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Eine Gesellschaft ohne Kunst und Kultur ist undenkbar, aber die Arbeitsbedingungen jener, die diese wichtigen Beiträge leisten, sind oftmals prekär und schlecht bezahlt. Hier sind dringend Verbesserungen notwendig.
Die Arbeiterkammer Wien hat daher gemeinsam mit dem Kulturrat Österreich die aktuellen Problemfelder der Arbeit in Kunst und Kultur anhand von sechs Themenfeldern – von Arbeitslosengeld bis Urheberrecht, von Krankenversicherung bis Gleichbehandlung – beleuchtet und gemeinsame Perspektiven dazu erarbeitet.
Bei einer Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Expert:innen wurden die Problemfelder im Austausch mit dem Publikum debattiert. Die wichtigsten Ergebnisse haben wir hier zusammengefasst.
Eine Zunahme sogenannter atypischer Beschäftigungsverhältnisse ist in beinahe sämtlichen Branchen zu beobachten, in der Kulturarbeit, geprägt von projektweiser Beschäftigung und freien Dienstverhältnisse, ist dieses Phänomen allerdings besonders stark verbreitet. Lücken in der kollektivvertraglichen Abdeckung tragen noch zusätzlich zu den prekären Arbeitsbedingungen bei.
Im Rahmen der Diskussion wurden daher mögliche Wege zum Abschluss von Kollektivverträgen diskutiert, wo derzeit keine bestehen, insbesondere die Schaffung freiwilliger Arbeitgeberverbände als Verhandlungspartner der Gewerkschaften. Andererseits wurde neben der, zur Einhaltung von „fair pay“-Kriterien dringend notwendigen Erhöhung bestehender Förderungen auch die Stärkung der Arbeitsinspektorate diskutiert, um die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.
Die Arbeiterkammer ist sich ihrer Rolle als kulturpolitische Akteurin bewusst und nimmt den gesetzlichen Auftrag, die kulturellen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern und Kunst für alle zugänglich zu machen, sehr ernst. Die Veranstaltung bot daher einen Rahmen, gemeinsam mit Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen zu bewerten, wie es um die aktuelle Kulturförderung bestellt ist und welche Verbesserungen notwendig sind, um Kunst von den Vielen und für die Vielen zu ermöglichen.
Wesentliche Anknüpfungspunkte wurden u.a. im Bereich der Kunst- und Kulturbildung gefunden: um den Kulturbegriff breiter und vielschichtiger neu verhandeln zu können, braucht es niederschwellige Zugänge von Anfang an. Konkret bedarf es des Ausbaus kostenfreier Angebote und Erfahrungsräume in verschiedenen Kontexten und Formaten, um die kulturelle Teilhabe - insbesondere für junge Menschen - zu ermöglichen. Zudem sollten klare, stark vereinfachte und transparente Prozesse der Kulturförderung erarbeitet werden, um die gerechte Vergabe von Fördermitteln zu gewährleisten und die Vergabechancen gerechter zu verteilen.
Viele Vertragsbeziehungen im Bereich der Kulturarbeit sind, unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung, durch wirtschaftliche Abhängigkeit gekennzeichnet. Im Sprachgebrauch der EU-Kommission sogenannte Solo-Selbstständige bieten ihre Arbeitsleistung oft zu mehr als 50% nur einem Arbeitgeber an. Viele von ihnen befinden sich somit in einer Situation ähnlicher wirtschaftlicher Abhängigkeit, wie Arbeitnehmer:innen in klassischen Beschäftigungsverhältnissen.
Bis zur Veröffentlichung der Leitlinien zur Anwendung des Wettbewerbsrecht auf Tarifverträge über Arbeitsbedingungen von Solo-Selbstständigen galten Vereinbarungen zur Mindestvergütung von Honoraren als Preiskartell im Sinne von Art 101 Vertrag über die Arbeitsweise der EU und waren deshalb verboten. Nun hingegen haben wirtschaftlich abhängige Solo-Selbstständige die Möglichkeit, mit ihrer Gegenpartei, also den Arbeitgeber:innen- bzw. Auftraggeber:innenvertretungen Kollektivverträge bezüglich Entgelt- und Arbeitsbedingungen abzuschließen.
Hier wird es in Zukunft notwendig sein, mit der Wirtschaftskammer zumindest die untersten roten Haltelinien für Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen zu vereinbaren. Eine Herausforderung dabei ist die Einhaltung des Grundsatzes der Gegnerfreiheit, da manche wirtschaftlich abhängigen Solo-Selbstständigen Mitglied in der WKÖ sind. Bei der Bundeswettbewerbsbehörde sollten in Kooperation mit den Gewerkschaften Leitlinien für den Inhalt (solcher) Vereinbarungen erarbeitet werden.
Hier geht es um die Stellung gegenüber mächtigen Vertragspartnern, wie Verlagen oder Filmproduzenten. Die europäischen Vorgaben wurden im österreichischen Urheberrecht übernommen, doch der Reality Check zeigt: Es bedarf einer verbesserten Rechtsdurchsetzung sowie einem Mehr an Transparenz vor allem betreffend das „Wie“ der Art der Verwertung. Als große Herausforderung wird auch die kollektive Vertretung gegenüber Plattformen bei der Online-Nutzung gesehen.
Derzeit sind die sozialen Systeme für selbstständig und unselbstständig Tätige nicht gut aufeinander abgestimmt. Für Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen, die oft an dieser Schnittstelle arbeiten, entstehen damit Lücken in der sozialen Absicherung. Hier braucht es eine bessere Anpassung, damit jene, die in beiden Welten arbeiten, nicht zwischen den Systemen aufgerieben werden.
Die Möglichkeit der Ruhendmeldung der künstlerischen Tätigkeit sollte durch eine formlose Meldung bei der SVS vereinfacht werden. Die Situation, dass kein Gewerbeschein vorliegt, der zurückgelegt oder ruhend gestellt werden kann, betrifft dabei nicht nur Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen, sondern alle neuen Selbstständigen und sollte daher auch für alle neuen Selbstständigen gelten.
Ebenso wurde diskutiert, dass die tageweise Beschäftigung einer Neuregelung unterzogen werden sollte, um die Gleichbehandlung aller Beschäftigten mit derselben Einkommenshöhe zu gewährleisten.
Auch in Bezug auf die Einkommensgrenzen bei AMS-Bezügen wurde Kritik laut. Diese sollten sich allein nach der jährlichen Pflichtversicherungsgrenze richten und nicht zusätzlich bei einer monatlichen Überschreitung des Gewinnes zum Wegfall der Leistung führen.
Ungleichbehandlung, sexuelle Belästigung und jegliche Formen von Diskriminierung gibt es auch im Kunst- und Kulturbereich. Oft werden sie als Randthema gesehen und, wenn überhaupt, nur anlassbezogen behandelt. Machtmissbrauch, finanzielle Abhängigkeit und diskriminierende Strukturen durch prekäre Arbeitsverhältnisse begünstigen Diskriminierungen. Die Betroffenen verfügen insgesamt über wenig Information, wie sie sich dagegen wehren können. Umgekehrt leisten Kulturarbeiter:innen wichtige Demokratiearbeit, wenn sie gesellschaftliche Missstände thematisieren.
Es ist daher erforderlich, Diskriminierung durch Prävention zu verhindern, zB in Form verbindlicher Schulungen für Vorgesetzte. Allgemein ist der Ausbau von Schulungsangeboten ebenso geboten, wie den Diskriminierungsschutz auch außerhalb der Arbeitswelt auszudehnen (Stichwort „Levelling up!“). Weiters wird zur Einhaltung von Gleichbehandlung die Verankerung verbindlicher sozialer Kriterien in Förderrichtlinien benötigt.
Wohin man sich im Falle sexueller Belästigung wenden kann, erfahren Sie hier.
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