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Mercosur: Warum die AK das Handelsabkommen ablehnt

Derzeit plant die EU einen Handelspakt mit dem südamerikanischen Staatenblock Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay). Mercosur ist die Abkürzung für „Mercado Común del Sur“ und bedeutet „Gemeinsamer Markt Südamerikas“.  Doch es gibt zahlreiche Bedenken gegen die vorliegenden Vorschläge des Handelsabkommens - auch seitens der AK. 

AK Studie: potentiell große soziale und ökologische Risiken

Eine AK Studie zeigt auf, dass das Handelsabkommen der EU mit dem Mercosur sich negativ auf die Beschäftigung in der EU und Österreich auswirken könnte. Es könnten bis zu 120.000 Jobs in der EU und 1.200 in Österreich verloren gehen. Zudem werden die ökologischen Folgen des Abkommens unterschätzt. Die Rodung von Amazonasgebiet für die industrielle Landwirtschaft ist wahrscheinlich größer als in der offiziellen Folgenabschätzung der EU-Kommission ermittelt. Auch ökonomisch hat das Abkommen mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von +0,1 Prozent bis 2032 wenig zu bieten.

5 Fakten zur offiziellen Folgenabschätzung des EU-Mercosur-Handelsabkommen:

  • Kaum BIP-Wachstum: 2,50€ pro Kopf und pro Jahr bis 2032
  • EU-Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft könnten schrumpfen
  • Möglicher Beschäftigungsrückgang in der EU von rund -120.000 Beschäftigten, in Österreich von - 1.200
  • Zweifelhafte Einschätzung der Umweltauswirkungen: Gefahren für Amazonas werden vernachlässigt, Emissionen von Transport- und Landnutzungsänderung werden nicht berücksichtigt
  • Offizielle Folgenabschätzung (SIA) grundsätzlich problematisch, da nachvollziehbare Dokumentation der Datengrundlage und Modellsimulationen fehlt

4 Gründe, warum die AK Mercosur ablehnt

1. Der Internationale Gewerkschaftsbund zählt Brasilien erstmals zu den 10 Ländern weltweit mit schlimmsten Arbeitsbedingungen

  • Gerade im Falle des MERCOSUR wären jedoch effektive soziale Standards wichtig, da es u.a. in der Land- und Lebensmittelwirtschaft, insbesondere im Fleischsektor, zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen kommt. Sklavenähnliche Beschäftigung auf den Zuckerrohr- und Sojaplantagen sowie Rinderfarmen sind keine Ausnahme.

  • Darüber hinaus wird der Arbeits- und Gesundheitsschutz in Produktion und Verarbeitung teilweise völlig ignoriert. Beispielsweise wird in der Landwirtschaft die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen und der Bevölkerung in umliegenden Siedlungen durch den massiven Einsatz von Pestiziden und Herbiziden anhaltend geschädigt.

Quelle: Internationaler Gewerkschaftsbund. ITUC Global Rights Index. (2019).

2. Menschenrechten und Umweltschutz werden mit Füßen getreten 

  • Seit dem Amtsantritt des neuen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro im Jänner 2019 wurden zunehmend Menschenrechtsverletzungen und Angriffe auf Minderheiten, LGBTIQ und indigene Völker beobachtet.

  • Die brasilianische Regierung ebnet vor allem ihren mächtigen Vieh- und Sojakonzernen den Weg, die die Abholzung des weltweit größten Regenwaldes beschleunigen. Im brasilianischen Amazonasgebiet legte die Abholzung im Januar – dem ersten Monat von Präsident Bolsonaros Amtszeit – laut Angaben des Forschungsinstituts Imazon um 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu.

Quelle: Imazon. Boletim do desmatamento da Amazonia legal. (Jänner 2019).

3. Druck auf Lebensmittelstandards

  • Bezogen auf den Landwirtschafts- und Lebensmittelhandel hat das Abkommen eine hohe Bedeutung. Die EU ist vor allem für Soja und Sojaschrot, Rind- und Hühnerfleisch, Mais, Zucker und Ethanol einer der wichtigsten Absatzmärkte. 

  • Die AK befürchtet, dass mit dem MERCOSUR-Abkommen auch wichtige Schutzstandards in der Land- und Lebensmittelwirtschaft unterlaufen werden. Der Einsatz von Pestiziden und Wachstumshormonen in der Land- und Viehwirtschaft ist in Brasilien und Argentinien massiv und schädigt ArbeitnehmerInnen und Umwelt nachhaltig. Diese Produktionsmethoden haben auch bei uns negative Folgen. Sie führen zu einem extrem unfairen Preis- und Standardwettbewerb nach unten.

4. Bestimmungen zur Einhaltung von Arbeits- und Umweltstandards sind völlig zahnlos

  • Das Nachhaltigkeitskapitel des vorgeschlagenen Handelsabkommens enthält zwar Bestimmungen zu den internationalen Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, zum Pariser Klimaschutzabkommen und zum Vorsorgeprinzip.

  • Aber im Gegensatz zu den meisten anderen Bestimmungen des Abkommens sind nicht verbindlich. Die Bestimmungen im Nachhaltigkeitskapitel unterliegen nicht dem Streitbeilegungsverfahren und können nicht sanktioniert und daher nicht durchgesetzt werden. Damit bleibt die Missachtung der wichtigen internationalen Arbeitsstandards der ILO und der internationalen Umweltkonventionen weitgehend ohne effektive Konsequenzen.

Die EU ist der größte Handelspartner des MERCOSUR. Sie muss daher ihre Verhandlungsmacht in die Waagschale werfen und ihren Einfluss geltend machen, um Menschen, Umwelt und Klima zu schützen. Die Einhaltung von Menschen- und Gewerkschaftsrechten, strenge Maßnahmen zur Beendigung weiterer Entwaldung und konkrete Verpflichtungen zur Umsetzung des Pariser Abkommens müssen Vorrang haben. 

Tipp

FALTER Radio. Der Podcast mit Raimund Löw: Klimaschutz vs. Freihandel? Disput um Mercosur

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