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Die AK gab bei wohnbund:consult eine Studie in Auftrag „Wohnbauboom in Wien 2018 – 2021“ – der zweite Teil der AK Studie zeigt bei 3.000 frei finanzierten Wohnungen:
Die frei finanzierten Wohnungen schauen meist sehr ähnlich oder sogar gleich aus, Abstellräume fehlen, schlechte Beleuchtung in Kochnischen und Gängen, Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen (rund 40 Quadratmeter) boomen, Fehlanzeige für spezielle Wohnbedürfnisse wie Betreuungsbedarf oder Wohngemeinschaften, es hapert an Gemeinschaftsräumen, Erdgeschoße sind „verwaist“ – meist Blindfassaden oder Garagen.
Beworben werden die vier Wände sehr blumig. Die Bauträger schmücken sich dabei gerne mit fremden Federn – so etwa mit guten Öffi-Anbindungen, Naturnähe oder Spielplätzen, die ohnehin bei manchen Projekten ein „Must-have“ sind.
Die Studienergebnisse wurden am 14.9.2022 präsentiert:
Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunal & Wohnen: „Da sind Luxuswohnungen am Markt, aber nur beim Preis, nicht bei der Qualität. Es wird am Bedarf vorbei gebaut, zudem sind die Wohnungen viel zu teuer. Denn die vielen ‚kleinen Schuhschachteln‘ mit fast gleichem Grundriss sind für Junge oder Alleinstehende unleistbar.
Der Grund: Der Wohnungsmarkt ist auch Tummelplatz für Anleger:innen. Gefragt sind leistbare Wohnungen – für Junge und Familien. Vor 15 Jahren bekam man eine 90 Quadratmeter-Wohnung zu einem halbwegs leistbaren Preis, jetzt haben sich die Preise verdoppelt, dafür bekommt man ein großes Zimmer weniger.“
Wohnen muss leistbar sein – dazu ist ein Mix an Maßnahmen nötig:
Der zweite Teil der AK Studie „Wohnbauboom in Wien 2018 – 2021“ beschäftigt sich mit der Qualität und Vermarktung der frei finanzierten Wohnungen. Die AK hat die Studie bei der wohnbund:consult in Auftrag gegeben. Untersucht hat wohnbund:consult 50 frei finanzierte Projekte mit knapp 3.000 Wohnungen.
Die Studie beschäftigt sich damit, was eigentlich Qualität im Wohnbau heißt. Als Basis wurden die Qualitätskriterien nach dem 4-Säulen-Modell herangezogen: Soziale Nachhaltigkeit (wie steht es etwa um den angebotenen Wohnungsmix, die Nutzbarkeit aufgrund wechselnder Bedürfnisse, Allgemeinflächen), Architektur (etwa öffentlich zugängliche Flächen, Erdgeschoßnutzungen, Beleuchtung in Gängen), Ökologie (Energieeffizienz, Art der Energieversorgung) und Ökonomie (Angebots-/Verkaufs- oder Vermietungspreise).
Die Analyse von knapp 3.000 frei finanzierten errichteten Wohnungen zeigt:
Zwei-Zimmer-Wohnung, 40 Quadratmeter kommt 233-mal in einem Wohnprojekt eines Bauträgers vor: Von den insgesamt 408 Vorsorge- und Eigentumswohnungen sind elf Ein-Zimmer-Wohnungen, 288 (praktisch idente) Zwei-Zimmerwohnungen, 95 Drei- und zwölf Vier-Zimmer-Wohnungen. Das bedeutet: Die Zwei-Zimmer-Wohnungen machen über 70 Prozent der Wohnungen in diesem Projekt aus.
Die Studie analysiert auch die Bewerbung von 70 Projekten. Dabei zeigt sich: Die Bewerbung, mit denen die Wohnungen an Frau oder Mann gebracht werden sollen, bezieht sich meist auf das Quartier, den Bezirk oder die Adresse der Projekte: „Lifestyle im Fünften“, „Familienwohnen in Hietzing“, „Mikrokosmos aus Kreativität, Genuss und Tradition“ (Ottakring). Am zweithäufigsten wird die Lage in Bezug auf nahegelegene Grünräume oder Gewässer in der Werbung genannt („Stadt und Grün vereint“, „Wohnen am Wasser“, „Panoramawohnen mitten im Park“).
Studienautor Ernst Gruber resümiert: „Der zentrale Fokus der Qualitäten des frei finanzierten Wohnbaus liegt auf der Wohnung. Der positive Beitrag zum Wohnumfeld hingegen ist gering. Vor allem in den gründerzeitlichen Vierteln geht dadurch die Entwicklung hin zu reinen Wohnquartieren, die mit der Qualität des Umfeldes werben und von dieser profitieren, dazu aber kaum etwas beitragen.
Ohne wettbewerbliche und qualitätssichernde Vorgaben haben die privaten Bauträger beim Bauen große Spielräume mit wenig Regeln. Also überall dort, wo Qualitätssicherung fehlt, geht die Tendenz hin zur bloßen Erfüllung der Mindestanforderungen. In der Bewerbung wird die Qualität des bestehenden Wohnumfeldes betont, also Lage, Lage, Lage. Eigentlich wird die ‚Stadt‘ verkauft, also das, was eh schon da ist.“
„Es wird vor allem frei finanziert gebaut“, betont Verlic. „Zwischen 2018 und 2021 wurden insgesamt rund 1.200 Projekte mit rund 58.000 Wohnungen errichtet, das sind jährlich zwischen 12.000 und 17.000 Wohnungen. Der Großteil wurde ohne Fördermittel gebaut, nämlich 66 Prozent der Wohnungen.“
1994 kamen in Wien noch 7,3 geförderte Wohnungen auf eine frei finanzierte Wohnung, 2017 nicht einmal mehr eine ganze geförderte Wohnung: 0,7. Der überwiegende Teil (61 Prozent) der Wohnungen wird von gewerblichen Bauträgern errichtet, 36 Prozent von gemeinnützigen Bauvereinigungen und drei Prozent von ihren gewerblichen Töchtern.
Die AK Studie zeigt: Es werden vorwiegend Klein- und Kleinstwohnungen mit fast immer gleichem Grundriss gebaut. „Familien finden keine Wohnungen mit mehr als drei Zimmern, schon gar nicht mit einem durchschnittlichen Einkommen. Es gibt kaum Wohnungen mit mehr als einem Schlafraum. Und das, obwohl in der Bewerbung von Familien gesprochen wird. Und gibt es einmal größere Wohnungen, sind sie für Durchschnittsfamilien unfinanzierbar“, sagt Verlic.
„Junge Menschen können sich die Single-Wohnungen auch kaum nicht leisten, weil sie so teuer sind. Und wer besondere Bedürfnisse hat oder in Wohngemeinschaften leben will, findet bei den frei finanzierten Wohnungen ebenfalls null Angebote.“
„Wer eine Wohnung hat, lebt oft in mittelmäßiger Qualität. Und dann steigen schon die nächsten Probleme bei der Möblierung auf“, weiß Verlic. „Bei der Planung kann man keine eigenen Ideen einfließen lassen, sie lassen sich ausschließlich mit Standardmöbeln einrichten, da kaum Spielraum für was anderes ist. Natürliches Licht ist auch oft schwierig. Das heißt wieder mehr Stromverbrauch, was gerade bei den explodierenden Energiepreisen zusätzlich zu Buche schlägt.“
Was die AK Expertin noch kritisiert: „Gerade in Zeiten, wo das Homeoffice bei vielen Menschen ein Thema ist, geht Wohnen und Arbeiten aufgrund der kleinen und kompakten Grundrisse nur schwer bis gar nicht.“
„2021 hat die Anzahl der von Investoren gekauften Wohnungen deutlich zugenommen: Fonds, Banken & Co. kauften innerhalb eines Jahres 4.922 Wohnungen!“, betont Verlic. Das entspricht beinahe jeder zweiten Wohnung, die in diesem Jahr von gewerblichen Bauträgern errichtet wurde.
Der Anteil von internationalen Investoren beträgt bereits 67 Prozent. Zwischen 2018 und 2021 waren es 40 Prozent. „Das zeigt ganz deutlich, dass nicht fürs Wohnen, sondern fürs Spekulieren gebaut wird“, schlussfolgert Verlic.
Luxuswohnung, aber leider nur vom Preis – wie ein Beispiel zeigt. Ein Paar zieht in eine Wohnung im frei finanzierten Neubau. Die Wohnung hat zwei Zimmer mit 50 Quadratmetern zu einem Mietpreis von 16 Euro pro Quadratmeter.
Die monatliche Belastung macht 800 Euro aus. Da erwartet man sich eine luxuriöse Wohnsituation – in der Realität sieht es jedoch anders aus. Der Gang zur Wohnung ist unbelichtet, es wird in der Kochnische ohne natürliches Licht gekocht.
Während Corona war Homeoffice angesagt, da konnte aber kein Schreibtisch im Wohnzimmer sinnvoll untergebracht werden. Die Familie bekam Nachwuchs – das elterliche Schlafzimmer lässt sich nur mit viel Improvisation in der Wohnküche unterbringen.
„Obwohl viel gebaut wird, steigen die Preise ins Unermessliche – von günstigen Preisen keine Spur. Es ist schwierig, eine geeignete leistbare Wohnung zu finden. Hat man eine, dann ist die Qualität mittelmäßig, der Preis Luxus“, so das Fazit der AK Expertin.
„Bei den frei finanzierten Wohnungen entstehen meist Luxuswohnungen beim Preis, aber nicht bei der Qualität. Denn es wird auch zunehmend fürs Anlegen gebaut, nicht fürs Wohnen“, schlussfolgert Ritt. „Das Zuwenig an Quadratmetern, also die unzähligen fast gleich aussehenden Single-Wohnungen, ist für Alleinstehende oder Alleinerzieher:innen nicht leistbar.
Gefragt sind leistbare Wohnungen, auch für Familien. Der Wohnungsmarkt soll die Bedürfnisse der Mieter:innen abdecken und nicht an ihren Bedürfnissen vorbei bauen und auch nicht Tummelplatz für Anleger:innen sein. Es muss dringend leistbarer Wohnraum geschaffen werden. Mietwohnungen von Gemeinnützigen Bauvereinigungen sind im Vergleich dazu leistbar und stehen auch von Qualität und Grundriss besser da“, betont Ritt.
Wenn privat gebaut wird, dann braucht es Qualitätsvorgaben. Und das macht der geförderte Wohnbau vor. Qualitätssichernde Verfahren wie Bauträgerwettbewerbe sorgen durch Beurteilung von Bauprojekten im geförderten Bereich für hohe Qualität.
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