
Fehlinformationen (Un-)Rechtmäßigkeit von Wertsicherungsklauseln
In verschiedenen Medien wurde in den vergangenen Tagen darüber berichtet, dass hunderttausende Wertsicherungsvereinbarungen in Mietverträgen rechtswidrig seien. Der einzige Grund dafür: Im Mietvertrag findet sich kein Satz, wonach die Miete innerhalb der ersten beiden Monate nicht erhöht werden darf. Diese Auskunft ist irreführend und falsch!
Bestimmungen Konsumentenschutzgesetz
Tatsächlich gibt es im Konsumentenschutzgesetz seit 1979 eine Bestimmung (§ 6 Absatz 2 Ziffer 4), wonach Vereinbarungen rechtswidrig sind, wenn sie den Unternehmerinnen und Unternehmern erlauben, innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss den Preis für ihre Leistung anzuheben.
Das gilt unter der Voraussetzung, dass eine solche Anhebung nicht ausdrücklich mit den betroffenen Verbraucher:innen ausgehandelt wurde. Diese Bestimmung dient dem Schutz von Verbraucher:innen, die ein berechtigtes Interesse daran haben, sich (zumindest!) zwei Monate darauf verlassen zu können, nicht plötzlich unerwartet mehr bezahlen zu müssen, als ursprünglich vereinbart. Gleichzeitig ist es Unternehmer:innen durchaus zuzumuten, den zugesagten Preis zumindest für zwei Monate zu garantieren. Das gilt auch für Mietverträge.
Erfolge der AK
Die Arbeiterkammer hat mehrere Verfahren gegen gewerbliche Vermieter:innen geführt, deren Mietverträge eine Erhöhung tatsächlich bereits in den ersten beiden Monate zuließen. Der Oberste Gerichtshof ist in diesen Verfahren der rechtlichen Argumentation der Arbeiterkammer gefolgt und hat erstmals 2023 ausgesprochen, dass Vereinbarungen, die eine Anhebung des Mietzinses tatsächlich bereits in den ersten beiden Monaten ermöglichen, gegen das Konsumentenschutzgesetz verstoßen.
Allerdings sind Wertsicherungsvereinbarungen nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil eine Anhebung innerhalb der ersten beiden Monate im Vertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Wenn zum Beispiel ein Mietvertrag vorsieht, dass sich die Miete jährlich am ersten Jänner entsprechend der Inflation verändert, verstößt er nicht gegen die genannte Bestimmung das Konsumentenschutzgesetz, wenn der Vertrag zwischen Jänner und Oktober abgeschlossen wurde. In diesem Fall wäre eine Anhebung gemäß dem Vertrag in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss schlicht nicht möglich.
Mieten im Altbau
Auch bei vielen Mietverträgen im Altbau ist vorgesehen, dass sich die konkret vereinbarte Miete immer mit den sogenannten Richtwertsprüngen ändern. Diese Richtwertsprünge erlauben frühestens im Mai eines Jahres die Anhebung des Mietzinses. Solche Vereinbarungen sind daher betreffend einen Verstoß gegen die „2-Monats Regel“ für jene Vertragsverhältnisse unproblematisch, die zwischen Mai und Februar abgeschlossen wurden.Verboten sind ja Vereinbarungen, die den Vermieter:innen die Möglichkeit geben, die Miete tatsächlich bereits in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss anzuheben.
Aktuelles Urteil des Verfassungsgerichtshofs
Das aktuelle Urteil des Verfassungsgerichtshofs trifft keine Aussage darüber, ob Wertsicherungsvereinbarungen in Mietverträgen rechtswidrig sind!
Im aktuell viel besprochenen Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) wurde nicht darüber entschieden, ob bestimmte Wertsicherungsvereinbarungen in Mietverträgen rechtswidrig sind. Inhalt des Verfahrens waren die Anträge zweier Vermieter:innen, bestimmte gesetzliche Bestimmungen wegen behaupteter Verstöße gegen das Verfassungsrecht aufzuheben. Konkret ging es um die Aufhebung folgender gesetzlicher Bestimmungen:
- Die Bestimmung des Konsumentenschutzgesetzes, nach der Wertsicherungsvereinbarungen eine Anhebung innerhalb der ersten beiden Monate nicht zulassen dürfen, sofern das nicht individuell vereinbart wurde
und
- Eine Bestimmung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, nach der Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern rechtswidrig sind, wenn sie gröblich benachteiligend sind.
Der Verfassungsgerichtshof wies die Anträge der Vermieter:innen ab, weil die beanstandeten Bestimmungen nicht gegen das Verfassungsrecht verstoßen. Daraus lässt sich aber keine Aussage darüber treffen, ob eine bestimmte Wertsicherungsvereinbarung rechtswidrig ist.
Das VfGH-Erkenntnis im Ergebnis lautet also: Die „Konsumentenschutzbestimmungen“ § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und§ 879 Abs 3 ABGB sind NICHT verfassungswidrig.
Das hat unmittelbar nur folgende Konsequenzen:
Wie schon bisher dürfen die Zivilgerichte bei der Beurteilung von Verträgen,
- ob Wertsicherungsvereinbarungen (oder auch andere Vereinbarungen) unwirksam sind oder nicht,
- die gesetzlichen Bestimmungen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB weiterhin anwenden.
Für die Beurteilung von Verträgen und für bereits anhängige Gerichtsverfahren hat sich also nichts geändert.
- Ob Wertsicherungsklauseln im Mietvertrag ungültig sind oder nicht,
- ob man Teile der Miete zurückfordern kann oder nicht, hängt NICHT von dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ab, sondern von den individuellen Entscheidungen der jeweiligen Gerichte, die die verschiedenen Einzelfälle beurteilen.
Welche Vereinbarungen sind rechtswidrig?
Die AK hat in den vergangenen Jahren sogenannte Verbandsverfahren geführt, die nahelegen, dass eine Rechtswidrigkeit vorliegen kann, wenn
- Eine Wertsicherungsvereinbarung eine Erhöhung des Entgeltes bereits in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss zulässt
- Eine Wertsicherungsvereinbarung Erhöhungen des Entgeltes vorsieht, Senkungen aber ausschließt
- Eine Wertsicherungsvereinbarung vordatiert ist, wodurch die erste Anhebung der Miete die Inflation aus der Zeit vor dem Mietvertragsabschluss miteinschließt
- Eine Wertsicherungsvereinbarung intransparent formuliert wurde
- Eine Wertsicherungsvereinbarung auf einen sachlich nicht gerechtfertigten Index abstellt
Die bisher ergangenen Entscheidungen betreffen Verfahren, in denen die AK als Klägerin aufgetreten ist und in denen die Gerichte einen besonders strengen Prüfmaßstab anwenden. Um zu klären, aufgrund welcher Vereinbarungen auch Privatpersonen bisher geleistete Mietzinsanhebungen zurückfordern können, führt die Arbeiterkammer bereits mehrere Musterverfahren. Eine abschließende Auskunft darüber, welche Vereinbarungen rechtswidrig sind, ist erst nach Abschluss dieser Verfahren möglich. Für dieses Jahr ist leider nicht mit einer abschließenden Klärung zu rechnen.
Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir aufgrund der bereits laufenden Verfahren keine weiteren Musterverfahren übernehmen können.
Sanktionen bei Verstößen
In den vergangenen Tagen wurde von Seiten der Vermieter:innen behauptet, dass es unbillig wäre, wenn Mietzins-Anhebungen aus der Vergangenheit zurückbezahlt werden müssen und zukünftig auch keine Anhebungen mehr vorgenommen werden dürfen. Es rechne niemand damit, dass der Mietzins bei Mietverhältnissen über viele Jahre gleichbleibe. Das ist aus juristischer Sicht eine Themenverfehlung!
Die aktuelle Diskussion über Wertsicherungsvereinbarungen betrifft nicht die Frage, ob das Gesetz Vermieter:innen erlaubt, den vereinbarten Mietzins wertzusichern. Es besteht kein Zweifel daran, dass Vermieter:innen, die sich rechtskonform verhalten, eine vereinbarte Wertsicherung auch vornehmen dürfen. Vielmehr geht es um die Frage, ob es Sanktionen für Unternehmer:innen geben soll, die gegen das Gesetz verstoßen, indem sie rechtswidrige Vertragsformulare verwenden. Darauf gibt es nur eine Antwort: JA!
Wer sich nicht an das Gesetz hält, der muss auch mit Sanktionen leben. Das gilt für Mieter:innen wie für Vermieter:innen.
Forderungen an die Regierung
Vermieter:innen haben in den letzten Jahren deutliche Übergewinne gemacht! Die Bundesregierung ist nun am Zug, zukünftige Mietzinsanhebungen zu begrenzen!
Allein zwischen Anfang 2022 und Mitte 2023 sind die Kategoriemieten um satte 24 % gestiegen. Die Richtwertmieten stiegen im gleichen Zeitraum um knapp 15 %. Über alle Mietbereiche hinweg konnten in den Vergangenen Jahren massive Preisanstiege beobachtet werden. Die außer Kontrolle geratene Inflation der letzten Jahre hat Vermieter:innen satte Gewinne beschert. Oft werden die Mietanhebungen der letzten Jahre damit begründet, dass sich auch die Erhaltungskosten entsprechend erhöht hätten. Eine solche Argumentation ist unseriös. Schließlich fließt nur ein kleiner Teil der Mietzinseinnahmen in die Erhaltung. So kommen gemeinnützige Bauträger:innen, die viel umfangreichere Erhaltungspflichten treffen, als das bei privaten Vermieter:innen der Fall ist, mit höchstens 2,33 Euro pro m² und Monat an Erhaltungskosten aus.
Vermietung ist keine Form des Arbeitseinkommens. Ein gleichsam „natürlicher“ Anspruch darauf, die Mieten im Ausmaß der vollen Inflation anzuheben, ist nicht sachgerecht. Es wäre auch nicht zu rechtfertigen, wenn Vermieter:innen von einer durch das Marktversagen auf den Energiemärkten getriebenen Inflation profitieren. Die Bundesregierung ist daher dringend angehalten, die im Regierungsprogramm vorgesehene Mietpreisbremse umzusetzen und zukünftig dafür zu sorgen, dass Vermieter:innen nur noch angemessene Preisanpassungen vornehmen können.
AK bietet telefonische Erstberatung an
Wenn Sie Fragen zu Ihrer Wertsicherungsvereinbarung haben, können Sie diese gerne telefonisch mit unserer Wohnrechtshotline klären. Diese erreichen Sie von Montag bis Freitag zwischen 8 und 12 Uhr sowie am Dienstag zusätzlich zwischen 15 und 18 Uhr unter 01 501 65 1345.
Bitte halten Sie zur Klärung Ihren Mietvertrag bereit und suchen Sie die Wertsicherungsvereinbarung vorab heraus. Wir informieren telefonisch zur aktuellen Rechtslage.
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