Junge Frau blickt traurig aus dem Fenster
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16.11.2022

Hohe Mieten, hohe Ungleichheit!

AK und Mietervereinigung warnen vor den drastischen Folgen der Mietpreis-Explosionen und fordern die Politik zum Handeln auf. Die gemeinsame Pressekonferenz können Sie hier nachsehen:

Mieteinnahmen sprudeln, Mieter sind im Trudeln

Kategoriemieten steigen zum dritten Mal – Neue AK Berechnungen zeigen enorme Sondergewinne der Immobranche und hohe Mieter:innen-Belastungen – Her mit Mietpreisbremse und Sofort-Hilfe mit „5 aus 45“ Entlastungen aus dem Regierungsprogramm.

Nächste Belastungswelle rollt an

Die Kategoriemieten für bestehende Verträge steigen im Dezember zum dritten Mal – allein in nur sieben Monaten um mehr als 17 Prozent! Neue AK Berechnungen zeigen: Alle indexbasierten Mieterhöhungen 2022 belasten österreichische Mieter:innen insgesamt mit rund 400 Millionen Euro. Auf der anderen Seite steht die Immobranche mit hohen Sondergewinnen da. Ihre Mieteinnahmen wachsen seit 2008 exorbitant (plus 123 Prozent), 5,5 Milliarden Euro liegen in der Mietzinsreserve und die Eigenkapitalrentabilität ist sehr gut.  

Immer mehr Mieter:innen haben Zahlungsschwierigkeiten

Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende Mietervereinigung Wien: „Immer mehr Mieterinnen und Mieter geraten wegen der ganzen Teuerungen in Zahlungsschwierigkeiten. Teilweise sind die Mieterinnen und Mieter, die in unsere Beratungen kommen und Hilfe suchen, schon ziemlich verzweifelt. Wir als Mietervereinigung würden gerne helfen, doch leider sind auch uns die Hände gebunden. Denn derzeit gibt es keine Handhabe gegen die Indexierungen in den Verträgen, egal, ob diese mit oder ohne Schwellenwert im (Richtwert-)Altbau oder Neubau vorgeschrieben sind.“

Mieter:innen werden abgezockt

Thomas Ritt, Leiter AK Abteilung Kommunal und Wohnen: „Mieterinnen und Mieter werden abgezockt, die Immobranche steht mit  hohen Sondergewinnen da und bekommt heuer noch einen Gupf drauf. Langfristig verschärfen hohe Mieten die Einkommensungleichheit – es gibt eine Umverteilung von unten nach oben. Junge, Menschen mit weniger Einkommen oder Alleinerzieher:innen etwa können sich die eigenen vier Wände nicht mehr leisten – viele schrammen schon an der Armutsgrenze. Wohnen gehört reguliert und muss leistbar sein. Geld ist genug da. Wir wollen eine Mietpreisbremse und Sofort-Entlastung für Mieterinnen und Mieter mit ‚5 aus 45‘ Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm, die sich schnell machen lassen.“

Ab Dezember dritte Kategoriemieten-Erhöhung für laufende Verträge

Die gesetzlich geregelten Richtwertmieten stiegen im April um 5,85 Prozent für insgesamt rund 755.000 Mieter:innen in Österreich. Betroffen sind alle, die in Gebäuden leben, auf die das Mietrechtsgesetz anwendbar ist (zum Beispiel privater Altbau vor 1945 erreichtet) und deren Mietvertrag nach dem 1. März 1994 abgeschlossen wurde. Die Erhöhung betrifft also alle in den vergangenen 27 Jahren abgeschlossenen Verträge, da sie (oft) entsprechende Anpassungsklauseln im Vertrag haben sowie Neuverträge. „Anfang 2023 droht wieder eine massive Erhöhung im Ausmaß der ganzen Jahresinflation 2022, wenn die Politik untätig bleibt“, warnt AK Wohnpolitikexperte Lukas Tockner. 

Die Kategoriemieten (wenn die Inflation die fünf-Prozent-Schwelle übersteigt, kommt es zu einer Erhöhung) gingen ebenfalls für rund 252.000 Mieter:innen im April um rund fünf Prozent in die Höhe, im Juni abermals etwa um fünf Prozent und jetzt im Dezember steht die dritte Teuerung für bestehende Verträge (rund fünf Prozent) an, im November für neue. Betroffen sind alle, die in Gebäuden leben, auf die das Mietrechtsgesetz anwendbar ist (zum Beispiel privater Altbau vor 1945 errichtet) und deren Mietvertrag vor dem 1. März 1994 abgeschlossen wurde. Sie haben (oft) entsprechende Anpassungsklauseln im Mietvertrag, auch für Neuverträge (etwa bei Substandardwohnungen oder wenn die Kinder in den Mietvertrag ihrer verstorbenen Eltern eintreten) wird es kostspieliger.  

Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien ergänzt ein Beispiel: „Die Kategorie-A-Beträge stiegen österreichweit von 3,60 auf 4,23 Euro, das ist ein Plus von 17,5 Prozent. Für einen 70-Quadratmeter-Haushalt sind das Mehrkosten von saftigen rund 580 Euro im Jahr.“

Rund 856.000 Mieter:innen mit freien Mieten (also die nicht gesetzlich geregelten privaten Mietwohnungen) trifft es ebenfalls hart.  

„Die sogenannte ‚Wertsicherung‘ in Mietverträgen, die wir von der Mietervereinigung prüfen, ist de facto Standard“, sagt Hanel-Torsch. „Die Schwellenwerte liegen überwiegend bei drei und fünf Prozent. Demnach haben die Haushalte mit freien privaten Mietverträgen heuer zwei bis drei Erhöhungen. In sehr seltenen Fällen, vor allem bei älteren Verträgen sind zehn Prozent zu finden, außerdem ist eine jährlichen Anpassung ohne Schwellenwert Gepflogenheit.“ 

Beispiel

Bei einem Vertrag mit einer „Wertsicherung“ einer drei-Prozent-Schwelle gab es heuer bereits drei Erhöhungen (Februar, Mai und September). Konkret: In dieser 70 Quadratmeter Wohnung zahlt ein Haushalt auf ein Jahr gerechnet über 1.200 Euro mehr. 

AK Wohnpolitikexperte Lukas Tockner rechnet vor: „Alle indexbasierten Mieterhöhungen belasten die betroffenen rund 1,8 Millionen österreichischen Mieterinnen und Mieter insgesamt mit etwa 400 Millionen Euro. Davon entfällt mit rund 350 Millionen Euro der Löwenanteil auf das private Segment. Gemeinnützige Bauvereinigungen sind in diesem Zahlen nicht enthalten, weil die dortige Mietenentwicklung hauptsächlich durch das Kostendeckungsprinzip bestimmt wird.“ 

Immobranche ist Trittbrettfahrer der Inflation

Mieteinnahmen  sprudeln: Die Mieteinnahmen wachsen viel dynamischer als die Wirtschaft insgesamt. Während das (nominelle) Bruttoinlandsprodukt zwischen 20028 und 2021 um 37 Prozent  anwuchs, haben sich die Mieteinnahmen mehr als verdoppelt, ein Plus von 105 Prozent, mit den heurigen Erhöhungen werden es sogar 123 Prozent“, so Tockner. 2008: 1,99 Milliarden Euro; 2021: 4,09 Milliarden Euro.

Die Mietzinsreserve (Kosten der Erhaltung haben Vermieter:innen aus der Mietzinsreserve zu zahlen) ist ebenfalls „fett“: Laut AK Schätzungen betragen die Mietzinsreserven knapp 5,5 Milliarden Euro für rund 300.000 private Altbau-Mietwohnungen, die vor 1945 errichtet wurden und wo demnach entsprechende gesetzliche Regelungen bestehen. Zuletzt gab es aber bereits rund 745.000 private Mietwohnungen in Österreich.

Das bedeutet: Mit den geschätzten Hauptmietzinsreserven lassen sich von den rund 300.000 privaten Altbaumietwohnungen sofort rund 263.000 Wohnungen thermisch sanieren (Fassade, Dämmung von oberster Geschoß- und Kellerdecke). 

3 Eigenkapitalrentabilität wächst kontinuierlich: Die Eigenkapitalrentabilität der Immobilienbranche steigt laut Daten der Österreichischen Nationalbank mittelfristig an und liegt in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt bei fast zwölf Prozent. In dieser Statistik sind nicht nur gewerbliche Immobilienunternehmen, sondern auch die gemeinnützigen Bauvereinigungen enthalten. Letztere machen aber viel niedrigere Gewinne – weil sie strikt reguliert sind. Man kann also davon ausgehen, dass die Eigenkapitalrentabilität der Privaten sogar im Bereich von 15 Prozent liegt.

Verzweifele Mieter:innen in Beratung 

„Die hohen Mieten setzen den Mieterinnen und Mietern enorm zu“, weiß Hanel-Torsch. „Viele, die in unsere Beratung kommen, sind schon sehr verzweifelt.“ 

Beispiele aus der Praxis der Mietervereinigung:

  • Pensionistin Frau S.: „Bitte fordern Sie eine Lösung für ALLE Mieter:innen. Ich wohne in einem frei finanzierten Haus und lebe von einer mittleren Pension. In unserem Haus gibt es keine einzige wohlhabende Partei. Wir bekommen trotzdem neue Mietvorschreibungen am laufenden Band, die ersten Mieter:innen haben schon kapituliert und sind ausgezogen.“ 

  • Angestellte Frau P.: „Ich suche seit Jahren eine unbefristete Alternative zu unserem befristeten Mietvertrag, so etwas ist kaum mehr zu finden am freien Markt.“  

  • Die Wohnkosten von Familie W. aus Wien-Hernals sind heuer gleich mehrfach gestiegen: „Bisher hatten wir alle paar Jahre eine Mieterhöhung – heuer ständig. Wie ist das rechtlich möglich?“ Viele Mieter:innen glauben aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen, dass mehrfache Erhöhungen der Miete innerhalb kurzer Zeit rechtlich gar nicht möglich wären. Doch das ist leider nicht der Fall. Familie W. wurde aufgrund einer 3%-Schwellenwert-Vereinbarung im Mietvertrag heuer schon drei Mal die Miete erhöht; nun zahlt sie Monat für Monat um rund 100 Euro mehr als zu Jahresbeginn. Dazu kam eine Betriebskosten-Nachzahlung im August und nun auch höhere Teilzahlungen für Strom und Gas.

  • Ebenfalls rund 100 Euro mehr pro Monat muss Frau K. für ihre 53-Quadratmeter-Altbauwohnung in Wien aufbringen: In Ihrem Mietvertrag gibt es keinen Schwellenwert, die sogenannte „Wertanpassung“ erfolgt jährlich. Bis Juli 2021 zahlte die Pensionistin 784 Euro Miete, seit Juli dieses Jahres werden 883 Euro fällig – das ist ein Plus von mehr als zwölf Prozent, die gestiegenen Betriebs- und Energiekosten noch gar nicht eingerechnet!

Hanel-Torsch: „Die Mieterinnen und Mieter sind den Vermietern meist ausgeliefert, etwa bei Befristungen oder überhöhten Mieten. Und nächstes Jahr droht der nächste Belastungsschub – Anfang 2023 werden die Richtwerte wieder massiv steigen. Das wird viele ins finanzielle Chaos treiben. Die Immobilienwirtschaft hat diesen Einnahmenzuwachs nicht nötig. Mehrere Länder in Europa haben hier schon wirksame Mietpreisbremsen umgesetzt, etwa Spanien, Portugal, Frankreich und die Schweiz, um die Mieter:innen und Mieter zu entlasten. Die Bundesregierung muss endlich handeln.“

Mieter:innen rasch entlasten!

Thomas Ritt, Leiter AK Abteilung Kommunal und Wohnen: „Durchschnittlich zahlen Miethaushalte heuer um 450 Euro mehr im Jahr, einzelne Mietwohnungen werden sogar um bis zu 1.300 Euro im Jahr teurer – und da sind die teuren Gas-, Strom-, Fernwärmepreise und andere Fixkosten noch nicht dabei. Und 2023 werden die Mieterhöhungen teils noch saftiger ausfallen.

Die Mieter:innen werden abgezockt, auf der anderen Seite machen die Immobilienfirmen seit Jahren Sondergewinne und bekommen heuer aufgrund der hohen Inflation noch mehr drauf. Wohnen gehört reguliert. Es gibt eine Umverteilung von unten nach oben. Junge Familien, Menschen mit weniger Einkommen oder Alleinerzieher:innen beispielsweise können sich die eigenen vier Wände nicht mehr leisten. So kann es nicht weitergehen.

Diese dramatische Entwicklung muss ein Weckruf für die Regierung sein. Viele sind jetzt schon an der Armutsgrenze und das wird sich noch weiter verschärfen“, warnt Ritt. „Wohnen muss leistbar sein. Entlastungen für die Mieterinnen und Mieter sind dringend nötig.“

Unsere Forderungen

Befristungen abschaffen

„Unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, Expertinnen und Experten, Ländern und Gemeinden, der Zivilgesellschaft, Kammern und Interessenvertretungen wird im Rahmen parlamentarischer Instrumente (z.B. Wohnraum-Enquete, Dialogforen) das Wohnrecht (MRG, WGG, WEG, ABGB, WBF) reformiert, damit mehr sozialer Ausgleich, ökologische Effizienz sowie mehr Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit geschaffen wird. Ziel ist es, bis Ende der Legislaturperiode koordinierte Maßnahmen zu formulieren und umzusetzen, die alle wesentlichen Regelungsbereiche behandeln.“ 

Mietrechtsgesetz mit Mietobergrenzen!

AK und Mietervereinigung verlangen: Ein einheitliches einfaches Mietrechtsgesetz mit wirksamen Mietobergrenzen ist dringend nötig. Aber Dialogforen & Co. werden nicht schnell genug Ergebnisse bringen. Daher: Weg mit den befristeten Mietverträgen. Das lässt sich schnell umsetzen. Immobilienkonzerne, Versicherungen und andere große Wohnungsbesitzer:innen sollen zukünftig nur mehr unbefristet vermieten dürfen. Privatpersonen sollen hingegen eine Wohnung befristetet vermieten dürfen. Immerhin sind drei von vier neuen Mietverträgen im privaten Segment nur mehr befristet.

Hilfe bei Miet- und Energiekosten-Schulden

  • Wohnschirm hilft bei Miet- und künftig auch bei Energiekosten-Schulden.

  • Was tun bei Rückstand mit Energierechnung

  • Wohnbeihilfe ansuchen: In Wien können Sie bei der MA 50 Wohnbeihilfe beantragen, wenn Sie ein gewisses Mindesteinkommen haben: Tel.: +43 1 4000-74880, E-Mail: wohnbeihilfe@ma50.wien.gv.at. In allen anderen Bundesländern gibt dazu das jeweilige Amt der Landesregierung Auskunft.
     
  • Zu hohe private Altbaumiete: Checken Sie Ihren Mietzins mit dem Richtwertmietzinsrechner der Stadt Wien.

  • Sie zahlen zu viel? Antrag bei wohnrechtlicher Schlichtungsstelle MA 50: Tel.: +43 1 4000-744 98, E-Mail: ks@ma50.wien.gv.at. In den anderen Bundesländern geben Mieterorganisationen und Bezirksgerichte Auskunft.


Kontakt

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Pressestelle der AK Wien und der Bundesarbeitskammer

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