Was zeichnet die Jahreskartenbesitzer der Wiener Linien aus?
1. AK Mobilitätsdialog - Vorstellung der Studie „Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Wien und Umgebung“
Die Jahreskarte der Wiener Linien um 365 bzw. 396 Euro (bei monatlicher Abbuchung) ist ein Erfolgsprodukt; sie übersteigt die Zahl der zugelassenen Pkw in Wien schon seit längerem. Wer aber besitzt eine solche Karte? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, damit sich Menschen diese kaufen? Denn die Erfahrung zeigt: Wer eine Jahreskarte besitzt, nutzt sie auch intensiv. In einem gemeinsamen Projekt ließen die Wiener Linien und die AK Wien vom Institut für Verkehrswesen der Boku Wien untersuchen, wie diese Stammkund:innen „ticken“.
So wurde analysiert, welche Faktoren und Umstände zum Kauf einer Jahreskarte führen. Dazu wurde Wohnort mit anderen verfügbaren sozioökonomischen Daten (z.B. Altersstruktur, Bildung, Einkommen, Haushaltsgröße usw.) in Beziehung gesetzt. Der offensichtlichste Zusammenhang ist jener zwischen Jahreskartenbesitz und Qualität der Öffi-Anbindung der jeweiligen Wohnadresse. Das war vorhersehbar, daher sind Abweichungen von dieser Korrelation besonders interessant und informativ.
So beobachtet die AK seit Jahren, dass die Anzahl ihrer aus Wien auspendelten Mitglieder stärker wächst als jene der Einpendler:innen. Bekanntermaßen verlagern zahlreiche Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit von der Stadt in das Wiener Umland. Altgediente Beschäftigte sind häufig gezwungen, ihrem bisherigen Arbeitsplatz „hinterherzufahren“. Die Studie zeigt, dass Auspendler:innen seltener über Jahreskarten verfügen, als es durch ihre Wohnadresse zu erwarten wäre. Offenbar macht eine schlechte ÖV-Anbindung des neuen Arbeitsortes bei gleichzeitig hoher Verfügbarkeit von Parkplätzen die Jahreskarte unattraktiv.
Mit dem Bildungsniveau steigt der Jahreskarten-Absatz
Eine überraschende Erkenntnis war, dass mit dem Bildungsniveau der Absatz von Jahreskarten ansteigt. Auch hier sind die Ursachen meist beim Arbeitsplatz zu finden.
Die Jobs von Menschen mit geringerer formaler Bildung sind weniger gut mit Öffis erreichbar (Fachmarktzentren, Gewebegebiete), was sowohl an der Lage als auch den Arbeitszeiten liegen kann. Dass Einpersonenhaushalten überdurchschnittlich häufig über Jahreskarten verfügen, hat seine Ursache wohl darin, dass man allein nur schwer die hohen Pkw-Kosten stemmen kann.
Problemzone „Transdanubien“
Die Forscher:innen der Boku haben auch Transdanubien – also den 21. und 22. Bezirk – als „Problemzone“ identifiziert. Dort besitzen weniger Bewohner:innen eine Jahreskarte, als es die Anbindung ihrer Wohnadressen erwarten lässt.
Dafür gibt es gleich mehrere Erklärungen: So herrscht die weit verbreitete Erzählung vor, dass man in diesen beiden Bezirken unbedingt ein Auto benötigt. Das trifft besonders bei Jungfamilien zu. Dies wird noch durch die große Anzahl an Parkplätzen unterstützt.
Weiters sind die Verbindungen innerhalb bzw. zwischen Floridsdorf und Donaustadt nicht die besten; weder bei Öffis, noch bei Radwegen. Viele „Alteingesessene“ wiederum sind so an den eigenen Pkw gewöhnt, dass auch eine neu errichtete U-Bahn oder Straßenbahnlinie ihre langjährigen Gewohnheiten nicht ändern kann.
Unternehmen müssen saubere Anreise ermöglichen
Klimakrise und hohe Treibstoffpreise führen derzeit drastisch vor Augen, wie wichtig gute öffentliche Verkehrsmittel und deren Weiterentwicklung sind. Dies ist auch eine Frage der Mobilitätsgerechtigkeit. Denn diese kann am besten durch flächendeckende und leistbare Öffis gewährleistet werden.
Dabei ist verstärkt darauf zu achten, dass sowohl die Wohngebiete, als auch die Arbeitsplätze von ärmeren Menschen gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind.