfähig sind bzw. vor dem Hintergrund geopolitischer und geoökonomischer Spannungen rasch in Angriff genommen werden könnten, muss sich die EU auf Krisenszenarien vorbereiten. Sollte es zu Rohstoffengpässen kommen, braucht es Pläne, wie die knappen Güter verteilt werden sollen. Dabei sind jene Bereiche vorrangig zu behandeln, die den höchsten Wirkungsgrad für die Erreichung gesamtgesellschaftlicher Ziele aufweisen. Dies umfasst etwa den Ausbau erneuerbarer Energieinfrastruktur sowie Infrastrukturinvestitionen in den öffentlichen Verkehr. Innerhalb der EU ist es notwendig, vorsorgende Maßnahmen zu treffen, die im Falle von sich abzeichnenden negativen Szenarien greifen. 

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