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In der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion loteten Vertreter:innen aus Politik, Gewerkschaft, Klima-Aktivismus und Wissenschaft die Möglichkeiten von Zusammenarbeit und gemeinsam geführten Konflikten des Umbaus aus. Die Podiumsdiskussion können Sie hier in voller Länge nachschauen:
Der Ernst der Lage dürfte allen Beteiligten klar sein. Der Klimawandel stellt die Gesellschaft vor gigantische Aufgaben. Bewältigen lassen sich diese nur durch breite Bündnisse und gemeinsames Handeln. Dabei müssen soziale und ökologische Aspekte des notwendigen Umbaus zusammengeführt werden. Aus diesem Grund fand von 19. bis 21. April 2023 die Akademie für sozialen und ökologischen Umbau in Wien statt. Initiiert wurde die dreitägige Veranstaltung von Lukas Oberndorfer, der im Mai 2023 die Leitung der Abteilung Umwelt und Verkehr in der AK Wien übernommen hat.
150 Teilnehmer:innen aus 20 Organisationen trafen dort zusammen. Mit der Akademie wurden drei Gruppen zusammengeführt: die Arbeiter:innenbewegung (Arbeiterkammern, Gewerkschaften und Betriebsräte), die Klimabewegung und die Wissenschaft. Das Bündnis dieser drei Gruppen konnte sich im Rahmen der Akademie vernetzen und für den sozialen und ökologischen Umbau voneinander lernen.
Insgesamt fünf Fragen leiteten die Auseinandersetzung auf der Akademie an:
Eine zentrale Überzeugung der Akademie findet sich im Leitspruch der Veranstaltung wieder: Die Klimakrise abwehren und dabei das Leben der arbeitenden Menschen zu verbessern – Ja das geht!
Während die Veranstaltung zunächst der Vernetzung zwischen den Organisationen diente, öffnete die Akademie am zweiten Tag die Diskussion für ein breiteres Publikum. So fand am 20. April eine öffentliche Podiumsdiskussion im Bildungszentrum der AK Wien statt. Über die Maßnahmen für eine gerechte und klimafreundliche Welt sprachen dort Bundesministerin Leonore Gewessler; Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB; Lucia Steinwender, Klimaaktivistin und Sprecher:in von LobauBleibt und System Change not Climate Change und Klaus Dörre, Professor für Soziologie an der Universität Jena. Moderiert wurde die Diskussion von Lukas Oberndorfer, der den Podiumsgästen folgende Fragen stellte:
Bundesministerin Leonore Gewessler sprach vom sozialen und ökologischen Umbau als Querschnittsaufgabe, die nicht von einem Ministerium allein bewältigt werden kann. Dazu sei in den letzten drei Jahren zumindest ein Anfang gemacht worden. Die Transformation erzeuge aber große Reibung. Sie wünsche sich eine bessere Erzählung, die die Sorgen der Menschen aufgreift, aber ihnen auch Perspektiven aufzeigt, damit nicht die Bremser die Deutungshoheit behalten.
Ingrid Reischl setzte sich in den vergangenen Jahren dafür ein, dass der ÖGB im Mai 2023 ein Klimabüro eröffnet. Aus Sicht der Gewerkschaften benötige die Transformation aber einen klaren Plan, welcher nur von einem starken Staat vorgegeben werden könne. Zwar sei die geplante Bereitstellung von 5,7 Milliarden Euro im Just Transition Fund der österreichischen Regierung ein richtiger Schritt. Die Förderung müsse jedoch an soziale und ökologische Bedingungen geknüpft werden. Diese Aspekte seien bislang in der Regierungsstrategie vernachlässigt worden. Hier appellierte Reischl direkt an Ministerin Gewessler mit dem Anliegen, sich dafür in der Regierungskoalition einzusetzen, denn im Umbau darf niemand zurückgelassen werden.
Lucia Steinwender gab zu bedenken, dass notwendige Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise seit Jahrzehnten auf dem Tisch liegen, von einer klimaverträglichen Raumplanung bis hin zur Mobilitätswende. Die entscheidende Frage sei, warum diese Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Die Corona-Krise habe gezeigt, dass eigentlich vieles möglich ist. Warum könne jetzt beispielsweise kein Transformationskurzarbeitsgeld eingeführt werden, wie es die IG-Metall seit Jahren fordert? Kurzfristige Interessen der Menschen sollten nicht gegen langfristige ausgespielt werden. Dies könne nur gelingen, wenn Grundbedürfnisse gedeckt werden und das Wirtschaften der Marktlogik entzogen wird. Deswegen sei es nicht sinnvoll die erneuerbaren Energieformen erneut in die Hände von Konzernen mit Gewinnabsichten zu legen.
Klaus Dörre leitet derzeit ein DFG-Forschungsprojekt zu Eigentum, Ungleichheit und Klassenbildung in sozialökologischen Transformationskonflikten. Er verglich die Dimension des bevorstehenden Wandels mit der ersten industriellen Revolution. Nicht weniger als ein vollständiger stofflicher Umbau des vorherrschenden Produktions- und Wirtschaftsmodells sei nötig. Dabei betonte er die ungleiche Verteilung von Verursachung und Auswirkung der Klimakrise. Ein winziger Kreis von Milliardären verschärfe die ökologische Krise fortlaufend, während vor allem untere und mittlere Einkommensgruppen von den dramatischen Auswirkungen betroffen sind. Neben der demokratischen Umverteilung von Reichtum brauche es weiterhin die Verkürzung von Arbeitszeit in den fossilen Branchen sowie die Aufwertung von Care Arbeit.
Wir können es nur gemeinsam schaffen, betonte Leonore Gewessler. Auf die Kritik aus der Klimabewegung, dass Mitarbeiter:innen aus dem Klimaministerium zusammen mit fossilen Energiekonzernen an der Gaskonferenz Wien teilnahmen, entgegnete sie, dass es verschiedene Rollen in der Transformation gebe. So sei es auch die Rolle des Ministeriums auf Entscheidungsträger:innen in entsprechenden Unternehmen einzuwirken und auf einer Transformation der Geschäftsmodelle zu beharren. Es sei aber auch wichtig, dass die Klimabewegung Widerstand aufbaue. Diejenigen, die konstruktiv und progressiv gegen die Krise arbeiten, müssten ihre Kräfte bündeln. Deshalb schätze sie die Akademie sehr. Hier könne man sich in unterschiedlichen Rollen begegnen, schätzen lernen und vernetzen.
Lucia Steinwender bemerkte, dass sie darauf hoffe, dass die verschiedenen Rollen bedacht werden, sollte eine der 140 Anzeigen vor Gericht landen, die es beim Protest gegen die Wiener Gaskonferenz gegeben hat. Die Zeit der Positionspapiere sei vorbei, nun müsse der Konflikt gesucht werden. Einen selbstkritischen Blick auf die Klimagerechtigkeitsbewegung zeigte sie bei der Bewertung von vorherigen Arbeitskämpfen: „Warum waren wir nicht da, als MAN Steyr gedroht hat 2.300 Menschen vor die Türe zu setzen?“ Die Sorge um Arbeitsplätze sei verständlich, aber es brauche von der Gewerkschaft eine Offenheit in der Frage, was an den Produktionsstandorten hergestellt wird. Als positives Beispiel führte sie das Bündnis zwischen Klimabewegung und Beschäftigten von Bosch in München an. Dort habe man gemeinsam für den Erhalt des Standorts gekämpft und gleichzeitig gefordert die Produktion von Dieseleinspritzpumpen auf Wärmepumpen umzustellen.
Ingrid Reischl habe beim EU-Beitritt Österreichs erlebt, wie wichtig es war einen Konsens in der Regierung und bei den Sozialpartnern zu haben und diesen dann in den Betrieben zu erklären. Sie habe gehofft diesen Konsens gäbe es auch beim Klimawandel. In der Praxis scheitere die Umsetzung aber sowohl an der Bereitschaft der Wirtschaftsseite als auch der Regierung. Für die Positionierung zur Klimakrise brauchte der ÖGB zwei Jahre. In diesem Prozess war es aber wichtig zu beachten, dass Positionspapiere allein nicht ausreichen. Deshalb wurde in den Gewerkschaften lange diskutiert und bestehende Konflikte mit den Betriebsrät:innen ausgetragen. Es müsse ehrlich kommuniziert werden, dass es Verlierer:innen geben wird und wie diese abgefedert werden sollen. Der Konflikt zeigt sich überall: Die Kinder gehen zu den Fridays und die Eltern haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Es brauche sowohl Bündnisse mit Unternehmen als auch gemeinsame Aktionen mit der Klimabewegung: „Wir müssen in die Breite kommen, sonst passiert hier gar nichts.“
Abschließend gab Klaus Dörre zu Bedenken, dass für sozial-ökologische Transformationskonflikte auch die Eigentumsfrage gestellt werden müsse. Hierzu schlug er einen Übergang zu transformativem Recht vor. Nachhaltigkeitsziele müssten demnach Verfassungsrang bekommen. In der Konsequenz würde dies bedeuten, dass großen Unternehmen, die diese verfehlen, die Sozialisierung drohe. Am Beispiel des Bündnisses zwischen ver.di und Fridays for Future für bessere Tarifverträge im öffentlichen Verkehr ließe sich das Potenzial für zukünftige Arbeitskämpfe erkennen. Hierbei solle das Gemeinsame im Vordergrund stehen, das Trennende aber nicht verschwiegen werden. Die Letzte Generation habe es geschafft, dass die Klimakrise überall zum Gesprächsthema wird. Dabei riskieren die Aktivist:innen etwas, um Problembewusstsein zu schaffen. Das dürfe nicht kriminalisiert werden. „Provokation muss sein!“
Abteilung Umwelt & Verkehr
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