AK Nachhilfebarometer: Teuerung treibt Kosten massiv nach oben!
Die Teuerung trifft Familien besonders stark auch im Schulsystem – durch steigende Kosten wird es für viele eng. Eltern und Schüler:innen stehen enorm unter Druck und müssen fehlende Ressourcen der Schule ausgleichen. Deutlich sichtbar wird das bei der Nachhilfe. Die aktuellen Ergebnisse des AK-Nachhilfebarometer zeigen, dass Familien versuchen, mittels privat finanzierter und organisierter Nachhilfe ihren Kindern einen Schulerfolg zu ermöglichen – und das mit immer größerem finanziellem Einsatz. Insbesondere in Zeiten der Teuerung können sich viele die bezahlte Nachhilfe jedoch schlicht nicht leisten.
Eltern müssen einspringen …
Schule funktioniert für den überwiegenden Anteil der Kinder und Jugendlichen nur durch die Unterstützung in der Familie. Fast vier von fünf Kindern (78 Prozent) werden zu Hause zumindest hin und wieder beim Aufgaben machen und beim Lernen und Üben beaufsichtigt. Knapp einem Viertel der Kinder wird von ihren Eltern praktisch täglich geholfen; bei einem weiteren Drittel trifft dies zumindest einmal in der Woche zu. Rund sechs von zehn Kindern werden also zumindest einmal in der Woche bei den Aufgaben und beim Lernen beaufsichtigt.
… doch das reicht oft nicht aus
Für ein Drittel aller Schüler:innen genügt der Unterricht und das Lernen zuhause nicht, um die Lernziele zu erreichen. Für sie müssen Eltern zusätzlich privaten Nachhilfeunterricht organisieren, um den Schulerfolg zu ermöglichen: 30 Prozent aller Schüler:innen haben im laufenden Schuljahr oder in den letzten Sommerferien externe Nachhilfe bekommen, sei es bezahlt oder unbezahlt, z.B. in Form einer schulischen Gratisnachhilfe. Insgesamt haben 167.000 Kindern und Jugendliche, das sind 17 Prozent aller Schüler:innen, in diesem Schuljahr oder im Sommer davor eine bezahlte Nachhilfe bekommen.
Vergleichsweise am höchsten sind die Nachhilfequoten meist in der AHS-Oberstufe – hier beläuft sich die Nachhilfequote mit einer leichten Zunahme insgesamt auf 44 Prozent (+5 Prozentpunkte). 30 Prozent davon bekamen eine bezahlte Nachhilfe. Einen auffallenden Anstieg mit dem nach der AHSOberstufe höchsten Wert gab es in den NMS mit einer Nachhilfequote von aktuell 39 Prozent (+9 Prozentpunkte), wobei in dieser Schulform sowohl die bezahlte als auch unbezahlte Nachhilfe zugenommen hat. Bei 18 Prozent handelte es sich um eine bezahlte Form (+3 Prozentpunkte). In der AHS-Unterstufe ist Nachhilfe in Summe mit einem Anteil von 33 Prozent dazu sehr ähnlich (22 Prozent bezahlte Nachhilfe). Die bezahlte Nachhilfe hat insgesamt betrachtet eher in den Neuen Mittelschulen und der AHS-Unterstufe zugenommen.
Großer Anstieg der Nachhilfekosten
Im Schuljahr 2022/2023 sowie in den letzten Sommermonaten gaben Familien insgesamt 121,6 Millionen Euro für private Nachhilfe aus, womit die Gesamtausgaben um 18,9 Millionen EURO höher waren als noch im Jahr zuvor. Die Kosten für Nachhilfe belaufen sich in diesem Schuljahr im Mittel auf rund 720 Euro pro Schulkind. Dies bedeutet eine erkennbare Zunahme zum Vorjahr (2022: im Schnitt 630 EURO). Während der Anteil der bezahlten Nachhilfe auf hohem Niveau stabil ist, sind die mittleren Kosten für jede betroffene Familie merklich angestiegen.
Die teure, bezahlte Nachhilfe können sich viele Familien schlicht nicht leisten. Die Eltern von 20 Prozent der Schüler:innen, die keine bezahlte Nachhilfe erhalten haben, hätten sich eine solche gewünscht bzw. gerne mehr bezahlte Nachhilfe in Anspruch genommen. Gegenüber dem Vorjahr ist dieser Anteil unverändert hoch. In Summe hätten sich die Eltern von rund 200.000 Schüler:innen gerne (mehr) bezahlte Nachhilfe für ihr Kind gewünscht.
Schmerzhafte Ausgaben
Von den Eltern, die für ihr Kind eine bezahlte Nachhilfe in Anspruch nehmen, gab die Hälfte (52 Prozent) an, dadurch sehr stark oder spürbar finanziell belastet zu sein. Mit dem Anstieg der durchschnittlichen Ausgaben für Nachhilfe hat sich auch der Anteil jener Eltern etwas erhöht, die angaben, dadurch sehr stark oder spürbar finanziell belastet zu sein (52 Prozent vs. 2022: 48 Prozent).
Besonders groß sind die finanziellen Belastungen durch Nachhilfeausgaben bei den unteren Einkommensgruppen. Somit sind vor allem jene Familien betroffen, die ohnehin schon durch die steigenden Preise und die anhaltenden Teuerungen große Einschnitte ins Haushaltsbudget hinnehmen müssen. „Im österreichischen Bildungssystem hängt der Schulerfolg von den Eltern und deren Einkommen ab. Wer es sich leisten kann, engagiert private Nachhilfe und kann sich so vom „Mitlernen“ und „Üben“ mit seinen Kindern freikaufen. Dieses System privatisierter Bildung verschärft gerade in der Teuerungswelle die vorhandenen Bildungsungerechtigkeiten“, so die AK Bildungsexpert:innen.
Langfristige Trends – von Entlastung für Familien keine Spur
Seit 13 Jahren führt die Arbeiterkammer den Nachhilfebarometer durch. Über diese Zeit betrachtet ist ein deutlicher Zuwachs Nachhilfebedarf festzustellen. Der Zuwachs an Nachhilfe für Schüler:innen lässt sich größtenteils auf die steigende Gratis-Nachhilfe zurückführen, der hohe Anteil bezahlter Nachhilfe konnte damit über die Jahre aber nicht gesenkt werden. Besonders deutlich ist die Entwicklung bei den jüngeren Schüler:innen. Denn in den Volksschulen steigt der Druck nachweislich und Nachhilfe ist auch dort keine Ausnahme mehr.
Bessere Deutschförderung der Jüngsten dringend notwendig
Mathematik ist seit Beginn des Nachhilfebarometers das Nachhilfefach Nummer Eins. Deutschnachhilfe bekommen vor allem Volksschulkinder und dies mit rund zwei Drittel (63 Prozent) aller NachhilfeSchüler:innen noch stärker als im Vorjahr (2022: 49 Prozent der Nachhilfe). Auch Schüler:innen der NMS (38 Prozent mit Nachhilfe) weisen diesbezüglich einen höheren Anteil auf.
Der Anstieg der Deutsch-Nachhilfe in den Volksschulen steht im Kontext der aktuellen Bildungspolitik rund um Deutschförderklassen, MIKA-D und Pausensprachverbote, in der mehrsprachige Familien verstärkten Druck verspüren, privat bezahlten Nachhilfeunterricht für ihre Kinder zu organisieren. Dies steht jedoch in massivem Kontrast zu wissenschaftlichen Empfehlungen für eine nachhaltige Förderung des Spracherwerbs im Kindes- und Jugendalter. Statt kurzfristiger Crash-Kurse unter Druck und auf private Kosten zu setzen, empfehlen sie frühzeitige, langfristige und vernetzte Förderung in Bildungsinstitutionen.
Unsere Forderungen
Die Arbeiterkammer fordert eine Bildungspolitik, die jedem Kind und jedem Jugendlichen Grundkompetenzen vermittelt und Stärken entfaltet.
- Schulkosten in Zeiten der Teuerung sofort drastisch reduzieren: Es braucht zu Schulbeginn ein Budget für Schulmaterialien, das Lehrerinnen und Lehrern unbürokratisch verwenden können, nach dem Vorbild des Wiener Warenkorbs, um Kinder und Jugendliche mit den notwendigen Materialien auszustatten, damit sie gut lernen können. Schulkosten und Bildungsteilhabe dürfen Familien finanziell nicht zusätzlich unter Druck bringen.
- Entlastungen für armutsgefährdete Familien und Alleinerziehende: Sie trifft die Teuerung in besonderem Ausmaß. Sowohl die finanziellen als auch die psychisch-emotionalen Belastungen waren auch während der COVID-Krise enorm. Die Arbeiterkammer fordert die Bundesregierung auf, ein Entlastungspaket (Anhebung Arbeitslosengeld und Sozialhilfe; Unterhaltsgarantie) sowie spezifische Unterstützungsangebote (z.B. Ferien- und Lerncamps) zu schaffen.
- Lernräume für alle eröffnen, beitragsfreie hochwertige Ganztagsschulen flächendeckend anbieten: Der AK Nachhilfebarometer zeigt, dass der Schulerfolg der eigenen Kinder zur Mammutaufgabe für Eltern wird. Investitionen in den Ausbau von Ganztagsschulen fördern die Lernchancen der Kinder und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und schaffen somit Arbeitsplätze.
- Treffsicher investieren und Schulentwicklung ermöglichen, Schulfinanzierung nach dem AK-ChancenIndex für alle Schulen: Kinder sollen nicht auf die Geldtasche und Zeit ihrer Eltern angewiesen sein, um Lernziele zu erreichen Bei einer Bildungsfinanzierung nach dem Chancen-Index der AK bekommen Schulen umso mehr Mittel, je mehr Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf sie haben. So werden nicht nur Schüler:innen sondern auch die Eltern, die sonst einspringen müssten, entlastet. Die Arbeiterkammer fordert die rasche Umsetzung des Chancen-Index der AK für alle Schulen österreichweit.
- Mehrsprachigkeit fördern und Deutschförderung reformieren: kurzfristiges Aussetzen der starren Regelungen zur Einrichtung und Führung von Deutschförderklassen sowie Ergänzen des fragwürdigen MIKA-D um andere Beurteilungsinstrumente; mittelfristig wirksamere Unterstützung von Kindern mit Deutschförderbedarf auf Basis des AK-Sprachschlüssel, d.h. durch frühere Förderung im Kindergarten mit besserem Betreuungsschlüssel, durch integrative Festigung für weitere vier Jahre in Volksschule sowie durch schulautonom gestaltbare parallele Förderung für Quereinsteiger:innen mit engerer Betreuung und ausreichender Anbindung an die Regelklasse.
AK-Schulkostenstudie 2023/24
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