Paketzusteller
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10.12.2025

Zusteller schuften oft bis zum Umfallen

Die Paketmengen steigen stetig und explodieren zu Weihnachten. Für Zusteller:innen bedeutet das lange Arbeitstage und kaum Planbarkeit. Die Löhne sind meist niedrig. Die Kuriere haben häufig Migrations- oder Fluchthintergrund. Eine wirksame Umsetzung der EU-Richtlinie zur Plattformarbeit könnte ihre Arbeitsbedingungen verbessern. Dazu informieren die AK Expertinnen Bianca Schrittwieser und Adriana Mandl:

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So geht es den Zusteller:innen

Extreme Belastung und hoher Zeitdruck: Die Arbeitsbedingungen sind hart und grenzen oft an Ausbeutung. Hinzukommt, dass Zusteller:innen häufig unter algorithmischem Management leiden. Darunter versteht man digital gesteuerte Routen oder intransparente Bewertungen – oft ohne dass ein Mensch direkt eingreift. Diese Systeme sammeln Daten über das Arbeitsverhalten, die Leistung und die Kommunikation der Beschäftigten und treffen auf dieser Grundlage Entscheidungen, die normalerweise Menschen treffen würden.

Was sich mit der EU-Richtlinie ändert

Die EU-Plattformarbeitsrichtlinie schafft erstmals Regeln für wichtige Probleme in der Plattformarbeit: Sie dreht das System um: Wenn eine Plattform klar erkennbar Arbeit steuert und kontrolliert, wird künftig ein echtes Arbeitsverhältnis vermutet – und nicht mehr die Beschäftigten, sondern die Unternehmen müssen das Gegenteil beweisen. Auch für Zusteller:innen, die nur auf dem Papier selbstständig arbeiten, wäre das ein großer Schritt. Außerdem sorgt die Richtlinie für mehr Transparenz: Digitale Arbeitsplattformen müssen offenlegen, welche Daten sie sammeln und wie ihre Algorithmen entscheiden.

Adriana Mandl, AK Wien Expertin für Sozialpolitik
Adriana Mandl, AK Expertin für Sozialpolitik © Markus Zahradnik

Adriana Mandl, AK Expertin: „Was für Kund:innen oder klassische Arbeitnehmer:innen undenkbar wäre, ist für viele Personen, die Plattformarbeit leisten, bitterer Alltag: Entscheidungen, die ihr Einkommen und ihre Existenz betreffen, werden automatisiert getroffen – ohne Erklärung, überhaupt nicht nachvollziehbar und ohne konkrete Ansprechperson. Bankkund:innen wären völlig zurecht empört, wenn ihr Konto plötzlich ohne Angabe von Gründen gesperrt wird und sie niemanden erreichen könnten, um das zu klären – Plattformbeschäftigte können aber sehr wohl von einem Tag auf den anderen ausgeloggt oder ausgeschlossen werden.“ 

Bianca Schrittwieser, Leiterin der Abteilung Arbeitsrecht in der AK Wien
Bianca Schrittwieser, AK Leiterin der Abt. Arbeitsrecht © Lisi Specht

Bianca Schrittwieser, AK Expertin: „Die häufigsten Anliegen, mit denen sich Paketzusteller:innen an uns wenden, betreffen Lohnrückstände, unberechtigte Abzüge, unbezahlte Überstunden, nicht eingehaltene Ruhezeiten oder Verletzung von Höchstarbeitszeiten. Der Druck auf die Beschäftigten ist immens, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes groß. Viele Zusteller:innen sind geflüchtet oder zugewandert und auch Sprachbarrieren machen es ihnen schwer, ihre Rechte einzufordern. Die Fälle, die bei uns aufschlagen, sind daher nur die Spitze des Eisbergs. Wir müssen davon ausgehen, dass Arbeitsrechtsverletzungen im Kleintransportgewerbe nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind.“

Beispiele aus der Beratung

Ein Fahrer startet um 4:45 Uhr, liefert 170 Pakete aus und soll abends weitere 150 übernehmen. Eine schwangere Zustellerin wird trotz Kündigungsschutz entlassen. Ein anderer Kollege erhält für die gesamte erste Arbeitswoche keinen Lohn, weil der Chef sie als „Einschulung“ bezeichnet. Wieder andere müssen mit defekten Fahrzeugen weiterfahren, bis es zu gefährlichen Situationen kommt.

Mehrfach wurden Zusteller:innen deutlich unter dem kollektivvertraglichen Mindestlohn bezahlt – im Auftrag großer Paketdienste. Diese Fälle sind keine Ausnahmen, sondern typisch für eine Branche, die viel zu wenig reguliert wird und deren Beschäftigte unter massivem Druck stehen.

Wie schwierig die Arbeitsbedingungen in der Branche sind, bestätigen auch die Arbeitsrechtsexpert:innen in der AK Wien: 2024 gab es in der AK Wien 632 persönliche Vorsprachen zum Kleintransportgewerbe. Heuer waren es mit Stichtag 30. November bereits 550.

Unsere Forderungen

Tracking-Einschränkungen
Automatisierte Systeme wie GPS-Tracking sollen nur dann eingesetzt werden, wenn es wirklich nötig ist.

Falsche Entscheidungen korrigieren
Beschäftigte brauchen einfache und wirksame Wege, um falsche oder diskriminierende Entscheidungen anzufechten und richtigstellen zu lassen.

Kein Druck durch Automatisierung 
Automatisierte Überwachungs- und Entscheidungssysteme dürfen keinen unnötigen Druck erzeugen.

Entscheidungen durch Menschen
Wichtige Entscheidungen wie Kontosperren, Auftragsentzug oder Kündigungen müssen immer von Menschen getroffen werden, damit ein fairer Schutz gewährleistet ist.

Freie und sichere Kommunikation
Beschäftigte müssen sich frei untereinander austauschen können, aber auch mit ihrem Betriebsrat, der Arbeiterkammer oder Gewerkschaften – ohne Einflussnahme durch die Plattform.

Personal und Schulungen 
Die zuständigen Behörden müssen mit ausreichend geschultem Personal ausgestattet werden.

Haftung des Erstauftraggebers für Löhne
Nicht nur in der Baubranche ist es üblich, Aufträge an Subunternehmen und weiter an Sub-Subunternehmen zu vergeben.

Haftung des Auftraggebers für die Sozialversicherungsbeiträge 
Im Baubereich gibt es schon seit vielen Jahren eine Haftung des Auftraggebers für die Sozialversicherungsbeiträge. Die Erfahrungen sind gut. Es wäre daher sinnvoll – so wie in Deutschland (Paketboten-Schutz-Gesetz) – diese Haftung auch auf den Bereich der Paketzusteller:innen auszudehnen.

Wirtschaftliche Abhängigkeit und Schutzbedürftigkeit beim Arbeitnehmer:innenbegriff 
Wenn bei Scheinselbstständigkeit geprüft wird, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, sollen wirtschaftliche Abhängigkeit und Schutzbedürftigkeit stärker berücksichtigt werden. 

Höhere Strafen bei Lohn- und Sozialdumping
Lohnbetrug ist für Arbeitgeber zu billig geworden. 

Mehr Kontrollen
Um Lohn- und Sozialdumping sowie illegale Beschäftigung hintanzuhalten, muss mehr kontrolliert werden.  

„Duplum“
Wenn offene Forderungen nicht fristgerecht bezahlt werden, soll künftig der doppelte Betrag – ein „Duplum“ – fällig werden. 

Kein Verfall von Ansprüchen während des laufenden Arbeitsverhältnisses
Kurze Verfallsfristen führen dazu, dass Überstunden kaum eingeklagt werden, da Arbeitnehmer:innen während des laufenden Arbeitsverhältnisses oft Angst haben, den Job zu verlieren.

Kontakt

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Pressestelle der AK Wien und der Bundesarbeitskammer

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