Bauarbeiter
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15.5.2023

Hartnäckig im Kampf um einen fairen Wettbewerb

Österreich ist aufgrund seines hohen Lohnniveaus und seiner geografischen Lage als Arbeitsland für Einpendler:innen und entsendete Personen besonders beliebt. Das zeigt eine Studie anlässlich 30 Jahre EU-Binnenmarkt. Im Zuge eines Pressegespräches präsentieren AK-Präsidentin Renate Anderl und Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender Gewerkschaft Bau-Holz, die wichtigsten Daten und Fakten:

Schattenseiten der Personenfreizügigkeit 

In der Studie wurden die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Entwicklung des Lohn- und Sozialdumpings in Österreich untersucht. Diese Zahl der sogenannten Einpendler:innen hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht. Entsendungen, also Personen, die im Auftrag eines ausländischen Unternehmens in Österreich arbeiten, haben sich sogar verfünffacht auf insgesamt 221.000.

Österreich ist von diesen Entsendungen im EU-Vergleich besonders stark betroffen: Im zehn Mal so großen Deutschland gibt es nur etwa doppelt so viele Entsendungen wie in Österreich. Menschen, die entsendet werden oder aus anderen Gründen aus dem Ausland nach Österreich kommen, um hier zu arbeiten, leisten wertvolle Arbeit; aber nicht immer wird diese Arbeit gerecht entlohnt.

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Die Studie bestätigt, dass es dabei oft zu Lohndumping kommt und Sozialabgaben nicht ordnungsgemäß bezahlt werden. Denn während die Zahl der grenzüberschreitend Beschäftigten wächst, werden die rechtlichen Grundlagen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ausgehöhlt.

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Die gesamte Presseunterlage können Sie hier downloaden

Vor allem Firmen aus Slowenien im Baubereich sind hier negativ aufgefallen. „Das 30-Jahre-Binnenmarkt-Jubiläum zeigt, wie stark in Europa die Interessen der Unternehmen im Vordergrund stehen und wie häufig Wettbewerb unfair geführt wird – auf Kosten der arbeitenden Menschen, des Sozialstaats und all jener Unternehmen, die sich an die Regeln halten“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl.

Sieg in Brüssel – Aus für slowenische „Bautricks“ 

Wie mühsam der Kampf um einen fairen Wettbewerb ist, zeigt ein Beispiel. Jahrelang kämpfte die GBH gegen die „Entsende-Tricks“ Sloweniens, die auf österreichischen Baustellen zu unfairem Wettbewerb und Sozialdumping führten. „Nun waren wir erfolgreich, Slowenien schafft den „Entsendebonus“ ab“, sagt Muchitsch. Österreich ist – wie auch die Studie zeigt – im Bausektor Top-Zielland für Entsendeunternehmen aus Slowenien.

Das ist nicht zuletzt auf unfaire „Entsendetricks“ zurückzuführen. Slowenien erlaubte nämlich für entsendete Beschäftigte niedrigere Sozialversicherungsbeiträge. Das bedeutet, dass slowenische Entsendefirmen auf österreichischen Baustellen bei den Lohnnebenkosten billiger anbieten konnten als österreichische Firmen – und zwar deutlich:

Die Arbeiterkammer hat errechnet, dass ein österreichischer Arbeitgeber für einen Facharbeiter auf der Baustelle einen Sozialversicherungsbeitrag von 643,41 Euro monatlich abzuführen hat, während dieser Beitrag für ein slowenisches Entsendeunternehmen bei lediglich 190,26 Euro lag. Für z.B. 50 Facharbeiter, die fünf Monate lang auf einer Baustelle im Einsatz sind, brachte dieser „Entsendetrick“ einem slowenischen Entsendeunternehmen allein eine Ersparnis von 113.287 Euro. 

Die Mehrheit dieser von Slowenien entsendeten Arbeitnehmer:innen stammt übrigens nicht einmal aus Slowenien, sondern kommt aus Drittstaaten, vor allem aus Bosnien. Das alles ist unlauterer Wettbewerb, gegen den die GBH und ihre Mitstreiter schon seit 2019 in Brüssel ankämpfen. 

Die Hartnäckigkeit hat sich nun bezahlt gemacht. Muchitsch: „Die EU-Wettbewerbsbehörde in Brüssel hat eingelenkt und Slowenien davon überzeugt, diesen `Sozialversicherungs-Entsendebonus´ mit 1. Jänner 2024 abzuschaffen. Die Beschlüsse dazu im slowenischen Parlament sind bereits im April erfolgt. Von diesem Erfolg profitieren nicht nur die entsendeten ArbeitnehmerInnen, sondern auch die heimischen Unternehmen mit ihren Beschäftigten durch einen faireren Wettbewerb. Ein wirklich toller Erfolg!“

Welche Maßnahmen braucht es, damit der Wettbewerb fairer wird? 

Damit der Wettbewerb nicht auf Kosten der Beschäftigten geht, fordern AK und Gewerkschaft Bau-Holz: 

Neuausrichtung der EU-Politik

Im Mittelpunkt der EU-Politik haben nicht die Interessen der Unternehmen, sondern die der breiten Bevölkerung, insbesondere in ihren Rollen als Arbeitnehmer:innen und Verbraucher:innen, im Mittelpunkt zu stehen. Wichtig sind dabei die Steigerung des Wohlstands, die Sicherung der Versorgung der Arbeitnehmer:innen und Verbraucher:innen und die sozial-ökologische Transformation sowie der digitale Wandel.

Anstelle eines Kampfes um die niedrigsten Standards und Arbeitskosten sind die Rechtsordnungen in wichtigen Bereichen wie Klimaschutz oder Arbeitsrecht auf hohem Schutzniveau anzugleichen. Initiativen zum Abbau von Schutzstandards sind zu beenden.

Es muss der Europäische Pakt für sozialen Fortschritt beziehungsweise das soziale Fortschrittsprotokoll endlich umgesetzt werden. Damit würde nämlich eine Klarstellung erfolgen, dass die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im EU-Recht entsprechend gewürdigt werden.  

Wirksame Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten

Um Lohn- und Sozialdumping wirksam zu bekämpfen, muss die Europäische Arbeitsbehörde effektiv dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten zu verbessern. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass Verwaltungsstrafen bei Lohn- und Sozialdumping auch grenzüberschreitend vollstreckt werden.  

Verstärkte Kontrollen

Zu einer wirksamen Bekämpfung von Lohndumping ist die Aufstockung der Kontrollbehörden notwendig. Insbesondere die Finanzpolizei muss von derzeit unter 400 auf zumindest 1.000 MitarbeiterInnen massiv aufgestockt werden, um Lohndumping bei den zunehmenden Entsendungen wirksam zu bekämpfen. Während die Zahl der grenzüberschreitenden Entsendungen sich seit 2011 vervielfacht hat, ist die Zahl der Kontrollorgane nämlich annähernd gleichgeblieben bzw wurde diese sogar reduziert! 

Erhöhung der Strafen

2021 kam es durch eine Gesetzesänderung zu einer starken Reduktion der Strafrahmen. Die Strafen sind daher in vielen Fällen nicht abschreckend und sind zum Teil niedriger als der Betrag, den sich die unseriösen Unternehmen in dem konkreten Fall ersparen. Da diese Unternehmen nur selten erwischt werden, ist der Anreiz sich durch Lohndumping einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen relativ hoch. 

Auch der Teil der Nichtbereithaltung von Unterlagen und die Kontrollvereitelungen an den Strafen ist sehr hoch. Auch hier ist offensichtlich, dass der Strafrahmen viel zu niedrig ist. 

Beschränkung der Subunternehmerketten

Subunternehmerketten sind im Baubereich, aber auch im Bereich der Paketzusteller häufig und sie sind leider ein idealer Nährboden für Schwarzarbeit, Lohndumping und Sozialbetrug. Im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe sollten daher die Subunternehmerketten von vornherein beschränkt werden.  

Haftung des Erstauftraggebers

Die derzeitigen Regelungen der Auftraggeberhaftung für die Löhne gelten nur punktuell, wie etwa in der öffentlichen Beschaffung oder bei grenzüberschreitenden entsendeten ArbeitnehmerInnen am Bau. Die se Haftungen erfassen auch nur den unmittelbaren Auftraggeber oder die unmittelbare Auftragggeberin  des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin. So kann zB der Lohn eines Bauarbeiters, der in der Kette beim vierten Subunternehmen beschäftigt ist und nicht entlohnt wird, nicht direkt vom Generalunternehmen, also jenem Unternehmen am obersten Ende, eingefordert werden. 

Viel wirksamer wären jedoch Maßnahmen am oberen Ende der Wertschöpfungskette. Erforderlich ist daher eine Auftraggeberhaftung im Sinne einer echten Kettenhaftung. Diese setzt an der Spitze an: Hauptauftraggeber haftet für offene Löhne in der gesamten Subunternehmerkette.  

Eine solche Auftraggeberhaftung als echte Kettenhaftung würde bei den existierenden Missständen ansetzen und letztlich jene Unternehmen, die die stärkste Marktmacht haben und die höchsten Gewinne erzielen, zur Verantwortung ziehen. Sie würde präventiv Wirkung entfalten, da die verantwortlichen Unternehmen ihre Subunternehmen sorgfältiger auswählen oder die Weitergabe in der Kette sogar beschränken würden, wenn sie damit rechnen müssten, dass sie innerhalb der gesamten Subunternehmerkette die volle Haftung für sämtliche Verstöße treffen würde.  

„Fairer Wettbewerb nützt allen etwas – den Unternehmen, die sich an die Regeln halten, dem Sozialstaat und den arbeitenden Menschen, daher werden wir im Kampf für mehr Gerechtigkeit weiter hartnäckig bleiben“, sagen Anderl und Muchitsch. 

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