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Die langen Monate des Distance-Learning haben den Lerndruck in den Familien massiv erhöht. Die aktuellsten Ergebnisse der AK-Nachhilfebefragung zeigen nun deutlich, dass Familien versuchen, mittels privat finanzierter und organisierter Nachhilfe den Lernstoff im Distance-Learning zu bewältigen und ihre Kinder vor möglichen Lernrückständen zu schützen.
mit AK Präsidentin Renate Anderl und AK Bildungsexpertin Elke Larcher:
Das Zurückgreifen auf private Nachhilfe belastet das Geldbörserl der Familien stark. Für viele Familien ist das allerdings keine Option, sie können sich die bezahlte Nachhilfe nicht leisten.
Schulen haben sich oftmals ebenfalls bemüht und Nachhilfe bzw. Förderunterricht in Bildungseinrichtungen angeboten. Dennoch sind die Belastungen (finanziell, psychisch, …) bei allen Beteiligten am Endes des Schuljahres enorm – wie auch schon die vorherigen Sonderbefragungen im Rahmen der AK Schulkostenstudie gezeigt haben.
37 Prozent der SchülerInnen bekamen Nachhilfe – und die Corona-Krise reißt die Lernschere zwischen jenen Kindern auf, denen die Eltern gut helfen können, und jenen, bei deren Eltern das nicht möglich ist: Das zeigt die AK Nachhilfebefragung 2021 im Rahmen der Schulkostenstudie, für die über 1.000 Eltern mit rund 1.700 Schulkindern befragt wurden. Die Arbeiterkammer fordert, dass kurzfristig das Betreuungsverhältnis in den Schulen im kommenden Schuljahr verbessert wird. Langfristig müssen Schulen für die zukünftigen Herausforderungen vorbereitet werden – mit flächendeckenden, hochwertigen und beitragsfreien Ganztagsschulen und einer gerechten Schulfinanzierung nach dem AK-Chancenindex.
„Der kostenlose Schulbesuch ist eine gesellschaftliche Errungenschaft. Ein guter Abschluss ist aber immer öfter nur durch teuren, privaten Zusatzunterricht möglich“, kritisiert AK Präsidentin Renate Anderl. „Jedes Kind braucht eine faire Chance, seinen Platz in unserer Gesellschaft zu finden – unabhängig von den finanziellen oder zeitlichen Ressourcen der Eltern.“ Die AK Präsidentin fordert: „Wir müssen die Zeit jetzt für eine Neuorganisation der Schulen nützen und in die Schulzeit unserer Kinder investieren. Wir brauchen eine Schule, in der die Kinder genug Zeit und Unterstützung bekommen, damit sie das Gelernte durch individuelles Üben festigen können.“
Heuer bekamen rund 367.000 Kinder (37 Prozent) Nachhilfe – das ist eine klare Steigerung von 10 Prozent. Zusätzlich ist der Anteil an Kinder die laut Angabe ihrer Eltern private Nachhilfe gebraucht hätten, aber keine bekamen, enorm angestiegen (2020: 7 Prozent auf 2021: 27 Prozent der Eltern mit Kindern ohne bezahlte Nachhilfe).
Im Durchschnitt gab eine Familie, die für Nachhilfe zahlt, im heurigen Schuljahr dafür rund 360 Euro pro Kind aus. Die Gesamtausgaben der Eltern für Nachhilfe betragen bis zum Schulschluss etwa 62 Millionen Euro österreichweit.
Corona-bedingt war die Nachhilfe viele Wochen lang kaum möglich, daher ist zwar der Bedarf und der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die Nachhilfe brauchen gestiegen, die Ausgaben der Familien für bezahlte Nachhilfe aber zurückgegangen. Die größer werdende Zahl von kostenlosen Nachhilfeangeboten kann den Bedarf von Nachhilfe nicht decken.
Der Bedarf an Nachhilfe in Mathematik ist gleichbleibend hoch – 68 Prozent aller SchülerInnen, die Nachhilfe bekommen, brauchen in diesem Fach zusätzliche Unterstützung. Ein Anstieg zeigt sich bei der Nachhilfe in Sprachen: 47 Prozent bekommen Nachhilfe in Deutsch, 37 Prozent in einer Fremdsprache.
Die bezahlte Nachhilfe wurde von Nachhilfe-Instituten (37 Prozent), StudentInnen (30 Prozent), LehrerInnen (27 Prozent) und anderen Personen (29 Prozent) oftmals aus dem Bekanntenkreis der Eltern gegeben.
Die Nachhilfebefragung 2021 zeigt: Viele Familien haben privat Nachhilfe finanziert um den fehlenden Unterricht während des Distance-Learning zu kompensieren (39 Prozent). Weiters zeigt sich, dass sich der Trend der Vorjahre fortsetzt: Mit Nachhilfe soll oft nicht „Sitzenbleiben“ (22 Prozent) verhindert werden, sondern immer öfter eine oder mehrere Noten verbessert werden (18 Prozent), um die Chancen auf den Aufstieg in eine ausgesuchte weiterführende Schule zu steigern. Bildungschancen hängen daher stark vom Geldbörserl der Eltern ab.
Viele Familien können sich teuren Privatunterricht nicht leisten. Schlechtere Chancen haben Kinder von WenigverdienerInnen und KrisenverliererInnen.
Nicht alle Kinder, die Nachhilfe brauchen, bekommen sie: In den vergangenen Jahren hatten zwischen 5 und 9 Prozent der Eltern den Wunsch, bezahlte Nachhilfe für ihre Kinder zu bekommen, aber keine erhalten. Durch COVID hat sich der Anteil an Eltern, deren Kinder keine Nachhilfe bekommen, aber eine brauchen, vervielfacht.
Alleinerziehende und ihre Kinder trifft das in besonderem Ausmaß. Häufig müssen Alleinerziehende mit nur einem Einkommen die hohen Ausgaben, die Belastung des Lernens und Übens für die Schule der Kinder nach der Arbeit und den emotionalen Druck zu Hause alleine bewältigen. Während der COVID-Krise sind darüber hinaus soziale Netzwerke zur Unterstützung weggefallen und das Distance-Learning ist als weitere Belastung hinzugekommen.
Diese Mehrfachbelastung der AlleinerzieherInnen ist unzumutbar. 24 Prozent der Alleinerziehenden, die im Regelfall ein unterdurchschnittliches Haushaltseinkommen haben, haben für ihr Kind bezahlte Nachhilfe gehabt, bei den anderen Haushalten waren es 15 Prozent. JedeR dritte AlleinerziehendeR (32 Prozent) hätte gerne Nachhilfe für sein/ihr Kind gehabt, konnte sich diese aber nicht leisten oder organisieren. Von den Alleinerziehenden mit einem Nachhilfekind haben sich sechs von zehn Betroffenen mit der Finanzierung der Nachhilfe sehr schwer getan.
So gut wie täglich lernt aktuell die Hälfte der Eltern mit ihren Kindern, mehr als 80 Prozent zumindest einmal pro Woche. Schulkinder brauchten bereits vor der Schulschließung wegen Corona die Hilfe ihrer Eltern beim Lernen, mit dem Distance-Learning wurde das gemeinsame Lernen endgültig zur Belastung des Familienalltags. Mütter oder Väter kontrollieren nach der Arbeit die Hausübungen, sie lernen mit ihnen für Prüfungen und Schularbeiten und erklären Aufgabenstellungen.
Corona-bedingt waren die SchülerInnen viele Monate im Distance-Learning, und Lernen fand ausschließlich in den Familien statt. Die Arbeiterkammer tritt dafür ein, dass die Zeit nach COVID für eine Erneuerung genützt wird. Denn die Corona-Krise zeigt die grundlegenden Probleme der österreichischen Schule mit übergroßer Deutlichkeit: Wenn Eltern selbst LehrerInnen sein müssen, geht die Lernschere zwischen den Kindern weiter auf und der Schulerfolg wird zur Belastung fürs Familienleben.
Die Arbeiterkammer will, dass jedes Kind von der Schule unterstützt wird und seine Talente entfalten kann. AK Präsidentin Renate Anderl: „Wir können uns die Schule von gestern nicht mehr leisten: Kinder werden nach ihren Schwächen beurteilt, verzweifeln manchmal an ihren Noten. Lehrerinnen und Lehrer haben kaum Raum, um auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Eltern müssen teuren Privatunterricht in Form von Nachhilfe zukaufen oder selbst die Rolle der Zusatz-Lehrkraft übernehmen. Oder die Kinder bleiben alleine gelassen zurück, und die Lernschere geht auf. So eine Schule ist ungerecht und nicht zukunftsfit. Die Schulen müssen es den Kindern ermöglichen, daheim nur Kind zu sein und sich nicht zwischen Hausübung, Nachhilfe und Freizeit aufreiben zu müssen.“
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