Älterer Fabriksarbeiter
© Iván Moreno, stock.adobe.com
27.6.2025

Beschäftigung älterer Arbeitnehmer: Noch viel Potential in Betrieben

Nicht erst seit der aktuellen Pensionsreform der Regierung ist das Pensionsalter wieder in den Fokus gerückt. Immer wieder wird gefordert, mittels arbeitnehmerfeindlicher Reformen das Pensionssystem neu zu gestalten. Die Finanzierung des Pensionssystems entscheidet sich aber nicht am Aktienmarkt oder mit Kürzungen, sondern vor allem am Arbeitsmarkt. Hier ist jedoch bei der Beschäftigung von Menschen ab 60 dringender Handlungsbedarf gegeben. Um das faktische Pensionsalter zu heben, braucht es dringend Maßnahmen – etwa ein Bonus/Malus-System für Betriebe. AK und ÖGB haben dazu ein Älterenbeschäftigungspaket ausgearbeitet.

Download

Die Presseunterlage zum Downloaden finden Sie hier.

Pensionsalter wieder im Fokus 

In den letzten Tagen wurde immer wieder vorgebracht, dass unser öffentliches Pensionssystem unfinanzierbar sei und daher eine Anhebung des gesetzliches Pensionsantrittsalters (Regelpensionsalter) auf bis zu 70 Jahre und/oder die Einführung einer Pensionsautomatik unvermeidbar seien. Diese Vorschläge werden von uns abgelehnt. Österreich hat seine Hausaufgaben mit zahlreichen Pensionsreformen gemacht. Die Finanzierung des Pensionssystems entscheidet sich vor allem am Arbeitsmarkt.

Viel relevanter als das gesetzliche Pensionsalter ist, wann Menschen tatsächlich in Pension gehen, und da geht die Kurve deutlich nach oben.  

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter ist seit 2000 bei den Männern von 58,5 auf 62,4 Jahre, also um 3,9 Jahre, und bei den Frauen von 56,8 auf 60,4, also um 3,6 Jahre, gestiegen. Allein in den letzten 10 Jahren betrug der Anstieg sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen genau 3 Jahre! Aufgrund der Angleichung des Frauenpensionsalters an jenes der Männer werden Frauen länger am Arbeitsmarkt sein, da sie erst später in Pension gehen können. Wesentlich ist, mehr Menschen einen Zugang zum Arbeitsmarkt und gute Erwerbschancen mit einem guten Einkommen zu ermöglichen. Und das gilt in besonders hohem Maß für ältere Arbeitnehmer:innen.

Durchschnittliches Pensionsantrittsalter 2000-2024
Bild teilen


Beschäftigungsquote und Älterenquote

Ein aussagekräftiger Indikator ist jedenfalls die Beschäftigungsquote nach Altersgruppen. Hier ist die Bezugsgröße die Bevölkerung - also welcher Anteil der Bevölkerung der 55- bis 59-Jährigen oder 60- bis 64-Jährigen in Beschäftigung steht. Eine Branchenbetrachtung ist allerdings mit Beschäftigungsquoten nicht möglich. Um das Beschäftigungsverhalten von Betrieben und Branchen zu beschreiben, sind Älterenquoten heranzuziehen. Die beschreiben, wie hoch etwa der Anteil der 60- bis 64-Jährigen an der Gesamtbelegschaft in einem Betrieb ist. Hier gibt es deutliche branchenspezifische Unterschiede. Vor allem in Schwerarbeitsbranchen wie z.B. dem Bau ist der Älterenanteil deutlich geringer als im Versicherungs- und Bankenbereich. Aber völlig unabhängig von der Branche zeigt sich, dass viele, auch große Betriebe keine Älteren beschäftigen.

In Österreich sind in rund 235.000 Betrieben rund vier Millionen Arbeitnehmer:innen beschäftigt, rund 175.000 davon sind in der Altersgruppe 60-64.

Beschäftigungsquote
Bild teilen


Im Jahr 2024 waren in der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen 22,8% der Frauen (rund 76.000 von 340.000) und 45,6% der Männer (rund 150.000 von 330.000) beschäftigt. Aufgrund der Anhebung des Frauenpensionsalters soll die Beschäftigtenzahl der Frauen laut einer aktuellen WIFO-Studie bis 2030 auf 138.000 ansteigen (+61.000). Aufgrund des Regierungsprogramms (Korridorpension, Teilpension, ÄBP) sollen weitere 33.000 Frauen in Beschäftigung bleiben (insgesamt 94.000 Frauen). Bei den Männern soll die Beschäftigtenzahl von rund 150.000 auf 186.000 (um 36.000) anwachsen. Dann läge die Beschäftigungsquote der Frauen bei 49,4% und die der Männer bei 55,5%.

Die Betriebe sind jedoch auf die Herausforderung, bis 2030 zusätzlich über 100.000 60- bis 64-jährige Frauen und Männer zusätzlich zu beschäftigen, nicht annähernd vorbereitet. Es gibt enorme Unterschiede zwischen den Branchen und zwischen den Betrieben. Bei den 60- bis 64-Jährigen liegt die Älterenquote in den Betrieben im Gesamtdurchschnitt über alle Branchen und Betriebe bei rund 5%. Aber: Rund 30% (7.400) der 24.500 mittleren und größeren Betriebe (ab 20 Arbeitnehmer:innen) beschäftigen keinen einzigen Menschen über 60, mehr als die Hälfte der Betriebe keine Frau, die älter als 60 Jahre ist.

Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmer:innen, die keine Menschen über 60 beschäftigen
Bau 734
Beherbergung und Gastronomie 1.037
Bergbau & Gewinnung von Steinen und Erden 15
Energieversorgung 24
Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 94
Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 207
Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 434
Erbringung von wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen 788
Erziehung und Unterricht 187
Gesundheits- und Sozialwesen 409
Grundstücks- und Wohnungswesen 66
Handel 1.324
Herstellung von Waren 737
Kunst, Sport und Erholung 108
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 44
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung 332














So gibt es im Handel 1.324 Betriebe und in der Beherbergung und Gastronomie 1.037 Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmer:innen, die keine/n 60+-Jährigen beschäftigen. Andererseits gibt es im Handel 146 Unternehmen und in der Beherbergung und Gastronomie 71 Betriebe, die 10% bis 15% Ältere ab 60 beschäftigen.  Es gibt 150 Betriebe mit mehr als 100 Mitarbeiter:innen, in denen keine einzige Person über 60 beschäftigt ist. Anhand des Beispiels Handel zeigt sich ganz klar: Hier handelt es sich nicht um ein generelles Branchenproblem, sondern eine unterschiedliche Einstellung zur Älterenbeschäftigung zwischen verschiedensten Arbeitgeber:innen. Übrigens: Der größte Betrieb der keinen Älteren beschäftigt hat mehr als 700 Mitarbeiter:innen. 

Diese Zahlen legen nahe, dass wir dringend ein detailliertes Monitoring der Zielwerte für die Älterenbeschäftigung in den Branchen und Betrieben brauchen. Wenn man bis 2030   eine Beschäftigungsquote der 60- bis 64-Jährigen von rund 50% anstrebt, müssten die Älterenquoten in den Betrieben von derzeit 5% auf rund 10% ansteigen - ein Betrieb mit 20 Mitarbeitern sollte zwei, ein Betrieb mit 100 Mitarbeitern zehn 60+-Jährige Beschäftigen. 

Dafür sind ein gezieltes Monitoring und Anreizsystem erforderlich. Es sollte jeder Betrieb ab 20 Arbeitnehmern einmal jährlich über seine Älterenquote und die Zielquote der Branche, der er angehört informiert werden. Jene Betriebe, die die branchenbezogene Zielquote erreichen, sollen einen Bonus erhalten, jene, die die Zielquote nicht erreichen, einen Malus. 

Der Bonus kann kostenneutral finanziert werden. Derzeit zahlen Betriebe für Arbeitnehmer:innen über 60  gießkannenartig keinen FLAF-Beitrag, keinen ALV-Beitrag, keinen UV-Beitrag und keinen IESG-Beitrag. Diese Befreiungen verpuffen ohne erkennbaren Beschäftigungseffekt und sollten daher aufgehoben werden.  Die freiwerdenden finanziellen Mittel (derzeit rund 1 Mrd €) sollten dann gezielt für die Förderung der Älterenbeschäftigung zum Einsatz kommen und als Bonus für jene Betriebe verwendet werden, die die branchenbezogenen Zielquoten erreichen, für die Förderung alternsgerechter Arbeitsplätze, für Prävention und ähnliches.

Das Potential der Beschäftigung Älterer

AK und ÖGB haben sich Beschäftigungspotentiale der 60- bis 64-Jährigen angesehen und sie Branchen umgelegt. Tatsache ist, dass derzeit 440.000 Personen (260.000 Frauen und 180.000) nicht beschäftigt sind. Hier zeigen sich unterschiedliche Herausforderungen. Vor allem die öffentliche Verwaltung, das Gesundheits- und Sozialwesen, der Handel und die Herstellung von Waren sind besonders gefordert.

Beschäftigungszahlen der 60-64-jährigen
Bild teilen


Wenn man von einer maximalen Beschäftigungsquote von 70% aus geht, könnten rund 480.000 Personen in dieser Altersgruppe beschäftigt sein. Davon sind wir weit entfernt, derzeit ist nicht absehbar, wie die Beschäftigungsquote von rund 50% bis 2030 – wie es das Regierungsprogramm vorsieht - erreicht werden soll. 

Diese extreme Ungleichverteilung bei der Älterenbeschäftigung macht es erforderlich, die Arbeitgeber:innen mit einem Bonus/Malus-System in die Pflicht zu nehmen. Es kann nicht sein, dass tausende, auch größere Unternehmen, keine älteren Menschen beschäftigen und ihnen keine Chance geben, gesund das Regelpensionsalter zu erreichen. Es kann auch nicht sein, dass zahlreiche Unternehmen ihre Verantwortung sozialisieren und die Menschen vor dem Pensionsantritt der Arbeitslosigkeit überlassen.

Jene Betriebe, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen, sollen dafür einen Ausgleichsbetrag leisten. Gleichzeitig gilt es, die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz und in der Gesundheitsversorgung zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, gesund bis zum Pensionsalter beschäftigt zu bleiben. Es muss gemeinsames Ziel sein eine Arbeitswelt zu schaffen, die es den Menschen ermöglicht, ihre Arbeit psychisch und physisch gesund bis zu ihrer Pension auszuführen.  

Dass längeres Arbeiten für viele gar nicht möglich ist, zeigen Zahlen aus dem Arbeitsklima Index der AK OÖ. Mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer:innen hält es für unwahrscheinlich, bis 65 in ihrem Beruf durchzuhalten. Zusätzlich setzt die derzeit steigende Arbeitslosigkeit vor allem älteren Beschäftigten zu.

Unsere Forderungen

  • Ein Bonus/Malus-System, dass die Unternehmen in die Pflicht nimmt, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen.
  • Kostenneutrale Finanzierung der Förderung der Älterenbeschäftigung durch Aufhebung der derzeit bestehenden Gießkannenförderung für Betriebe für Arbeitnehmer:innen ab dem 60. Lebensjahr.
  • Ein transparentes Monitoring der Betriebe zur Älterenbeschäftigung, inkl. Information der Betriebe.
  • Gezielt Umstiegsmöglichkeiten von schweren auf leichtere Tätigkeiten zu fördern.
  • Eine Verbesserung der Rehabilitations- und Präventionsangebote.
  • Die gesetzliche Verankerung der Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen psychischer und physischer Art und verstärkte Beratungsangebote zur alternsgerechten und gesunden Arbeitsplatzgestaltung, in Zusammenarbeit mit der AUVA
  • Gezielte Umsetzung alternsgerechter und gesunder Arbeitsplätze durch:
    * Erzwingbare Betriebsvereinbarung zur Umsetzung von alternsgerechtem Arbeiten sowie zu Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung.
    * Verbindliche Grenzwerte für das Heben, Tragen und Ziehen von Lasten, wobei auch die Gesamtlast im Rahmen der Tagesarbeitszeit zu berücksichtigen ist.
    * Erhöhung der jährlichen Präventionszeit der Präventivfachkräfte.
    * Verstärkte Forschung im Bereich der Arbeitsmedizin.
  • Arbeitslose Menschen durch eine Qualifizierungsoffensive in Beschäftigung zu bringen und die stille Reserve zu aktivieren.


Kontakt

Kontakt

Pressestelle der AK Wien und der Bundesarbeitskammer

Tel. :  +43 1 50165 12565
Fax. : +43 1 50165 12209 
E-Mail: presse@akwien.at

nur für Journalist:innen -