Arbeitswelt im (Klima-)Wandel
Der letzte Sommer hat mit Hitzewellen, Dürre und massiven Unwettern eindrücklich gezeigt, dass wir mitten in der Klimakrise angekommen sind. Das spüren auch die Beschäftigten: Von Hitze am Arbeitsplatz bis hin zur Notwendigkeit der beruflichen Neuorientierung, etwa im Zuge der Transformation ganzer Branchen. In den Unternehmen werden die Anpassung an die Krisenfolgen sowie der eigene Beitrag zu einer nachhaltigen Wende immer wichtigere Themen.
Grund genug, sich im Rahmen dieser Veranstaltung mit Arbeit und Beschäftigung in Zusammenhang mit der Klimakrise aus wissenschaftlicher, praktischer und betrieblicher Perspektive auseinanderzusetzen.
Vertreter:innen aus Wissenschaft, Politik sowie aus der betrieblichen Praxis diskutierten dabei über die Auswirkungen der Klimakrise auf die Betriebe und Unternehmen, die Herausforderungen an Branchen, Betriebe und Beschäftigte und die Frage, wie Nachhaltigkeit und gute Arbeit im Klimawandel gesichert werden können. Hier die wichtigsten Punkte aus der Diskussion:
Notwendig sind ein stabiler Rahmen und konkrete Strategien
- Die Politik ist in der Verantwortung, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und verbindliche Pläne zu erstellen, um den Betrieben, Unternehmen, Beschäftigten und anderen Akteuren auf dem Weg zur Klimaneutralität eine gute Orientierung zu bieten.
- Auch auf Ebene der Unternehmen sind strategische Pläne für den Umbau in Richtung Klimaneutralität erforderlich, die mit konkreten Maßnahmen und Zeitschienen versehen werden müssen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund der neuen EU-Richtlinie macht künftig für 2.000 Unternehmen verbindliche Vorgaben in diese Richtung und fordert damit eine strategische Auseinandersetzung mit sozialen und umweltpolitischen Zielen ein.
- Dies ist umso dringlicher, als der soziale und ökologische Umbau in einem stark disruptiven Umfeld stattfinden wird – und zwar nicht nur aufgrund der Teuerungs- und Energiekrise, sondern weil auch die Folgen der Klimakrise mit Extremwetterlagen wie Hitze und Unwetter immer spürbarer werden.
Der Umbruch trifft Beschäftigte unterschiedlich
- Die transformationsbedingten Veränderungen in den Branchen treffen die Geschlechter unterschiedlich. Besonders die (Schwer-)Industrie ist CO2-intensiv und damit vom Umbau betroffen. Dort sind viele Männer und auch viele ältere Arbeitnehmer:innen beschäftigt. Es bedarf geschlechtergerechter Politiken und Praktiken auf unterschiedlichsten Ebenen. So gilt es etwa nach wie vor, Frauen verstärkt in männerdominierte Branchen zu bringen und gleichzeitig ein Absinken vergleichsweise hoher Lohnniveaus zu verhindern.
- Auch die unmittelbaren Folgen der Klimakrise am Arbeitsplatz müssen zunehmend in den Blick genommen werden, insbesondere Hitze am Arbeitsplatz. Kluge Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit zu Homeoffice kann helfen, hier Belastungen zu verringern.
- Perspektivisch ist eine generelle Arbeitszeitverkürzung eine Maßnahme zur ausgeglicheneren Verteilung von Erwerbsarbeitszeit mit positiven Folgen für die Gesundheit, Vereinbarkeit und Arbeitszufriedenheit – allerdings nur, wenn diese nicht zu (weiteren) Verdichtung der Arbeitszeit führt.
Qualifikation spielt eine zentrale Rolle
- Einerseits ist es erforderlich, dass ausreichend Fachkräfte für die wachsenden Bereiche zur Verfügung stehen, andererseits müssen Menschen, deren Tätigkeitsfelder wegfallen, durch entsprechende Aus- und Weiterbildung auf dem sich ändernden Arbeitsmarkt neue Chancen geboten werden.
- Entgegen landläufiger Meinung ist dafür kaum neue Bildungswegen erforderlich. Der überwiegende Bedarf kann durch traditionelle Lehrberufe abgedeckt werden. Besonders gefragt sind Facharbeitskräfte mit Lehrabschluss, besonders im handwerklichen Bereich. Für Fortschritte in der Klima-, Energie- bzw. Wärmewende braucht es einen Ausbau des Weiterbildungsangebots bei Zusatzmodulen, die auf bestehende Berufsausbildungen aufzusetzen sind (z.B. Ergänzung um Elektrotechnik, Installations- und Gebäudetechnik).
- Es gilt dabei, junge Frauen deutlich stärker anzusprechen als bisher. Gerade viele junge Menschen sind für einen „Arbeitsplatz mit Sinn“ sehr ansprechbar.
- Unternehmen sind dabei auch gefordert, Agenden der Aus- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten viel stärker als bisher wahrzunehmen und konkret in ihre Planungen mit einzubeziehen.
- Generell braucht es abgestimmte Aktivitäten bzw. neue Anläufe – nicht zuletzt seitens der Politik –, um die Lehre attraktiver bzw. Kombinationen von Lehre und Matura bekannter zu machen, denn hier liegt, Studien zufolge, der Löwenanteil der umwelt- und klimarelevanten Zukunftsjobs.
Sozial- und Arbeitsrecht muss weiterentwickelt werden
- Die Disruptionen durch die Klimakrise werden die soziale Lage gerade für Menschen mit geringem Einkommen und schlechter sozialer Absicherung noch prekärer machen. Existenzsichernde Leistungen v.a. im Fall von Arbeitslosigkeit, bei der Mindestpension und in der Mindestsicherung müssen auf ein armutsfestes Niveau gehoben werden.
- Wichtig wird auch eine stärkere Orientierung auf das Bereitstellen notwendiger Güter und Dienstleistungen wie Wohnen oder Energie sein sowie die Verankerung von Rechtsansprüchen auf Qualifikation, Kinderbetreuung oder Pflege.
- Arbeits- und Sozialrecht sind für den Regelbetrieb und nicht für den Krisenfall ausgelegt. Viele Fragen, wie diese im Krisenfall gestaltet werden müssen, haben sich bereits im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gestellt. Diese Erfahrungen gilt es zu nutzen und die Antworten darauf weiterzuentwickeln.
Einbindung von Betriebsräten und Belegschaft auf Betriebsebene zentral
- Good-Practice-Unternehmen zeigen eindrücklich, dass sozialökologisch verantwortungsvolles Handeln nicht nur möglich, sondern – auch nach betriebswirtschaftlichen Kennzahlen – lohnend ist.
- Betriebsrätinnen und Betriebsräte agieren in ihren Unternehmen selbst als Multiplikator:innen der sozialökologischen Transformation – und sollten dabei noch mehr Unterstützung erfahren, um ihrerseits die Belegschaften für Fragen zu Umwelt- und Klimaschutz sensibilisieren zu können.
- Eine breite Einbindung von Betriebsräten und Arbeitnehmer:innen schafft eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Sie kann die Dekarbonisierung von Produkten und Produktionsprozessen vorantreiben oder auch Maßnahmen zur Förderung eines umweltfreundlichen Mobilitätsverhalten unterstützen.
- Für das Bauwesen gilt, dass es bereits ausreichend sozialökologische Lösungen gibt – das Wissen darüber muss jedoch noch gestärkt werden. Das hat auch Auswirkungen auf die erforderlichen Qualifikationen, da die Verarbeitung ökologischer Stoffe zwar keine grundlegend neuen Ausbildungen erforderlich macht, aber meist höhere Anforderungen stellt als kunststofflastige Werkstoffe.
- Abgesehen von der betrieblichen Umstellung auf umwelt- und klimaverträgliche Produkte und Prozesse sind auf der politischen Ebene Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, um die näher rückenden „Einschläge“ von Energiekrisen sowie von Extremwetterereignissen auf Betriebe und damit auf die Arbeitnehmer:innen besser bewältigen zu können.
Eine gemeinsame Herausforderung wird sein, Wohlstand und Wohlergehen nicht nur in akademischen Konzepten, sondern spür- und erlebbar losgelöst von Konsum neu zu definieren.
Die Veranstaltung wurde im Rahmen von AK-SOZNET – einer Kooperation von AK und FORBA – durchgeführt, deren Ziel es ist, Befunde aus der Wissenschaft und Expertise aus der Praxis miteinander in Dialog zu bringen. Denn dieser Dialog ist gerade dann besonders wichtig, wenn es darum geht, Problemlagen zu erfassen und mögliche Lösungsansätze zu entwickeln und zur Diskussion zu stellen.