Rückblick "Konsum neu denken"
Rückblick "Konsum neu denken" © Nina Birkner-Tröger
25. und 26.9.2025

Konsum Neu Denken – Festakt und Symposium 2025

Am 25. und 26. September 2025 fand im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien der Festakt und das Symposium „Konsum Neu Denken“ statt. Anlass war das zehnjährige Bestehen des gleichnamigen Netzwerks, das seit seiner Gründung Impulse für Forschung, Bildung und gesellschaftlichen Dialog zu nachhaltigem Konsum setzt.

10 Jahre Netzwerk „Konsum Neu Denken“, 25.9.2025

Der Festakt am 25. September stand im Zeichen des Rückblicks – durch die Steuerungsgruppe -  und der Zukunftsperspektiven. 

Die Zukunft des Konsums 

Eine Agenda zur Neuperspektivierung der Verbraucherforschung

Prof. Dr. Dirk Hohnsträter (Universität der Künste Berlin) stellte zentrale Einsichten aus dem gleichnamigen Whitepaper des deutschen Bundesnetzwerks Verbraucherforschung vor. Er kritisierte ein marktzentriertes Verständnis von Konsum, das ökonomische Motive über soziale und kulturelle Aspekte stellt. Stattdessen plädierte er für eine Sichtweise, die Konsum als vielschichtiges gesellschaftliches Weltverhältnis versteht – geprägt von Versorgung, Teilhabe, Sinn und Verantwortung. Die Verbraucherforschung müsse sich stärker interdisziplinär öffnen, kollektive Diskussionen über die Bedeutung des Konsums fördern und die Widersprüche moderner Konsumgesellschaften sichtbar machen.

Konsuminitiativen, 26.9.2025

Konsuminitiativen in Österreich – Vielfalt und Wirkung

Nina Birkner-Tröger (AK Wien) stellte eine Typologie von Konsuminitiativen vor: Bottom-up-Organisationen – darunter Leihläden, Repair-Cafés, Foodcoops, Makerspaces und Kost-nix-Läden – entstehen aus zivilgesellschaftlichem Engagement und fördern gemeinschaftlich genutzte Infrastrukturen des Konsums. Sie leisten Beiträge zu Ressourcenschonung, Bildung und sozialer Innovation, stoßen jedoch auf Hindernisse wie begrenzte Finanzierung, Zeitressourcen und fehlende politische Sichtbarkeit. 

Von der Circular Economy zur Circular Society

Dr. Florian Hofmann (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin) zeigte auf, dass die derzeitige Circular Economy häufig auf wirtschaftliche Faktoren reduziert wird. Eine Circular Society hingegen müsse ebenso ökologische und soziale Dimensionen zusammendenken. Konsuminitiativen fungierten als Pionierorganisationen des kooperativen Wirtschaftens – demokratisch, solidarisch und gemeinschaftlich. Sie bilden „Reallabore“ für neue Formen nachhaltiger (Re-)Produktion, deren Verstetigung rechtliche Flexibilität und geeignete politische Rahmenbedingungen erfordert, etwa durch Experimentierklauseln oder spezifische Fördermechanismen.

Repair-Cafés als Good-Practice

Maria Langsenlehner (Umweltdachverband) präsentierte vorläufige Ergebnisse einer Studie zu Repair-Cafés in Österreich. Die Initiativen werden überwiegend von Vereinen getragen und basieren auf freiwilligem Engagement. Sie schaffen lokale Lernräume und tragen zur Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins für Reparatur und Wiederverwendung bei. Die Veröffentlichung der Studie erfolgt Ende November 2025.

Selbermachen und Reparieren: die „anstiftung“ als Plattform

Christa Müller („die anstiftung“) hob die Bedeutung von Dachstrukturen hervor, die Initiativen Sichtbarkeit und politische Schlagkraft verleihen. Die gemeinnützige Stiftung anstiftung unterstützt seit 1982 Initiativen für nachhaltige und konsumkritische Lebensstile. Die Stiftung fungiert als Netzwerkakteur und Forschungseinrichtung, berät u. a. Repair-Cafés, offene Werkstätten und urbane Gemeinschaftsgärten und fördert jährlich Projekte mit rund 1,3 Mio. Euro.  

Verstetigung & Skalierung von Multi-Stakeholder Genossenschaften in Österreich

Alexandra Frangenheim (BOKU) präsentierte internationale Beispiele, darunter die südkoreanische Genossenschaft Hansalim. Gegründet wurde diese aufgrund der schlechten Lebensmittelversorgung. Mit über einer Million Mitglieder, ist sie jedoch ein Vorzeigemodell für langfristige Stabilität. Martin Gerstl von der Lebensmittelgenossenschaft Morgenrot gab Einblicke in die Gründungsidee: einerseits sind Konsument:innen sind zugleich Mitglieder und können Angebot des Lebensmittelmarktes mitbestimmen, andererseits gibt es einen engen Austausch mit den Produzent:innen. Dadurch sind alle Beteiligten an fairen Preisen und guten Produktionsbedingungen interessiert.

Verstetigung und Professionalisierung – Erfahrungen aus der Schweiz

Dr. Stephanie Moser (Universität Bern, CDE) zeigte anhand von Schweizer Beispielen – etwa OffcutTeleZE-Wende und Neonomia – wie Initiativen langfristig bestehen können.
Sie identifizierte vier zentrale Herausforderungen:

  • Finanzielle Stabilität durch diversifizierte Einnahmequellen
  • Rechtsformwahl passend zum sozialen und ökologischen Zweck
  • Interne Governance und Wissensweitergabe
  • Ausweitung von Nischenprojekten durch Vernetzung und Skalierung.
    Erforderlich sei ein innovationsfreundliches Ökosystem mit neuen Förderlogiken, sozial-ökologischen Arbeitsmodellen und übergeordneten Verbänden für nachhaltiges Wirtschaften.

Podiumsdiskussion "Kreislaufwirtschaft fördern"

In der abschließenden Podiumsdiskussion mit Jürgen Czernohorszky (Stadtrat für Klima, Umwelt und Demokratie Wien)Marion Oberenzer (LOLA) und Alexandra Strickner (GLOBAL 2000) wurde klar: Konsuminitiativen sind zentrale Akteur:innen einer nachhaltigen Transformation, benötigen jedoch strukturelle Unterstützung.

Jürgen Czernohorszky: Die Stadt Wien bietet das Wiener Reparaturnetzwerk und den 48er Tandler an; im Oktober wird die Kreislaufwirtschaftsstrategie vorgestellt. Die Stadt sollte kommunitaristischer werden, um den Gemeinsinn zu stärken. Auf nationaler Ebene könnte das Ehrenamt stärker unterstützt werden, z.B. durch Ehrenamtskarenz.

2023 gründete Marion Oberenzer den LOLA Markt, eine Konsuminitiative für Sharing, Verschenken und Verkaufen. LOLA erhielt ein Gründungsstipendium, aber für weitere Förderungen galt die Idee als zu wenig innovativ. Ein soziales Netzwerk und KI wurden integriert. Ihr Fazit: Soziale Innovation reicht oft nicht für wirtschaftliche Förderung aus. Neukauf von Produkten ist im Vergleich zu Reparieren oder Leihen noch zu einfach und es fehlt an Bekanntheit von Alternativen.

Alexandra Strickner fordert politische Rahmenbedingungen zur Stärkung von Initiativen. Der Austausch auf lokaler Ebene sollte verstetigt werden, z.B. durch einen Kreislaufwirtschaftsrat. Politische Unterstützung auf lokaler Ebene ist entscheidend für die Verstetigung und Skalierung von Initiativen, auch HUBs für Wissensmanagement könnten helfen. Neben positiven Rahmenbedingungen braucht es auch Verbote, z.B. gegen Fast-Fashion.

Das Symposium verdeutlichte, dass nachhaltiger Konsum nicht allein eine Frage individueller Entscheidungen ist, sondern ein gesellschaftliches Gemeinschaftsprojekt. Eine zukunftsfähige Circular Society entsteht dort, wo Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam handeln.

Im Rahmen des Symposiums kristallisierten sich folgende Bedarfe heraus:

  • Notwendigkeit des Aufbaus einer Dachorganisation als politisches Sprachrohr von Initiativen in der Kreislaufwirtschaft und als Plattform für Kooperation 
  • (strategische) finanzielle und infrastrukturelle Förderung für Initiativen
  • Aufbau von HUBs, für ein strukturiertes Wissensmanagement
  • Verankerung in lokalen, nationalen und europäischen Strategien der Kreislaufwirtschaft

In Parallelsessions wurden weitere Studien und Analysen aus Wissenschaft und Praxis geteilt, in einem Workshop wurden die Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze für und mit Initiativen herausgearbeitet und in einer Projektschmiede konnten Initiativen sich mit konkreten Fragestellungen Inputs von anderen Teilnehmer:innen einholen.

Die Vorträge zum Nachsehen

Gabriele Zgubic (Arbeiterkammer Wien): Begrüßung

Nina Birkner-Tröger (AK Wien): Synergien für eine nachhaltige Zukunft: Zusammenspiel von Graswurzelinitiativen und politischer Unterstützung Video

Florian Hofmann (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung): Von der Circular Economy zur Circular Society – Konsuminitiativen als zentraler Baustein für eine gesellschaftliche Transformation Video

Maria Langsenlehner (Umweltdachverband): Repair-Cafés als Good Practice Beispiel von Konsuminitiativen Video

Christa Müller (die anstiftung): Selbermachen und Reparieren: Wie die „anstiftung“ als Plattform für Vernetzung urbane Subsistenzorientierung fördert Video

Alexandra Frangenheim (Universität für Bodenkultur) und Martin Gerstl (Morgenrot): Verstetigung und Skalierung von Multi-Stakeholder Genossenschaften in Österreich: Inspiration durch Hansalim (Korea) und Seikatsu Club (Japan) Video

Matteo Ramin und Kim Warnecke (WU Wien): Library of Things Video

Björn Schulz (WWF Deutschland): Ressourcenleicht Leben Video

David Steinwender (Interdisziplinäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur): Bio/Diverse Essbare Städte als Beteiligungsmodell: Eine Grazer Fallstudie im Kontext urbaner Ernährungsgerechtigkeit Video

Birgit Teufer (Ferdinand Porsche FernFH): Zwischen Nachhaltigkeit und strukturellen Herausforderungen: Eine Fallstudie zu Handlungspotenzialen und Grenzen einer FoodCoop als zivilgesellschaftliche Konsuminitiative Video

Franz Wieser (Offinne): Offinne – Ein offenes Netzwerk als Katalysator für die österreichische Repair-Bewegung Video

Stephanie Moser (Universität Bern): Unterstützung bei der Verstetigung von Konsuminitiativen – Beispiele aus der Schweiz Video

Podiumsdiskussion Kreislaufwirtschaft fördern: Was brauchen Konsuminitiativen zur Verstetigung und Skalierung und welche Rolle trägt die Politik? mit Jürgen Czernohorszky (Stadtrat für Klima, Umwelt und Demokratie Wien), Marion Oberenzer (LOLA) und Alexandra Strickner (GLOBAL 2000)

Eine ausführliche schriftliche Dokumentation der Veranstaltung finden Sie hier.