AK Europa Event: Webinar zum Digital Services Act, Oktober 2020
Podiumsdiskussion: "Digitale Dienste & Plattform-Wirtschaft - Auswirkungen auf Städte, Arbeitnehmer:innen und Verbraucher:innen"
Einleitung: Alice Wagner, AK EUROPA
Studienpräsentation: Kenneth Haar, Corporate Europe Observatory
Position der Kommission: Werner Stengg, Kabinett der Exekutiv-Vizepräsidentin Vestager
Beiträge aus Sicht der Arbeitnehmer:innen, Städte und Verbraucher:innen:
Isabelle Schömann, Europäischer Gewerkschaftsbund
Robert Walasinski, Österreichischer Gewerkschaftsbund
Klemens Himpele, Stadt Wien
Heidrun Maier-de Kruijff, Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft
Maryant Fernandez, Europäischer Verbraucher*innenverband, BEUC
Moderation: Michaela Kauer, AK Wien Büro-Brüssel
Hintergrund
Für 2. Dezember hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für einen Rechtsakt zu digitalen Diensten sowie einen zweiten Rechtsakt zu digitalen Märkten angekündigt. Aus Sicht der AK sind neue Regeln für Plattformen von großer Bedeutung, da die aktuellen Rechtsnormen zum Teil bereits vor rund 20 Jahren verabschiedet wurden und aus beschäftigungspolitischer, sozialer, konsumentenschutzrechtlicher, steuerlicher und wettbewerbspolitischer Sicht bei Weitem unzureichend sind.
Zentrale Statements im Rahmen der Online-Veranstaltung
Kenneth Haar, Corporate Europe Observatory (CEO), stellte eingangs die im Auftrag von CEO und AK verfasste Studie „Über-influential? How the gig-economy’s lobbyists undermine social and workers rights“ vor. Die Unternehmen Airbnb und Uber haben etwa ab 2016 ihre Lobbytätigkeiten in Brüssel aufgenommen, um über die europäische Ebene gegen „Hindernisse“ vorzugehen, denen sie auf nationaler Ebene begegneten: Im Fall von Airbnb sind dies insb. Einschränkungen und Registrierungspflichten der Städte sowie im Fall von Uber nationale Vorgaben zur Einhaltung des Arbeitsrechts und zur Registrierung. Wie die Studie zeigt, lobbyierten die großen Plattformen gegen neue EU-Regelungen und dafür, dass mithilfe der bestehenden europarechtlichen Regelungen und mithilfe von EU-Kommission und EuGH nationale Regulierungsversuche zurückgedrängt werden. Die mittlerweile 20 Jahre alte E-Commerce-Richtlinie gewährt den großen Plattformen einen privilegierten Status (Herkunftslandprinzip, keine Verpflichtung zu Kontrollen, Beschränkung der Haftung). Haar präsentierte auch neue Lobbying-Briefe der Plattformen zum angekündigten Digital Services Act (DSA) und äußerte die Befürchtung, dass der privilegierte Status der Plattformen auch durch den für 2. Dezember erwarteten Kommissionsvorschlag zum DSA nicht aufgehoben werde.
Diese pessimistische Einschätzung teilte Werner Stengg, Mitglied des Kabinetts von Margrethe Vestager, nicht. Er betonte, dass die Nutzung digitaler Technologien allen zugutekommen soll und Entwicklungen der Vergangenheit „korrigiert“ werden müssen. Mit den neuen Rechtsakten gehen es darum, die Risiken und Negativseiten digitaler Dienste zu bekämpfen: Die Rollen von Gatekeeper-Plattformen; Probleme mit gefährlichen, illegalen und gefälschten Produkten; Desinformation; Hass im Internet; die Perspektive der VerbraucherInnen und kleinen HändlerInnen seien einige Themen, die mit den neuen Rechtsakten besser reguliert werden sollen. Während sich der DSA vor allem mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Plattformökonomie, neuen Verpflichtungen der Plattformen und der Rechtsdurchsetzung auseinandersetzen soll, liege der Fokus des Digital Market Act (DMA) auf der Marktmacht der Plattformen. Dieser soll eine „blacklist“ mit untersagten Praktiken sowie eine lange „greylist“ mit künftig zu erfüllenden Anforderungen enthalten. Bezüglich der Arbeitsbedingungen von PlattformarbeiterInnen plane die Kommission, im vierten Quartal 2021 einen Vorschlag zu präsentieren. Weiters betonte Stengg, dass die Kommission an der Neuausrichtung des EU-Wettbewerbsrechts, an einem neuen Gesetz zu Künstlicher Intelligenz und an der Frage der fairen Besteuerung arbeite.
Isabelle Schömann, EGB, hielt Haars Einschätzung hingegen für durchaus realistisch. Lobbyarbeit und finanzielle Mittel, die hier von Seiten der Plattformen investiert werden, dürften nicht unterschätzt werden – das zeigen sich etwa aktuell am Beispiel des Lobbyings von Uber in Kalifornien. Schömann forderte die Kommission dazu auf, im Rahmen des DSA eine kohärente Lösung für die Kollektivverhandlungen der Freiberuflichen zu schaffen: Hier müsste eine klare Ausnahme für Kollektivverhandlungen vom EU- und nationalen Wettbewerbsrecht geschaffen werden. Problematisch sah Schömann, dass Plattformen bisher in einem rechtlichen Vakuum arbeiten. Plattformen erklären sich selbst zu Informationsdiensten und umgehen damit grundlegende arbeitsrechtliche Verpflichtungen und einen fairen Wettbewerb.
Über seine Erfahrung als Betriebsrat beim Lieferdienst Foodora berichtete Robert Walasinski (ÖGB). Nach der Gründung des Betriebsrates im Jahr 2016 hatten sich die Arbeitsbedingungen bei Foodora rasch verschlechtert. Die Löhne verringerten sich und die LieferantInnen wurden überwiegend als freie DienstnehmerInnen angestellt. Dieser Trend lasse sich in ganz Europa beobachten. Von Seiten der ArbeitgeberInnen werde argumentiert, dass eine größere Flexibilität nur bei einer Anstellung als freie DienstnehmerInnen möglich sei. Neben Nachteilen für die Beschäftigten – etwa fehlende Sonderzahlungen, kein Anrecht auf Krankenstand etc. – sei es auf Grund des Fehlens von Dienstverhältnissen auch für die Gewerkschaften schwieriger, sich für die Betroffenen einzusetzen.
Klemens Himpele (Stadt Wien) berichtete, dass man seitens der Stadt Wien bereits seit Jahren versuche, Online-Plattformen stärker zu regulieren. Ein zentrales Problem dabei sei die Unzugänglichkeit von Daten. Seit einer Änderung des Wiener Tourismusförderungsgesetztes 2016 seien Anbieter im Bereich der Kurzzeitvermietung eigentlich verpflichtet, der Stadt Wien die jeweiligen Daten dazu zu übermitteln. Ansonsten könne beispielsweise auch nicht überprüft werden, ob Gemeindebauwohnungen verbotenerweise vermietet werden. Es brauche hier die Möglichkeit, entsprechende Bestimmungen auch durchzusetzen zu können. Der größte Anbieter am Markt weigere sich hier aber nach wie vor.
Heidrun Maier-de-Krujiff (VöWG) wies darauf hin, dass in der aktuellen Coronakrise der Online-Marktplatz Amazon den höchsten Gewinn aller Zeiten erzielt hat, jedoch in Europa nicht entsprechend besteuert wird. Ohne die entsprechenden Steuereinnahmen fehlen Mittel, die dringend benötigt werden, um überlastete Gesundheitssysteme und die wirtschaftliche Erholung im Allgemeinen zu finanzieren. Die Besteuerung ist aber nicht das einzige, was Plattformgiganten besserstellt, da der Zugang zu angemessenen Daten erneut auf die Nachteile der traditionellen gegenüber der Online-Wirtschaft hinweist, wie dies zB bei traditionellen Hotels und Airbnb der Fall ist.
Maryant Fernandez Perez (BEUC) forderte abschließend, dass der DSA einen hohen Schutz für die KonsumentInnen garantieren müsse. Wichtig sei ein breiter Anwendungsbereich des Rechtsaktes; der DSA dürfe sich nicht nur auf freie Meinungsäußerung, die Bekämpfung von Urheberrechts-verletzungen oder Hassreden beschränken. Es brauche klare Haftungsregeln für Online-Marktplätze, umfassende Auflagen für die Plattformen sowie eine Stichprobenüberprüfung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Wichtig seien auch starke Aufsichts- und Durchsetzungsmechanismen.
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