Käthe Leichter, Pionierin der Sozialforschung
Käthe Leichter, Pionierin der Sozialforschung © Leichter Familienarchiv, IHSF
4.11.2025

Diskussion „Mit den Frauen rechnen“

Vor 100 Jahren gründete Käthe Leichter das Frauenreferat der Arbeiterkammer Wien. Leichter hatte erstmals die Lebens- und Arbeitsbedingungen wissenschaftlich erhoben und daraus politische Forderungen abgeleitet. 

Die 184. Vollversammlung der AK Wien stand daher im Zeichen von feministischer Ökonomie: mit einem Statement von Eva-Maria Holzleitner, Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung, einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Mit den Frauen rechnen“ und einer Rede von AK Präsidentin Renate Anderl.

BM Holzleitner: Gleichstellung ist brandaktuell

Bundesministerin Holzleitner sprach in ihrer Begrüßungsrede Themen an, die für Frauen immer noch Hürden auf dem Weg zu echter Gleichstellung sind: „Die schwierige Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit ist kein individuelles Problem von Frauen – sie ist ein strukturelles, gesellschaftliches Problem. Nur wenn wir sie auch so benennen, können wir wirksame Lösungen entwickeln und umsetzen, um echte Chancengleichheit zu erreichen.“

Eine dieser Hürden sei die unbezahlte Sorgearbeit: „Sie wird oft als Liebesdienst abgetan – dabei ist sie produktiv, volkswirtschaftlich wertvoll und absolut systemrelevant. Unsere Wirtschaft steht auf den Schultern dieser unsichtbaren Arbeit, die großteils von Frauen geleistet wird.“ Die Bundesministerin richtete einen Appell an die Mitglieder der Vollversammlung, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen: „Lassen Sie uns verhindern, dass die nächsten Generationen über die immerzu gleichen Themen diskutieren müssen. Gleichstellung und ökonomische Unabhängigkeit von Frauen dürfen kein Wunsch oder Privileg bleiben – sie müssen endlich selbstverständliche Realität werden.“

Podiumsdiskussion: „Mit den Frauen rechnen!“

AK-Ökonomin Jana Schultheiß, Soziologin Nadja Bergmann und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von REWE, Maria Gluchman, spannten in der Diskussion den Bogen von feministischer Ökonomie über das aktuelle Thema Lohntransparenz bis zur Umsetzung frauenpolitischer Maßnahmen in Betrieben anhand von fundierten Daten. „Wir sagen oft seit 100 Jahren das Gleiche“, führte Jana Schultheiß aus. „Es geht um sehr viele Bereiche, es zieht sich durch das ganze Leben der Frauen hindurch. Vieles ist besser geworden, aber vieles wissen wir noch immer nicht“, so Schultheiß. Zur Frage der Teuerung zum Beispiel gebe es viele Daten auf Haushaltsebene, aber in die Haushalte werde nicht geschaut. „Wir wissen nicht, wie Frauen und Männer unterschiedlich von der Teuerung betroffen sind.“

Nadja Bergmann ging auf die Umfrage ein, die L&R für die Arbeiterkammer zum Thema Lohntransparenz unter Betriebsrät:innen und Beschäftigten gemacht habe. Unter anderem wurde darin gefragt, ob in Betrieben über Einkommen gesprochen werde, ob bekannt sei, wer wieviel verdiene. Bergmann: „Ein wesentliches Ergebnis ist: Einkommen werden weiterhin stark als Tabuthema empfunden, Gespräche über Einkommen finden nur informell statt. Das trägt nicht gerade zu Transparenz bei.“ Bergmann zitierte eine Person aus der Umfrage: „Bei uns besteht viel Geheimniskrämerei und es wird gemunkelt, ich habe nicht das Gefühlt, dass es fair zugeht.“

Rewe-Betriebsrätin Maria Gluchman betonte die Bedeutung von Betriebsrät:innen bei Thema Lohntransparenz: „Die Beschäftigten wünschen sich eine starke Rolle der Betriebsrät:innen beim Thema Einkommen. Wir bieten bei uns im Betrieb als Betriebsrat Informationen auf vielen Kanälen über die Einkommen, es wird auch über Gehalt gesprochen und hinterfragt, wer wieviel verdient. Wir müssen als Betriebsräte unsere wichtige Rolle wahrnehmen, mit Informationen, Beratung aber auch mit Kontrolle.“ Faire Einkommen für Frauen seien nicht nur im Arbeitsleben wichtig, Gluchman sprach von Frauen, die 700, 800 Euro Pension bekämen: „Davon kann man nicht leben, das ist so traurig. Und die Frauen wollen nicht Teilzeit arbeiten, sie wollen Vollzeit arbeiten, und sie sollten endlich nicht mehr vom Goodwill der Arbeitgeber abhängig sein.“

Anderl: „Wir brauchen den Blick mit der Frauenbrille“

AK Präsidentin Anderl betonte zu Beginn ihrer Rede, dass feministische Politik allen helfe, immer. „Jede Verbesserung für Frauen nutzt auch Männern, niemals wird etwas für Männer schlechter, wenn es für Frauen besser wird.“

Es sei wichtig, die aktuellen Herausforderungen – Inflation, Defizit, Klimakrise, Strukturwandel – gezielt mit der Frauenbrille zu betrachten. Denn in diesen und weiteren Bereichen hätten Frauen andere Betroffenheiten: „Frauen sind von der Inflation anders betroffen als Männer. Sie haben strukturell weniger Geld, müssen den Großteil ihres Geldes für grundlegende Ausgaben wie Wohnen, Essen, Strom verwenden – das gilt auch bei hoher Inflation.“ Anderl nannte als weitere Beispiele die Klimakrise und die Digitalisierung, auch hier müsse man gezielt darauf schauen, wie die Frauen betroffen seien.

„Eine feministische Perspektive in der Wissenschaft, in der Ökonomie, in der Politik, in der Verwaltung, im Betrieb, das brauchen wir strukturell, das muss Standard sein und keine freiwillige Übung“, ging Anderl auf einen Antrag an die Vollversammlung zur Stärkung der feministischen Ökonomie ein. Anderl: „Frauen müssen in der Arbeitswelt, in der Gesellschaft, in der Familie mit ihren eigenen Betroffenheiten betrachtet werden. Dafür brauchen wir gute Daten, konkret den Ausbau der feministischen Ökonomie und den Blick mit der Frauenbrille auf alle Politikbereiche.“

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