Türkische Gastarbeiter:innen machen sich auf den Weg nach Österreich, 1971.
Türkische Gastarbeiter:innen machen sich auf den Weg nach Österreich, 1971. © Hürriyet, İstanbul
26.11.2024

Gast – Arbeit – Leben: Festakt anlässlich 60 Jahre Anwerbeabkommen

Am 26. November 2024 lud die AK Wien zu einem Festakt anlässlich des 60. Jubiläums des ersten großen Anwerbeabkommens Österreichs für ausländische Arbeitskräfte.

Gastarbeiter:innen haben Österreich geprägt

Mitte der 1950er Jahre kam es in ganz Zentral- und Westeuropa zu einer steigenden Nachfrage nach Arbeitskräften. Nach langen Diskussionen vereinbarten ÖGB und Wirtschaftskammer, 47.000 ausländische Arbeitskräfte zuzulassen. Folglich schloss Österreich Anwerbeabkommen mit Jugoslawien und der Türkei.

Integrationsangebote wurden den ankommenden Kolleg:innen keine gemacht, da davon ausgegangen wurde, dass diese aufgrund des vereinbarten „Rotationsprinzips“ nach kurzer Zeit Österreich wieder verlassen würden. Die Gastarbeiter:innen übernahmen vor allem körperlich anspruchsvolle und gering entlohnte Arbeiten, die von Einheimischen oft gemieden wurden.

Obwohl ursprünglich als temporäre Maßnahme gedacht, blieb ein großer Teil der Arbeiter:innen in Österreich, vielfach wurde die Familie nachgeholt, was langfristig die Gesellschaft und Kultur des Landes prägte. Dieses Kapitel der Geschichte gilt als prägend für die Entstehung der heutigen Migrationsgesellschaft in Österreich. 

Festakt anlässlich 60 Jahre Anwerbeabkommen

In den Jahren 1964 und 1966 wurden die wichtigen Anwerbeabkommen für Arbeitsmigration mit der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien abgeschlossen. 60 Jahre später würdigten wir gemeinsam die zentrale Rolle migrantischer Arbeitnehmer:innen und ihrer Familien in Österreich.

Der Abend wurde eröffnet durch Festreden von AK-Präsidentin Renate Anderl und ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schuhmann.

Es folgten Statements zu Visionen für eine inklusive Gesellschaft der Zukunft von Johannes Kopf, AMS, Theodora Manolakos, Stadt Wien, Maryam Singh, Beratungszentrum für Migrant:innen, Gülgün Stoiber, Peregrina, Rita Isiba, Verein ZARA, Kadim Ülker, AK Wien, den Influencer:innen Erik Seidel aka Satansbratan und Luna Reininger, Willi Mernyi, ÖGB und Ilkim Erdost, AK Wien.

Den Abschluss machte das Steuerungsteam für Integration der AK Wien Oliver Gruber, Kevin Hinterberger, Johannes Peyrl, Asiye Sel und Mara Verlič. Der Abend wurde von Ani Gülgün-Mayer moderiert und musikalisch begleitet von Moša Šišic und seiner Band.

Die gesamte Veranstaltung zum Nachschauen finden Sie hier:


Anerkennung und Wertschätzung für Gastarbeiter:innen

Migrantische Arbeitskräfte haben Österreich, die Gesellschaft und Volkswirtschaft durch ihre Leistungen maßgeblich geprägt und sind ein wichtiger Teil der österreichischen Arbeitnehmer:innenschaft. Mit diesem Festakt wurde Gastarbeiter:innen Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht – auch für die Herausforderungen, die sie gemeistert haben.

Alte Filme und Interviews mit Zeitzeug:innen

Nach den Festreden zum Thema "Visionen für eine inklusive Gesellschaft" bot die Initiative Minderheiten in Video- und Plakat-Projektionen Einblicke in aktualisiertes Material aus der erfolgreichen "Gastarbajteri" Ausstellung. Die Perspektive der Betroffenen wird in historischen Filmen und Interviews mit Zeitzeug:innen erlebbar:

Narmanli han – Anwerbestelle

Narmanli han, ein historisches Gebäude in Istanbul, war für viele Arbeitsmigrant:innen der erste Berührungspunkt mit Österreich. Seit 1964 war hier die Österreichische Anwerbekommission ansässig:


Wohnen in Wien und Walddörfl

Ein WC für 12 Personen. Keine Waschgelegenheit. Kein Zutritt zur Firmenkantine. Die Wohnsituation der Gastarbeiter:innen der 70er Jahre war desaströs:


Wenn der Fisch kommt – Kad dodje rib

Seit Mitte der 60er Jahre beschäftigte die Fischfabrik C. Warhanek direkt in Jugoslawien angeworbene Arbeiterinnen: 2 dieser Frauen erzählen aus ihrem Alltag in der Wiener Fischfabrik:


Adatepe – Rückkehr und Heimat

Das Dorf Adatepe in der Türkei empfing im Jahr 1994 die ersten Pensionist:innen, die nach 30 Jahren Arbeit in Österreich zurückgekehrt waren. Heute ist in Adatepe kaum eine Person anzutreffen, die keine Verbindung zu Österreich besitzt:


„Ob Türken oder Jugoslawen, die Gastarbeiter haben das Land aufgebaut. 
Das muss man feiern. Das ist ja die Geschichte von Österreich".

Kamil B. kam 1967 als „Gastarbeiter" nach Österreich.
Interview, 2012

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