Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft
Allgemeines
Beschlüsse können zu Maßnahmen der ordentlichen und außerordentlichen Verwaltung getroffen werden.
Nach der Absicht des Gesetzgebers werden Beschlüsse vorwiegend in der Eigentümerversammlung getroffen. Daneben gibt es die Möglichkeit von Umlaufbeschlüssen (schriftliche Beschlussfassung) und eine Mischform, bei der eine Abstimmung im Umlaufbeschluss die Abstimmung in der Eigentümergemeinschaft ergänzt.
Voraussetzung für das Zustandekommen eines wirksamen Beschlusses ist immer, dass alle Eigentümer:innen die Möglichkeit zur Äußerung und Abstimmung hatten. Dafür bedarf es etwa der ordnungsgemäßen Ladung zur Eigentümerversammlung unter Angabe der für die Beschlussfassung relevanten Informationen.
Mehrheiten werden nach den Miteigentumsanteilen an der Liegenschaft bestimmt. Mit der WEG-Novelle 2022 wird die Mehrheitsfindung ab 1. Juli 2022 erleichtert. Ein Mehrheitsbeschluss kommt ab 1. Juli 2022 nicht nur – wie bisher – mit der Mehrheit aller Eigentumsanteile zustande, sondern auch dann, wenn ein Beschluss mit einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen (berechnet nach den Miteigentumsanteilen) gefasst wird und diese Mehrheit mindestens ein Drittel aller Miteigentumsanteile repräsentieren.
In Ausnahmefällen kann es aber abweichende Abstimmungseinheiten geben. Einzelne Wohnungseigentümer:innen sind im Falle einer Interessenskollision von der Beschlussfassung ausgeschlossen.
Abweichende Abstimmungseinheiten können entweder durch alle Wohnungseigentümer:innen gemeinsam vereinbart, oder vom Gericht festgesetzt werden. Besteht etwa in einer Stiege ein Lift, in der anderen Stiege aber nicht, dann könnte vereinbart werden, dass Beschlüsse im Zusammenhang mit dem Lift nur von den zu dessen Benutzung berechtigten Eigentümer:innen geschlossen werden.
Das Stimmrecht ist grundsätzlich persönlich auszuüben. Will sich ein/e Wohnungseigentümer:in bei der Abstimmung vertreten lassen, dann bedarf es einer schriftlichen Vollmacht, die nicht älter als drei Jahre sein darf. Eigentümerpartner müssen ihre Stimme gemeinsam abgeben und können nicht unterschiedlich abstimmen.
Bei Fehlen einer Vollmacht kann der/die Vertretene das Handeln seines/ihres Vertreters binnen 14 Tagen schriftlich genehmigen.
Wurde ein Beschluss gefasst, dann ist dieser im Haus aufzulegen und an alle Wohnungseigentümer:innen zu übermitteln. Dem übermittelten Beschluss ist eine Belehrung über die Anfechtungsmöglichkeiten beizufügen.
Worüber kann abgestimmt werden?
Der Eigentümergemeinschaft obliegt die Abstimmung über die ordentliche und die außerordentliche Verwaltung.
Ist ein/e Verwalter:in bestellt und sind ihm im Verwaltervertrag keine Schranken auferlegt, dann kann diese/r in Fragen der ordentlichen Verwaltung selbst entscheiden, ohne vorher einen Beschluss einzuholen. Die Eigentümer:innen können ihm/ihr aber natürlich auch nachträglich Weisungen erteilen, z.B. ab einer bestimmten Auftragssumme immer einen Mehrheitsbeschluss der Gemeinschaft einzuholen.
Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung darf der/die Verwalter:in nur nach vorhergehendem Beschluss der Wohnungseigentümer:innen vornehmen. Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung können teilweise mit Mehrheitsbeschluss, teilweise nur einstimmig beschlossen werden. Den überstimmten Wohnungseigentümer:innen steht hier eine erweiterte Anfechtungsmöglichkeit offen.
Zu den Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung zählen:
- Die Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft;
- Bauliche Veränderungen an allgemeinen Teilen, die nicht über den Zweck der Erhaltung hinausgehen;
- Die Behebung ernster Schäden des Hauses in einem Eigentumsobjekt;
- Die Bildung einer angemessenen Rücklage;
- Das Aufnehmen von Darlehen, um Erhaltungsmaßnahmen zu finanzieren, die nicht regelmäßig anfallen;
- Die angemessene Versicherung der Liegenschaft;
- Bestellung und Kündigung des/der Verwalter:in;
- Die Bestellung und Abberufung des/der Eigentümervertreter:in;
- Die Erlassung und Änderung einer Hausordnung;
- Das Vermieten und Kündigen allgemeiner Teile an Personen, die keine Wohnungseigentümer:innen sind;
- Das Erstellen und Aufbewahren des Energieausweises.
Folgende Maßnahmen zählen zur außerordentlichen Verwaltung, können aber mit Mehrheitsbeschluss beschlossen werden:
- Nützliche Verbesserungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft
- Sonstige über die Erhaltung hinausgehende Veränderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, sofern diese über die ordentliche Verwaltung hinausgehen.
Zählt eine Maßnahme nicht zur ordentlichen Verwaltung und auch nicht zu den Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung, für die ein Mehrheitsbeschluss ausreicht, dann kann diese nur einstimmig beschlossen werden.
Wann kann ein Beschluss der Wohnungseigentümer:innen angefochten werden?
Wohnungseigentümer:innen können Beschlüsse mit einem Antrag gegen die übrigen Wohnungseigentümer:innen beim Bezirksgericht innerhalb eines Monats anfechten. Als Grund für die Anfechtung können folgende Mängel angegeben werden:
- Formelle Mängel
- Gesetzwidrigkeit
- Fehlen der erforderlichen Mehrheit
Wird eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung mit Mehrheitsbeschluss beschlossen, dann kann der Beschluss zusätzlich drei Monate lang angefochten werden, wenn ein/e Wohnungseigentümer:in übermäßig beeinträchtigt wird, oder die Kosten der Veränderung unter Berücksichtigung der in absehbarer Zeit anfallenden Erhaltungsmaßnahmen nicht aus der Rücklage gedeckt werden können.
Die Frist verlängert sich auf sechs Monate, wenn der/die anfechtende Wohnungseigentümer:in nicht ordnungsgemäß verständigt wurde. Die Anfechtung wird keinen Erfolg haben, wenn die zustimmende Mehrheit die Kosten trägt oder die Maßnahme bei fehlender Kostendeckung allen Wohnungseigentümer:innen zum eindeutigen Vorteil gereicht.
Die Fristen für die Anfechtung beginnen mit dem Aushang des Beschlusses im Haus zu laufen.
Absolut nichtige Beschlüsse
Bei besonders schlimmen Verstößen gegen die Rechtsordnung können sich die Wohnungseigentümer:innen unbegrenzt lange gegen einen „Beschluss“ wehren.
Es gibt Fälle einer „absoluten Nichtigkeit“ eines Beschlusses wegen eines besonders krassen Verstoßes gegen die österreichische Rechtsordnung oder gegen die Grundsätze des Wohnungseigentumsrechts.
Ein Beispiel vom Obersten Gerichtshof (5 Ob 164/02g): Ein (nur) von der Mehrheit der Wohnungseigentümer:innen gefasster Beschluss, wonach künftig die Erhaltung der Wohnungsfenster und Balkontüren in die Eigenverantwortlichkeit und Eigenerhaltung des/der jeweiligen Wohnungseigentümer:in zu übernehmen ist, ist unwirksam.
Eine „Anfechtung“ dieses nichtigen Beschlusses ist an keine Frist gebunden.
Immer wieder werden „Beschlüsse“ mit Mehrheit in solchen Angelegenheiten gefasst, in denen das Gesetz ausdrücklich etwas anderes (z.B. eine einstimmige schriftliche Vereinbarung) vorschreibt. In der Regel sind solche Beschlüsse nichtig. Gemäß der Rechtsprechung können absolut nichtige Beschlüsse zur Rechtssicherheit auch unbegrenzt „angefochten“ werden.
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