Achtung: Unklare Infos zur Rückforderung von Betriebskosten im Umlauf

Online wurde zuletzt viel damit geworben, dass Mieterinnen und Mieter ihre Betriebskosten aufgrund einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zurückfordern können. Nicht alle online verbreiteten Informationen sind richtig! Wir klären unabhängig und seriös auf.

Achtung!

Die Arbeiterkammer Wien führt keine Verfahren zur Rückforderung von Betriebskosten!

Im Rahmen unserer telefonischen Erstberatung können Sie uns gerne vorlesen, welche Bestimmungen Ihr Mietvertrag über Betriebskosten enthält. Sie erhalten von uns eine erste Einschätzung. Eine abschließende Beurteilung können wir im Rahmen unserer telefonischen Erstberatung nicht vornehmen. Eine abschließende Beurteilung wird seitens der AK daher nicht angeboten.

Rückforderung ist nur in Ausnahmefällen zulässig!

Haben Sie online die Information erhalten, dass Sie aufgrund einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus 2024 (10 Ob 54/24z) alle bisher von Ihnen bezahlten Betriebskosten zurückfordern könnten?

Das ist in dieser Allgemeinheit mit Sicherheit nicht richtig!

Vielmehr gibt es einige strenge Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Sie ihre bezahlten Betriebskosten zurückfordern können.

 

Vertragliche Vereinbarung vs. gesetzlicher Betriebskostentermin

Insbesondere dort, wo die Betriebskosten bereits im Gesetz abschließend geregelt sind, stehen die Chancen für eine Rückforderung aller Betriebskosten nach unserer Rechtsansicht schlecht. Welche Mietverträge das sind, erfahren Sie gleich. 

Nur dort, wo die von der Mieterin oder dem Mieter zu tragenden Betriebskosten nicht abschließend geregelt sind, sondern vertraglich vereinbart werden müssen, sehen wir Erfolgsaussichten, tatsächlich die gesamten Betriebskosten zurückzufordern. Auch hier müssen aber mehrere Voraussetzungen erfüllt sein.

Geringe Erfolgsaussichten in folgenden Fällen

Für folgende Mietverhältnisse sind die Betriebskosten im Gesetz abschließend geregelt

Gesetzliche Regelungen über die Betriebskosten gibt es für den Großteil aller Mietverhältnisse. Hier stehen die Chancen für eine vollständige Rückforderung nach unserer Rechtsansicht schlecht: 

  • Altbauten mit Baubewilligung vor dem 08.05.1945, wenn sie im Wohnungseigentum stehen
  • Altbauten mit Baubewilligung vor dem 30.06.1953, wenn sie nicht im Wohnungseigentum stehen
  • Wohnungen gemeinnütziger Bauvereinigungen (Genossenschaftswohnungen; siehe unten für genauere Informationen)
  • Wohnungen in Gebäuden, die mit Fördermitteln errichtet wurden und nicht im Wohnungseigentum stehen
  • Wohnungen in Gebäuden, in denen der Vermieter für irgendein vor dem 01.03.1994 abgeschlossenes Mietverhältnis auf den Mindestmietzins (§ 45 Mietrechtsgesetz) angehoben hat

Für Gemeindewohnungen sind die Erfolgsaussichten in folgenden Fällen gering: 

  • Wenn die Baubewilligung für das Haus vor dem 30.06.1953 erteilt wurde (Altbau)
  • Wenn für die Errichtung des Gemeindebaus Wohnbaufördermittel verwendet wurden
  • Wenn der Gemeindebau zwar nach dem 30.06.1953 ohne Wohnbaufördermittel errichtet wurde, aber gegenüber irgendeinem Mieter im Haus, dessen Mietvertrag bereits vor dem 01.03.1994 abgeschlossen wurde, die Miete auf den Mindestmistzins (§ 45 Mietrechtsgesetz) angehoben wurde

Für die meisten Gemeindewohnungen sind daher die Voraussetzungen für eine vollständige Rückforderung aller geleisteten Betriebskosten nach unserer Rechtsansicht nicht gegeben.

Für Genossenschaftswohnungen (Wohnungen gemeinnütziger Bauvereinigungen) sind die Erfolgsaussichten in folgenden Fällen gering: 

  • Wenn die Wohnung in einem Gebäude liegt, das von einer gemeinnützigen Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet wurde.
  • Wenn das Haus zwar nicht von einer gemeinnützigen Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet wurde, aber von einer solchen zum Zweck der Sanierung in größerem Umfang gekauft wurde und
    • zum Kaufzeitpunkt keine Mietverträge aufrecht waren;
    • Ihr Mietvertrag nach dem Erwerb durch die gemeinnützige Bauträgerin abgeschlossen wurde;
    • Sie nach schriftlicher, verständlicher Information über die Rechtsfolgen zugestimmt haben, dass Ihr Mietverhältnis zukünftig den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes unterliegt.

Für die meisten Genossenschaftswohnungen sind die Voraussetzungen für eine Rückforderung nach unserer Rechtsansicht nicht gegeben.

Achtung!

Auch bei den genannten hier angeführten Mietverhältnissen besteht nach unserer Rechtsansicht die Möglichkeit, die Prämien von auf Mieter:innen überwälzten Versicherungsprämien (z.B. Glasbruch- und Sturmschadenversicherung, nicht aber Feuer- und Haftpflichtversicherung) zurückzufordern, wenn die Vereinbarung der Überwälzung intransparent formuliert wurde, der Vermieter oder die Vermieterin Unternehmer:in ist und Sie Verbraucher:in sind.

 

Gute Erfolgsaussichten unter folgenden Voraussetzungen

Gute Erfolgsaussichten bestehen unserer Einschätzung nach, wenn kein gesetzlicher Betriebskostenbegriff besteht, also unter folgenden Voraussetzungen: 

  • Sie wohnen in einem Gebäude mit Baubewilligung nach dem 08.05.1945 das im Wohnungseigentum steht

    ODER
  • Sie wohnen in einem Gebäude mit Baubewilligung nach dem 30.06.1953, das ohne Fördermittel errichtet wurde und nicht im Wohnungseigentum steht

    ODER
  • Sie wohnen in einem Dachgeschoßausbau mit Baubewilligung ab 2002

    ODER
  • Sie wohnen in einem Zubau mit Baubewilligung nach dem 30.09.2006

    UND 
  • Sie haben den Mietvertrag als Verbraucherin oder Verbraucher abgeschlossen

    UND
  • Ihr Vermieter ist Unternehmer

    UND
  • In Ihrem Mietvertrag sind die von Ihnen zu zahlenden Betriebskosten nur beispielhaft aufgezählt (Verwendung von Worten wie „insbesondere“, „jedenfalls“, „zB“ oder zumindest).

Wenn Sie alle diese Voraussetzungen erfüllen, dann bestehen gute Chancen, dass Sie alle oder einige der von Ihnen bezahlten Betriebskosten zurückfordern können.

Vorsicht bei Befristung

Solle Ihr Mietvertrag befristet sein, dann wird ihre Vermieterin oder Ihr Vermieter den Vertrag voraussichtlich nicht verlängern, wenn Sie die Betriebskosten zurückfordern. Die Arbeiterkammer macht sich deshalb regelmäßig gegen die Befristung von Mietverträgen stark, weil Ihnen solche Verträge Ihre Rechte nehmen.

Aufgepasst bei Prozessfinanzierern! 

Aktuell wird die Rückforderung von Betriebskosten von Prozessfinanzierern massiv beworben. Dabei ist es wichtig, dass Sie Ihre Rechte kennen! 

Prozessfinanzierer nehmen Ihnen das Risiko ab, bei negativem Ausgang eines Gerichtsverfahrens die Gerichtskosten bezahlen zu müssen. Im Gegenzug verlangen Prozessfinanzierer von Ihnen einen großen Teil jenes Betrages, den Sie erhalten, wenn Sie das Verfahren gewinnen. Jene Beträge, die Prozessfinanzierer von Ihnen bei positivem Verfahrensausgang verlangen, variieren von Prozessfinanzierer zu Prozessfinanzierer. Es lohnt sich deshalb die Angebote auf dem Markt genau zu vergleichen. 

Beachten Sie, dass Prozessfinanzierer meist jene Verfahren übernehmen, bei denen sie von guten Erfolgsaussichten ausgehen. Oft ist es in solchen Fällen aber sinnvoller, selbst eine Anwältin oder einen Anwalt zu beauftragen, weil ohnehin davon auszugehen ist, dass Sie das Verfahren gewinnen werden. In diesem Fall müssen Sie zwar die Kosten des Verfahrens vorstrecken und haben das Risiko, auch die gegnerischen Verfahrenskosten zu tragen, dafür erhalten Sie bei positivem Verfahrensausgang aber auch wirklich die gesamten Verfahrenskosten zurück.

HInWEIS: Rücktritt vom Vertrag mit einem Prozessfinanzierer

Wenn Sie von einem Vertreter eines Prozessfinanzierers unaufgefordert zuhause aufgesucht wurden und mit diesem einen Vertrag abgeschlossen haben, dann können Sie in der Regel binnen 14 Tagen von diesem Vertrag zurücktreten. Das gilt auch für Verträge, die ausschließlich online abgeschlossen wurden. Musterbriefe dazu finden Sie hier!

Bei folgenden Fragen kann die AK Sie unterstützen:

Wenn Sie eine telefonische Ersteinschätzung zu Ihrer Betriebskostenvereinbarung wünschen, dann steht Ihnen unsere telefonische Wohnrechtsberatung gerne zur Verfügung. Halten Sie dafür die Betriebskostenvereinbarung Ihres Mietvertrages bereit.

Unsere Wohnrechtshotline erreichen Sie unter 01 501 65 1345 zwischen Montag und Freitag von 8 bis 12 Uhr und Dienstags zusätzlich von 15 bis 18 Uhr.

Bitte beachten Sie, dass wir im Rahmen der telefonischen Erstberatung keine abschließende Einschätzung Ihres Mietvertrages vornehmen können und seitens der Arbeiterkammer Wien keine Rückforderung von Betriebskosten vorgenommen wird. 

Downloads

Kontakt

Kontakt

 

Das könnte Sie auch interessieren

Frau sitzt vor Laptop und liest einen Vertrag

Betriebskosten-Wirrwarr: AK fordert Klarheit

Bei den Betriebskosten herrscht ein rechtlicher Wirrwarr. Es gibt keine einheitliche gesetzliche Definition. Die AK will hier Klarheit!

Be­triebs­kost­en

Was sind eigentlich Betriebskosten? In unterschiedlichen Mietverhältnissen kann unter Betriebskosten auch unterschiedliches verstanden werden.

Bausparen lohnt sich mangels Alternativen immer noch

Beratungsstellen für Fragen zum Wohnrecht

Die Betriebskosten kommen Ihnen zu hoch vor oder der Vermieter will die Kaution nicht zurückzahlen? Hier bekommen Sie Auskünfte.