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Corona hat den Alltag aller Menschen in Österreich stark verändert. Besonders schwer getroffen hat die Pandemie aber die Frauen.
Sie arbeiten als Systemerhalterinnen an vorderster Front, sie tragen im Homeoffice die Hauptlast der Hausarbeit und Kinderbetreuung, sie waren – und sind es immer noch – von Arbeitslosigkeit stark betroffen.
„Österreichs Frauen laufen Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten und die mühsam erkämpfte Chancengleichheit am Arbeitsmarkt zu verlieren. Das darf nicht passieren, wir müssen dringend Maßnahmen setzen“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl. Die Arbeiterkammer Wien hat deshalb das Institut für Soziologie der Universität Wien mit einer Sonderauswertung einer groß angelegten qualitativen Längsschnittuntersuchung beauftragt. Dabei wurde die Situation der Vereinbarkeit von Beruf und Familie während der Corona-Pandemie im Zeitraum März bis Dezember 2020 beleuchtet.
Zur Studie
Wie erleben Eltern mit Kindern im Kindergarten- und Schulalter ihre Arbeits- und Lebenssituation und die mit der Ausbreitung des Coronavirus einhergehenden Maßnahmen (z.B. Ausgangsbeschränkungen, Social Distancing, Homeoffice, Homeschooling) und wie gehen sie mit dieser Situation um?
Danach fragte die Sonderauswertung für die AK im Rahmen der groß angelegten qualitativen Längsschnittuntersuchung „Corona und Familienleben“, die vom Institut für Soziologie im Zeitraum März bis Dezember 2020 durchgeführt wurde. 32 Eltern von Kindergarten- und Schulkindern haben an diesem Teil der Studie teilgenommen. Sie wurden teils über telefonisch durchgeführte Einzelinterviews, teils über Tagebucheinträge, die von den TeilnehmerInnen elektronisch ausgefüllt wurden, durch die Pandemie begleitet. Die Eltern schilderten ihre Erfahrungen an insgesamt neun unterschiedlichen Zeitpunkten.
Folgende drei Themenbereiche standen im Fokus:
Die zentralen Ergebnisse
„Eltern standen unter sehr hohem Flexibilitäts- und Anpassungsdruck – und zwar von allen Seiten, sei es vom Arbeitgeber, von der Schule, vom Kindergarten oder von der Politik“, sagt Studienautorin Ulrike Zartler. Und weiter: „Eltern haben mit ihrer Anpassungsfähigkeit und Flexibilität die Starrheit von anderen Institutionen und AkteurInnen im Bildungsbereich und in der Arbeitswelt kompensiert.“
Ohne Zweifel wurden Frauen stärker als Männer von der Corona-Krise getroffen. Nicht nur, dass Frauen zusätzlich zur Erwerbsarbeit (Homeoffice) durch Care-(Homeschooling) und Haushaltsarbeiten überdurchschnittlich belastet waren, sondern führte Corona auch zu einem heftigen Beschäftigungseinbruch in weiblich dominierten Branchen wie zum Beispiel dem Tourismus.
Aktuell liegt die traditionell niedrigere Arbeitslosenquote von Frauen (März 2021) mit 9,2 Prozent nur mehr minimal unter der von Männern (9,3 Prozent). Bei den 211.630 (-60.721/-22,3 Prozent gegenüber April 2020) als arbeitslos oder in Schulungen des AMS registrierten Frauen verfestigt sich, bedingt durch die Krise, leider auch die Langzeitbeschäftigungslosigkeit deutlich. So waren Ende April dieses Jahres 65.919 (+15.276 bzw. +30,2 Prozent) arbeitslose Frauen langzeitbeschäftigungslos.
Nach wie vor ist die Carearbeit in Österreich weiblich und leisten Frauen rund 2/3 der unbezahlten Arbeit. „Eine aktuelle Untersuchung der Universität Wien zeigt, dass sich dies leider auch im Lockdown nicht verbessert hat. Auch die Zahlen der Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld durch Männer zeigen keine Verbesserung, sondern stagnieren seit 2009 bei rund 4,5 Prozent der genehmigten Anspruchstage“, so Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice.
Durch die zu geringe Väterbeteiligung ist für die Mehrheit der Frauen nur eine langjährige Teilzeitbeschäftigung mit geringer Stundenanzahl möglich. Diese führt unmittelbar zu Armut im Alter. „Der wichtigste arbeitsmarktpolitische Hebel, um Frauen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihnen auch gleichwertige Karrierechancen zu ermöglichen, ist die ausreichende zur Verfügung Stellung von Kinderbetreuungsplätzen. Hierfür müssen auch die Öffnungszeiten zu den Arbeitszeiten der Mütter und Väter passen. Noch immer schließt mehr als ein Fünftel der Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich vor bzw. um 14 Uhr“, sagt Kopf.
Mittlerweile ist die schrittweise Einführung eines Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung kein frauenpolitisches Anliegen mehr, sondern ein parteienübergreifendes, gesellschaftspolitisches. Kopf: „Eine Steigerung der Arbeitszeit von Frauen ist dabei auch ein wichtiger Hebel für die Bekämpfung des Fachkräftemangels. Außerdem sind qualitativ hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen auch ein Schlüsselfaktor für die Chancengleichheit von Kindern.“
Alle diese Argumente finden sich auch im Papier der SozialpartnerInnen vom Herbst 2020 „Gemeinsam für eine bessere Vereinbarkeit für Beruf und Familie“. Dort fordern Österreichs SozialpartnerInnen ebenfalls einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung/Bildung.
„Dieser Forderung schließt sich auch das Top-Management des AMS, sprich die 9 LandesgeschäftsführerInnen sowie deren StellvertreterInnen an,“ so Vorstand Kopf abschließend.
Die Corona Krise hat den Spagat, Kind und Job unter einen Hut zu bringen, nochmals drastisch verschärft. Dazu kommt die – speziell für Frauen – prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt. „Wir dürfen daher nach dem Ende der Pandemie nicht einfach zurück zum Status quo. Eltern brauchen eine Entlastung. Und zwar eine Entlastung, die auch wirklich funktioniert“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl.
Verbessert werden muss vor allem das Angebot der Kinderbildung. Aktuell gibt Österreich 0,67 Prozent des BIP in diesem Bereich aus. „Damit liegen wir aber unter dem EU-Durschnitt von rund einem Prozent“, rechnet Anderl vor. Und weiter: „Würde Österreich hier nachziehen, könnten mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden.“
Konkret:
Insgesamt würden infolge der erhöhten Investitionen 32.000 neue Plätze entstehen und fast 70.000 mit verbesserten Öffnungszeiten. Zudem würden direkt in der Kinderbildung knapp 27.000 neue Jobs entstehen und – je nach konjunktureller Entwicklung – rechnet die AK mit 18.000 bis 31.000 Menschen, die aufgrund der verbesserten Vereinbarkeit eine Tätigkeit aufnehmen oder ausweiten könnten. Dazu Anderl: „Mehr Plätze und verbesserte Öffnungszeiten – so könnten die Eltern – und hier vor allem die Mütter – besser in den Arbeitsmarkt integriert werden.“
Die Kosten der Aufstockung auf ein Prozent des BIP belaufen sich auf rund eine Milliarde Euro im Jahr. Laut AK Berechnungen würden 70 Prozent durch Steuern und Abgaben an die öffentliche Hand zurückfließen. „Deshalb die klare Forderung an die Politik: Aufstocken der Mittel für Kinderbildung! Denn das ist nicht nur ein Schlüssel zur Lösung eines Problems, sondern gleich ein ganzer Schlüsselbund“, so die AK Präsidentin.
Zudem muss sichergestellt werden, dass alle Kinder einen Platz in einer elementaren Bildungseinrichtung bekommen. „Es braucht einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag“, fordert Anderl. Um Ländern und Gemeinden ausreichend Zeit für die Umsetzung zu geben und auch die Anzahl von genügend PädagogInnen zu gewährleisten, braucht es eine Übergangsphase. Der Rechtsanspruch soll daher in zwei Etappen erfolgen – ab Herbst 2023 ab dem 2. Geburtstag und ab Herbst 2025 ab dem 1. Geburtstag.
Viel Luft nach oben gibt es in Österreich auch bei der Väterbeteiligung. Denn in acht von zehn Partnerschaften nimmt laut Daten des AK Wiedereinstiegsmonitoring nur die Frau die Möglichkeit der Karenz in Anspruch – und das, obwohl Männer seit mittlerweile 30 Jahren ebenfalls die gesetzliche Möglichkeit haben. Dabei hat gerade eine längere Väterkarenz – und zwar eine Zeit von mehr als sechs Monaten – den mit Abstand größten positiven Einfluss auf einen Wiedereinstieg der Mütter in den Job bis zum 2. Geburtstag des Kindes.
„Leider – und das wissen wir aus unserer Beratung – wird seitens der Unternehmen großer Druck auf die Väter ausgeübt, möglichst rasch nach der Geburt des Kindes wieder in den Job zurückzukehren. Es fehlt also die Aufgeschlossenheit in den Unternehmen, traditionelle Rollenbilder werden gerade jetzt in Krisenzeiten wieder stärker wirksam“, resümiert AK Präsidentin Anderl. Von einer partnerschaftlichen Aufteilung der Kinderbetreuung profitieren alle: Mütter finden schneller wieder in den Job zurück, erhalten wieder ein besseres Einkommen, was wiederum höhere Pensionen bedeutet. Und Väter und Kindern profitieren emotional von der gemeinsamen Zeit.
Gleiche Rechte für Mütter und Väter reichen leider nicht aus, um die traditionellen Rollenbilder aufzubrechen. Ziel muss sein, dass Väter einen höheren Anteil vom Kinderbetreuungsgeld beziehen. „Jetzt ist es jedenfalls zu wenig“, sagt Anderl. Dass es anders geht, zeigt das Beispiel Island. Dort waren bisher drei Monate für die Mutter, drei für den Vater reserviert und drei zur freien Wahl. Dadurch ist der Anteil der Väterkarenz von 30 auf 90 Prozent gestiegen. Ab 2021 wurde die Karenz auf 12 Monate ausgeweitet. Vorgesehen ist eine Aufteilung Halbe-Halbe, wobei fünf Monate pro Elternteil fix sind und zwei Monate frei aufgeteilt werden können.
Darüber hinaus braucht es aber auch finanzielle Unterstützung, wenn sich Eltern die Erziehung ihrer Kinder partnerschaftlich teilen: Arbeiten beide Eltern rund 30 Stunden in der Woche, dann soll es dafür finanzielle Anreize geben. Dieses Familienarbeitszeitmodell, das AK und die ÖGB Frauen gemeinsam fordern, würde dazu führen, dass Frauen mit Kindern das Stundenausmaß eher erhöhen und Männer die Arbeitszeit reduzieren. Alleinerziehende sollen natürlich auch die Förderung bei hoher Teilzeit erhalten.
Und schlussendlich fordert Anderl, dass ArbeitgeberInnen mehr in die Pflicht genommen werden müssen, um die Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung zu fördern. „Wir sprechen hier von einer familienfreundlichen Arbeitswelt. Berufsunterbrechungen und Wiedereinstieg dürfen nicht zum Nachteil werden – weder für die Mutter noch für den Vater. Und die Unternehmen sind gefordert, familienfreundliche und planbare Arbeitszeiten anzubieten. Betriebe müssen Männer auch in ihrer Väterrolle wahrnehmen. Werden Überstunden aufgrund familiärer Verpflichtungen abgelehnt, darf das keine Konsequenzen haben.“
Die Rechte wie Karenz, Elternteilzeit oder Pflegefreistellung gelten ebenso für Väter. Ob das genützt werden kann, hängt noch immer stark davon ab, wie aufgeschlossen der/die Vorgesetzte bzw. das Unternehmen ist. ArbeitgeberInnen müssen sich an die rechtlichen Regeln halten. Sie sollten ihre Beschäftigten über die Rechte zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie informieren und dabei Väter auch ganz klar adressieren.
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